Wie wollen wir morgen leben?

Beim Symposium werden Formen des zivilen Protests besprochen. Foto: nd

Wie wollen wir morgen leben?.

Kunstfestival MS Artville hat geöffnet.

Am vergangenen Samstag, 20. Juli, öffnete das MS Artville seine Tore für Besucherinnen und Besucher. „Morgen“ lautet das diesjährige Thema des Kunstfestivals. Rund 21 nationale und internationale Künstler beschäftigen sich mit der Frage, wie wir zukünftig leben wollen, zeichnen Schreckensszenarien und Hoffnungsschimmer und behandeln Nachhaltigkeit und Umweltschutz.
Die zu bestaunenden Kunstwerke sind zumeist große, teilweise sogar begehbare und interaktive Installationen: Der Künstler Bordalo II möchte durch einen riesigen, aus dem Boden ragenden Maulwurf aus Plastikresten darauf aufmerksam machen, dass nicht nur unsere Meere, sondern auch unsere Böden mit Plastik vermüllt sind. Die spanische Künstlerin Aïda Gómez lässt die Besucher in einem Raum voller Buchstabensalate selbst entscheiden, welche Worte sie für ihr „morgen“ sehen wollen. Der rumänische Künstler Kitra bringt Menschen an einer runden Tischtennisplatte durch gemeinsames Spiel zusammen. Und das Berliner Künstlerkollektiv Mentalgassi möchte durch ein auf mehreren, versetzt stehenden Stahlstelen verteiltes Porträt eines Mannes aufzeigen, wie wir unsere Privatsphäre freiwillig von Internetkonzernen „entern“ lassen.
Zwei bis drei Wochen brauchten die Künstler, um ihre Installationen gemeinsam mit Ehrenamtlichen, Handwerkern und Wandergesellen aufzubauen. Der Prozess sei jedoch niemals wirklich abgeschlossen, erläutert Anna Dell, Mitarbeiterin der Pressestelle. Die Künstler können auch während der Laufzeit des Festivals an ihren Kunstwerken weiterarbeiten.
Die Kunstausstellung wird von einem Symposium begleitet, bei dem verschiedene Aktivisten und Akteure im großen Zelt von unterschiedlichen Formen des zivilen Ungehorsams berichten und sich den Fragen des Publikums stellen. „Wir sehen in der Gesellschaft ein Bedürfnis, auch außerhalb der regulären Bundes- oder Landtagswahlen tätig zu werden. Das sieht man ja auch an der Fridays-for-Future-Bewegung“, erklärt Anna Dell. „Mit dem Symposium wollen wir auf zivilen, kreativen Protest aufmerksam machen.“
Das Kunstfestival entstand zunächst als „Kunstcamp“ im Zusammenhang mit dem MS Dockville, bei dem Kunst und Musik gleichwertig behandelt werden und die Kunst nicht nur als Dekoration dienen sollte. Seit 2014 besteht das MS Artville in seiner derzeitigen Form. „Die Kunst darf daher nicht zu leise sein“, erklärt Janna Rath, Pressesprecherin des Festivals. „Und sie muss Menschen und Wetter standhalten können“, ergänzt sie lachend – und tatsächlich musste die Fläche während des Richtfests zwischenzeitlich wegen Unwettern geräumt werden.
„Das Gelände ist einfach toll“, schwärmt Anna Dell „Es ist an den Hafen angebunden und mitten in der Stadt und daher natürlich hart umkämpft.“ Die Fläche ist noch bis 2022 gepachtet, nächstes Jahr beginnen die nächsten Verhandlungen über die Zukunft des Geländes. „Wir möchten sehr gern hierbleiben. Woanders wäre es kaum möglich, ein vergleichbares Kunstfestival mit dieser Vielfalt und Länge zu veranstalten.“ Die langfristige Pacht des Geländes ermögliche das Bestehen einiger Kunstwerke auch über die offizielle Laufzeit des Festivals hinaus. Derzeit können Besucherinnen und Besucher daher auch Installationen aus den vergangenen Jahren bewundern.
„Wir sind kein Museum, sondern eine große Open-Air-Galerie. Wir legen viel Wert auf einen niedrigschwelligen Zugang“, erklärt Janna Rath. „Aktuelle Themen werden aufgegriffen und auf eine einfache Art und Weise zugänglich gemacht. Das finde ich gerade für meine Generation wichtig“, ergänzt die 24-jährige Anna Dell. „Es ist uns auch ein großes Anliegen, ein offenes und zugängliches Gelände zu schaffen und möglichst viele Veranstaltungen mit freiem Eintritt anbieten zu können.“ Auch das Burgfest am 10. August und die Besuchertage mit stündlich stattfindenden Führungen können kostenlos besucht werden. Geöffnet hat das MS Artville zum Kunstgucken immer dienstags, mittwochs und sonntags von 14 bis 22 Uhr und zu den Veranstaltungen. Weitere Informationen unter msartville.de.
„Wir schaffen mit dem Festival einen tollen Spagat“, findet Anna Dell, „die Besucher können sich einfach treiben lassen, sich an einer Kunstführung beteiligen und sich mit den Kunstwerken auseinandersetzen oder beim Symposium dabei sein und so inhaltlich ganz viel mit nach Hause nehmen. Wir sind froh, dass es jetzt los geht und freuen uns auf alle, die vorbeikommen!