Erstaufnahme: Noch erhebliche Bedenken bei SPD und CDU

Foto: SPD -Frank Richter: Klare bauliche Trennung mit verschiedenen Eingängen und den Ausschluss zufälliger Begegnungen im Außenbereich des Objekts gewährleisten
Ralf-Dieter Fischer: Die Bezirksversammlung hat ausdrücklich noch nicht zugestimmt

Erstaufnahme: Noch erhebliche Bedenken bei SPD und CDU.

„Keine Vorratsbeschlüsse“ – Vorhandene Einrichtungen ausschöpfen.

„Unter diesen Umständen ist die Verwaltung gehindert, den erforderlichen Befreiungsantrag zur positiven Entscheidung der Bezirksversammlung zu empfehlen. Insoweit ist das Vorhaben an dieser Stelle und in der dargestellten Form derzeit nicht realisierbar und daher von der Bezirksversammlung abzulehnen.“ So weit die Stellungnahme der CDU-Fraktion in der Bezirksversammlung. Sie kann demnach die Idee der Behörde für Inneres und Sport, in einem Flügel der Senioreneinrichtung auf der Eichenhöhe eine Erstunterkunft für Flüchtlinge einzurichten, nicht mittragen.
Ähnlich die SPD: Die Fraktion erkennt den von der Innenbehörde in der Sitzung des Ausschusses für Soziales, Integration, Gesundheit und Inklusion (SIGI) nachvollziehbar dargelegten Bedarf, „der durch die bestehenden Hygienemaßnahmen und die aktuell zunehmende Anzahl geflüchteter Menschen entstanden ist,“ an und weist darauf hin, dass wegen der nach wie vor bestehenden Corona-Pandemie die vorhandenen Erstaufnahmeeinrichtungen nur eingeschränkt belegt werden, können, „so dass weitere temporäre Einrichtungen erforderlich sind.“ Die Fraktion erkennt ebenso an, „dass auch der Bezirk Harburg und damit auch der Stadtteil Eißendorf in der gesamtstädtischen Solidarität und der moralischen Verpflichtung gegenüber geflüchteten Menschen seinen Beitrag zur Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten zu leisten hat.“ Dann das Aber: Die SPD-Fraktion hat derzeit noch erhebliche Bedenken, einer Unterbringung von Menschen in einem Flügel des Wohn- und Pflegeheims Eichenhöhe 9 zuzustimmen, wo ein derzeit leerstehender Flügel des ansonsten weiter betriebenen Wohn- und Pflegeheims in Anspruch genommen werden soll.“In den anderen Teilen des Gebäudes wohnen ältere, zum Teil pflegebedürftige Menschen.
Die CDU verweist zunächst auf die Frage der Fristen: „Die bisher erteilten Informationen reichen nicht aus, um eine endgültige Bewertung des Vorhabens vorzunehmen“, so der Fraktionsvorsitzende Ralf-Dieter Fischer. Er weist weiter darauf hin, „dass die der Bezirksversammlung zugebilligten gesetzlichen Fristen für eine Stellungnahme nicht eingehalten sind.“ Die Fachbehörde habe mit Schreiben vom 28. Januar den Vorsitzenden der Bezirksversammlung und die Bezirksamtsleitung unterrichtet. „Da den Abgeordneten der Bezirksversammlung die entsprechende Antragstellung erst am letzten Arbeitstag des Jahres 2021 zugegangen ist und darüber hinaus der Gesamtvorgang als vertraulich bezeichnet wurde, ist die Monatsfrist noch nicht abgelaufen. Derzeit sprechen jedoch bereits zahlreiche wesentliche Argumente gegen die Schaffung einer derartigen Einrichtung“, so Fischer weiter. Die Fachbehörde habe mit der Vorlage einer Kapazitätsplanung der öffentlich-rechtlichen Unterbringung im Ausschuss für Soziales, Integration, Gesundheit und Inklusion am 10. Januar noch keine vollständig nachvollziehbaren Daten über Bestand, Unterbringungsnotwendigkeit und Verfügbarkeit vorhandener Einrichtungen im gesamten Hamburger Stadtgebiet geliefert.
Insoweit werde für den Bezirk darauf hingewiesen, dass die bisherigen Einrichtungen Neuenfelder Fährdeich und Am Röhricht noch nicht hinreichend geklärt seien, „da es sich um so genannte ‚Bürgervertragsstandorte‘ handelt. Die Fachbehörde sei darüber hinaus daran zu erinnern, „dass die Bezirksversammlung Harburg dem Bürgervertrag, der unter Umgehung der Mitwirkungsrechte der Bezirksversammlung geschlossen worden ist, ausdrücklich nicht zugestimmt hat.“
Gleichfalls ungeklärt sei auch die Situation für die Einrichtungen Cuxhavener Straße 564 und Rotbergfeld (ehemals Rönneburger Stieg). Fischer: „Es ist für die Bezirksversammlung derzeit nicht nachvollziehbar, dass über das gesamte Stadtgebiet verteilt die Einrichtungen und Inanspruchnahme weiterer Flächen eine angemessene und gleichmäßige Belastung aller Bezirke mit sich bringen würde. Einen zusätzlichen Bedarf in Hamburg wegen kontinuierlicher und ggf. steigender Zuwanderung, insbesondere aus Afghanistan oder Syrien unterstellt, müsse die Fachbehörde allerdings bei ihren Äberlegungen die vorhandenen Möglichkeiten zunächst voll ausschöpfen, ehe Vorratsbeschlüsse getätigt werden. Insoweit dürfe darauf hingewiesen werden, dass nach der Darstellung der Sozialbehörde zum Stichtag 30. November 2021 die in Harburg befindlichen Einrichtungen sämtlich noch über ungenutzte Kapazitäten verfügen.“ Allein die Unterkunft Harburger Poststraße verfüge über 382 Plätze bei einer Auslastung von 252.
Darüber hinaus sei völlig unverständlich, „dass die Fachbehörde bei ihrem Antrag das ehemalige OBI-Kaufhaus am Geutensweg vollständig außer Acht lässt.“ Hier seien in Spitzenzeiten durch den Rote Kreuz, Kreisverband Harburg, mehrere hundert Personen untergebracht und betreut worden. Die Einrichtung stehe darüber hinaus seit einigen Jahren vollständig leer. Die Immobilie im Eigentum der Stadt dient der Fachbehörde für die zukünftige Nutzung der Ansiedlung einer Berufsfeuerwehrwache. Nach den Planungen werde diese allerdings erst nach Ablauf der beabsichtigten Nutzungsdauer der Einrichtung Eichenhöhe in Anspruch genommen werden müssen. „Daher müsste die Einrichtung Geutensweg mit ca. 400 – 500 Plätzen in die Belegungsüberlegungen vollständig einbezogen werden“, erwartet der CDU-Fraktionsvositzende.
Insoweit dürfe auf absehbare Zeit im Bezirk Harburg keine kurz- oder mittelfristige Notwendigkeit zur Inanspruchnahme weiterer Unterbringungsmöglichkeiten bestehen, meint die CDU und wundert sich, „dass die Planung der Fachbehörde derzeit auch nicht erkennen lässt, dass die soziale Stärke der Hamburger Bezirke bei der Erarbeitung des Verteilungsschlüssels ausreichend berücksichtigt worden ist.“
Der ins Auge gefasste Standort Eichenhöhe wurde unter Berücksichtigung aller Umstände nicht sozialverträglich gewählt, schlussfolgert Fischer.
Es sei auch nicht hinreichend bedachtet worden, „dass sich in fußläufiger Nähe Schulen, Kindergärten und Senioreneinrichtungen befinden und darüber hinaus es sich um ein weitgehend gewachsenes Wohngebiet handelt. Unbeachtet ist offenbar auch, dass die Stadt im Bereich Kirchenhang ein neues Wohngebiet (Hanne-Darboven-Ring) errichtet hat.
Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte sei der geplante Standort als „nicht sozialverträglich zu beurteilen.“
Ferner ließe die bisherige Äberlegung der Fachbehörde auch nicht erkennen, „wie die vorrangigen Rechte der in dem derzeit benutzten Gebäudeteil des Wohn- und Pflegeheims Eichenhöhe 9 und die dortigen Bewohner hinreichend abgesichert werden können.“
Insoweit seien mit ziemlicher Sicherheit erhebliche Bauarbeiten erforderlich, um eine strikte Trennung sowohl im Gebäude als auch auf Freiflächen zu erreichen. Dieses führe zu erheblichen Investitionen für eine kurzfristige Äbergangslösung, die offenbar bisher überhaupt nicht bei der Planung berücksichtigt worden seien. Ferner, so der Fraktionsvorsitzende weiter, „ist zu berucksichtigen, dass der Bebauungsplan für dieses Gebiet eine ausdrückliche Festlegung für den Betrieb eines Senioren-Wohn- und Pflegeheims enthält und die geplante Nutzung durch die Fachbehörde dem Bebauungsplan in keiner Weise entsprechen würde.“
Voraussetzung für die SPD ist auch eine klare bauliche Trennung mit verschiedenen Eingängen und den Ausschluss zufälliger Begegnungen im Außenbereich des Objekts. Das bedeutet, dass im Inneren des Gebäudes alle Zugänge, die sonst ein Betreten des jeweils anderen Teils des Gebäudes ermöglichen, so verschlossen werden, dass auch ein zufälliges Betreten des anderen Gebäudeteils durch Bewohner:innen, Gäste oder Personal ausgeschlossen wird. Im Außenbereich ist die Zuwegung so zu organisieren, dass getrennte Zuwegungen zu den Eingängen beider Einrichtungen gewährleistet sind.
Die Sozialdemokraten erwarten außerdem, dass in organisatorischer Hinsicht ein Hygienekonzept vorgelegt wird, „das gewährleistet, dass auch ein zufälliges Betreten oder Begegnungen – auch im Außenbereich – ausgeschlossen werden. Der Außenbereich des Geländes ist dementsprechend und entsprechend den Freizeitbedürfnissen der unterzubringenden Personen bei gleichzeitiger Beachtung der strikten Nutzungstrennung herzurichten. Auch sei sicherzustellen, „dass es keine personelle Überschneidung z.B. beim Reinigungspersonal oder im Rahmen der Verpflegung gibt, die das Risiko einer Übertragung des Corona-Virus erhöhen könnte.“ Die baulichen und organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung der Nutzungstrennung und das Hygienkonzept zum Schutz der im Wohn- und Pflegeheim lebenden Bewohner:innen sollen dem Regionalausschuss Harburg vor Beschlussfassung vorgestellt und den Fraktionen zugeleitet werden, erwarten die SPD-Abgeordneten. Da nach wie vor eine pandemische Lage herrsche und die Bewohner:innen des Wohn- und Pflegeheims aufgrund ihres Alters und teilweise vermutlich auch aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands zur vulnerablen Gruppe gehörten, sei durch bauliche und organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, „dass durch die Aufnahmeeinrichtung im leerstehenden Flügel des Gebäudes das Risiko einer Corona-Infektion für die Bewohner:innen nicht erhöht wird.“
Zu beachten sei zusätzlich, führt die CDU weiter aus, „dass das DRK Hamburg-Harburg in der Vergangenheit sich bemüht hatte, die leer stehenden Flächen bebauungsplangemäß durch Erweiterung von Senioren- und Pflegeangeboten zu nutzen.“ Dieses sei offenbar daran gescheitert, „dass das DRK Hamburg als Eigentümer des Objektes eine Maximierung des Mietpreises erreichen wollte und daher das Objekt nicht für weitere soziale bebauungsplangemäße Zwecke zur Verfügung gestellt wurde.“ Nicht zuletzt meinen die Chrtistdemokraten dass die Versorgung der Bewohner in der Äbergangseinrichtung „kaum sachgerecht in der Weise, wie die Fachbehörde es vorträgt (Catering durch das DRK), erfolgen kann.“ E müssten getrennte Bereiche, beispielsweise Küche und Versorgung, zunächst geschaffen werden.
Letztlich stünde dem Projekt aber die Tatsache entgegen, „dass nicht nur die Hygienekonzepte (siehe die Ausführungen der SPD) bisher nicht nachvollziehbar dargelegt sind, sondern dass das gesamte Grundstück mit Gebäude im Eigentum einer Stiftung steht. Hier war seinerzeit die Aufgabe einer Sportfläche mit der ausdrücklichen Maßgabe erfolgt, dass eine Stiftung dauerhaft den Betrieb einer Senioren-Wohn- und Pflegeheimeinrichtung garantieren würde. Auch die SPD-Fraktion erwartet vom in Aussicht genommenen Betreiber DRK eine vollständige und abschließende Information über die Kommunikation des DRK mit der Stiftung über die geplante, dem Satzungszweck nicht entsprechende temporäre Nutzung eines Teils des Gebäudes.
Offenbar habe sich die Fachbehörde bisher nicht hinreichend mit dieser rechtlichen Konstellation beschäftigt. Fischer: „Ein Bauantrag mit entsprechend erforderlichen Befreiungen müsste vom Grundeigentümer, hier also der Stiftung Bahr-Wolkenhauer, gestellt werden. Es ist nicht erkennbar, wie sich die Fachbehörde und der Nutzer DRK Hamburg bisher überhaupt mit der Stiftung hinsichtlich dieses Objektes ins Benehmen gesetzt haben.“ Bislang seien „die Bewohner:innen und ihre Angehörigen ausschließlich durch ein Schreiben des DRK als Betreiber von der Entwicklung unterrichtet worden“. Die SPD-Fraktion erwartet, so ihr Vorsitzender Frank Richter weiter, „dass die verantwortliche Behörde für Inneres selbst mit den Bewohner:innen und/oder ihren Angehörigen eine transparente Kommunikation vor Ort führt, diese selbst über die geplante Einrichtung und die getroffenen Maßnahmen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes unterrichtet und sich daraus ergebenden Fragen stellt.“ Ebenso werde eine Kommunikation der Behörde für Inneres im Stadtteil mit den Anwohner:innen und angrenzenden Institutionen wie der Kirchengemeinde und der benachbarten Kita erwartet, „so dass alle ausreichend über die Planungen informiert sind und Fragen und Bedenken im Rahmen dieser Kommunikation äußern können,“ betonte Richter.
Unter den von ihr genannten Voraussetzungen käme für die SPD eine temporäre Nutzung bis zum 31. Dezember in Frage. Deshalb, so Richter, „ist durch eine entsprechende Befristung der Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans und der Nutzungsänderungsgenehmigung sicherzustellen, dass der Gebäudeflügel nur für die vorgesehene Zeit bis zum 31. Dezember 2022 als Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete genutzt wird. Gegebenenfalls ist durch eine entsprechende Auflage sicherzustellen, dass anschließend die ebenfalls dringend benötigten Seniorenwohnungen in diesem Gebäudeflügel entstehen.“
Die AfD indessen lehnt die Einrichtung und Inbetriebnahme einer Erstaufnahmeeinrichtung in einem Gebäude der Seniorenpflegeeinrichtung Eichenhöhe ab, so ihr Abgeordneter Mathias Arft. Ihr Argument: „Die geplante Nutzungsänderung ist eine Zweckentfremdung der Seniorenpflegeeinrichtung Eichenhöhe. Der Bebauungsplan sieht an dieser Stelle nur eine Seniorenpflegeeinrichtung vor. Angesichts der Tatsache, dass Plätze in Einrichtungen für pflegebedürftige Senioren knapp sind, ist eine Nutzungsänderung und damit einhergehende Zweckentfremdung des Gebäudes in der Seniroenpflegeanlage in der Eichenhöhe unnanehmbar.
Die AfD fordert das Deutsche Rote Kreuz als Träger der Einrichtung sowie die Sozialbehörde auf, „das Gebäude schnellstens wieder für seine eigentliche Bestimmung nutzbar zu machen, damit dort pflegebedürftige Senioren aufgenommen werden können.“ Sie verweist darauf, dass die Nutzungsdauer für Migrantenunterkünfte im Sinstorfer Kirchweg, Neuenfelder Fährdeich sowie Lewenwerder I und II im September 2019 zum Teil um bis zu zehn Jahre verlängert wurde. Ebenfalls 2019 sei der Abbau von 36 Wohncontainern in der Erstaufnahme Harburger Poststraße verschoben und im Januar 2021 die Nutzungsdauer der Unterkunft Cuxhavener Straße 564 bis 2023 verlängert worden. „Dazu wurde der 2015 mit der Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek (BINF) geschlossene Bürgervertrag geändert. Die Sozialbehörde will laut Staatsrat Michael Klahn die Nutzungsdauer für diese öffentlich-rechtliche Unterkunft über 2023 hinaus noch einmal verlängern,“ sagte der AfD-Abgeordnete Mathias Arft. Eine „schleichende Verstätigung eines nur als zeitlich begrenzt vorgesehenen und akzeptierten Betriebs von Erstaufnahmeeinrichtungen und öffentlich-rechtlichen Unterkünften ist unannehmbar. Sie ist vom Senat und seinen Behörden sofort zu beenden,“ fuhr er fort. Arft und Ulf Bischoff fordern deshalb den Hamburger Senat auf, die Kapazitäten der Erstaufnahme und der öffentlich-rechtlichen Unterkünfte in Hamburg wieder auf das Niveau von vor 2015 zurückzuführen. Sie führen weiter aus: „Den Ankündigungen der Innenministerin Nancy Faeser zufolge setzt die Bundesregierung ihre Politik einer Ausweitung der Migration nach Deutschland fort. Diese grundfalsche Politik darf nicht länger zu Lasten des Bezirks Harburg gehen.“ Deshalb fordern sie den Senat und insbesondere Bürgermeister Tschentscher auf, „von der Bundesregierung, insbesondere Bundeskanzler Scholz, die Beendigung dieser Politik zu verlangen.