„Ein Bild wie in der Ukraine“

Foto: Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) -Der Schulsenator Ties Rabe (oranger Helm) machte sich am Donnerstag ein Bild vor Ort

„Ein Bild wie in der Ukraine“.

3.45 Uhr: Gasexplosion zerstört Trakt der Stadtteilschule.

Der letzte Schultag stand bevor. Jetzt liegen tausende Glasscherben von zerborstenen Fenstern, verbogene Dachbleche, zerfetzte Aktenordner und ganze Mauerstücke auf dem Schulhof. Das war passiert: Es war genau 3.45 Uhr morgens, als es am Mittwoch am Norderschulweg einen ohrenbetäubenden Knall gab und in den Zimmern der Senioren im Bodemannheim alles schepperte und klapperte. Zeitgleich wurde es schlagartig taghell, denn eine viele Meter hohe Flamme schoss in den Himmel – so berichtet es Kurt M. (90), der in seinem Zimmer mit Blick auf die Straße hochgeschreckt war und das Eintreffen von Lösch-, Polizei- und Rettungswagen mit gefühlt tausend Blaulichtern beobachten konnte. Später erfuhr auch er aus den Rundfunknachrichten, was geschehen war. Eine gewaltige Gasexplosion hatte nicht nur die Senioren aus dem Schlaf gerissen, sondern den Verwaltungstrakt der Stadtteilschule (StS), die genau gegenüber vom Bodemannheim liegt, in Schutt und Asche gelegt. Besonders betroffen: das Büro des Schulleiters und auch das Lehrerzimmer wurde in Mitleidenschaft gezogen, Fenster und Türen wurden aus der Verankerung gerissen, aber – mehr noch – alle Zeugnisse, die am Mittwoch ausgegeben werden sollten, sind verbrannt. Glück imd Unglück: Sie sind digital gespeichert.
Der Feuerwehrsprecher Tim Spießberger sagte gegenüber Der Neue RUF: „Der betroffene Trakt sieht aus, als befinde er sich in der Ukraine.“ Weil die Explosion am sehr frühen Morgen stattgefunden hatte, habe sich – mit Ausnahme des Hausmeisters, der mit dem Schrecken davon gekommen sei – niemand in der Schule befunden. Nicht vorzustellen, wenn das alles einige Stunden später passiert wäre, so der Sprecher. Der betroffene Trakt, der beim Eintreffen der Feuerwehr im Vollbrand gestanden hat, liegt nun in Schutt und Asche und ist teilweise eingestürzt. Die Feuerwehr war mit mehreren Löschzügen und 45 Kräften im Einsatz. Noch bis 10 Uhr gab es im Keller, wo das Unglück mutmaßlich seinen Lauf genommen hat, immer wieder kleinere Explosionen, und Glutnester mussten gelöscht werden. Die Schule wurde so schnell wie möglich vom Gasnetz Hamburg getrennt, so dass ein Übergreifen der Flammen verhindert werden konnte.
Unklar war bis Redaktionsschluss noch, ob die Explosion vorsätzlich herbeigeführt wurde oder ob ein technischer Grund zugrunde lag. Allerdings: Wenig später hätte es Tote geben können, sagte Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde.
Nur 150 Meter vom Ort des Geschehens wohnt Walter K. „Meine Frau und ich sind um 3.45 Uhr beinahe aus dem Bett gefallen“, berichtet er. Alles habe vibriert und das Haus habe gezittert wie noch nie. Die Gedanken an den Krieg seien da nicht weit gewesen. Zunächst hatte das Ehepaar geglaubt, dass jemand versucht habe, den Tresor der benachbarten Bank zu sprengen. Dann aber sahen sie die meterhohen Flammen über der Schule …
Der Schreck in die Glieder gefahren ist auch den Schülern einer Klasse aus dem benachbarten Gymnasium, die in der Schule übernachtet hatten, um das Ende des Schuljahres ausklingen zu lassen. Das fiel nun ganz anders aus, als gedacht. Die Mädchen und Jungen blieben unverletzt.
Der technische Zug der Freiwilligen Feuerwehr Eppendorf führte in Absprache mit einem Baustatiker Abstützmaßnahmen und Rissmanagement im Schulgebäude durch. In enger Zusammenarbeit mit den
Brandermittlern der Polizei räumte der Bagger die Trümmer, um diese ablöschen zu können. Anschließend wurde ein einsturzgefährdeter Giebel eingerissen, um letzte Glutnester zu löschen. Am Nachmittag wurde die Einsatzstelle an den Schulleiter übergeben. Das Landeskriminalamt 45 hat die Ermittlungen aufgenommen.
Den 530 Schülern müssen die Zeugnisse jetzt auf anderem Wege zugestellt werden, und auch für die 70 Lehrer ist das Schuljahr anders zu Ende gegangen, als gewohnt. Für den Schulleiter der StS, Steffen Kirschstein, sollte Mittwoch der letzte Arbeitstag vor Renteneintritt sein. Auf seinen Nachfolger Torben Gust kommen ungeahnte Aufgaben zu.
Die Stadtteilschule und das benachbarte Gymnasium blieben an diesem Tag geschlossen. Das Gymnasium hatte auf seiner Homepage noch eine dahingehende Information veröffentlicht, die aber nicht von allen gelesen wurde, sodass manche Schüler zum Unterricht erschienen – eine Notbetreuung wurde eingerichtet. Auch für die Bevölkerung habe zu keinem Zeitpunkt Gefahr bestanden, so der Sprecher der Feuerwehr.

Der Schulsenator Ties Rabe hat sich Indessen am Donnerstag an der Stadtteilschule über das Ausmaß der Zerstörungen, ihre Folgen für die Schule und die weiteren Planungen informiert sowie eine Ortsbegehung mit dem Landeskriminalamt durchgeführt. Das LKA führt die Ermittlungen im Hinblick auf die Ursachen der Explosion und des Brandes im Verwaltungstrakt der Schule.
In einer Arbeitssitzung vor Ort mit Schulleiter Steffen Kirschstein, Landesschulrat Thorsten Altenburg-Hack und GMH Gebäudemanagement Hamburg (zuständig für die Schulgebäude) wurden erste Maßnahmen erörtert, wie ein geordneter Schulbetrieb zum Schuljahresbeginn sichergestellt werden und wie die Schulbehörde dabei aktiv und konkret unterstützen kann. In Gesprächen auch mit dem Schulhausmeister und Verwaltungsmitarbeiterinnen konnte der Senator einen unmittelbaren Eindruck gewinnen von den Geschehnissen seit Dienstagnacht.
„Der Unterrichtsbetrieb zum Schuljahresbeginn ist sichergestellt, weil zum Glück keine Unterrichtsräume von der Explosion betroffen sind, so der Senator. Der Verwaltungstrakt aber ist weitgehend zerstört oder unbrauchbar, so dass es hier einer Lösung bedarf, hieß es nach der Begehung. Es werden daher zügig für Schulleitung, Schulverwaltung und Lehrerkollegium Ersatzräume bereitgestellt, um sicherzustellen, dass die Kolleginnen und Kollegen möglichst bald wieder angemessene Arbeitsbedingungen haben. Dafür kommen, wie der Sprecher der BSB mitteilze, mobilen Klassenräume sowie andere Schulgebäude auf dem Gelände infrage. Sobald es die Brandermittlung zulässt, wird noch in den Sommerferien das Schulgelände wieder aufgeräumt sowie Schäden und Splitter beseitigt, damit sich die Schüler ab Schuljahresbeginn gefahrlos und frei bewegen können. Schulpsychologinnen und -psychologen werden beratend bereit stehen, um bei Bedarf gemeinsam mit der Schulgemeinschaft die Geschehnisse und ihre Folgen zu verarbeiten.
Schulsenator Ties Rabe sagte zum Abschluss seines Besucher: „Ich bin erschüttert über das Ausmaß der Zerstörungen. Nicht auszudenken was passiert wäre, wenn sich die Gasexplosion nur vier Stunden später ereignet hätte. Ein ganz besonderer Dank gilt dem jetzigen Schulleiter Steffen Kirschstein, dem Schulleitungsteam, den Verwaltungsmitarbeiterinnen, dem Hausmeister sowie den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen von GMH Gebäudemanagement Hamburg, die bereits jetzt vor Ort sehr engagiert konkrete Lösungen suchen und ohne auf Ferien und Arbeitszeiten zu achten anpacken, um der Schulgemeinschaft nach den Ferien einen guten Schulstart zu ermöglichen. Für die Schule gibt es zusätzliche finanzielle Unterstützung, um die Schäden an Mobiliar, Technik, Unterrichtsmaterial und anderen Ausstattungsgegenständen unbürokratisch und schnell zu beseitigen. Gleichzeitig wird direkt aus Behörden- und Amtsleitung heraus koordinierende Unterstützung organisiert, damit es zu einer schnellen Umsetzung kommt. Wir werden alles dafür tun, um der Schule Mitte August einen guten Start in das neue Schuljahr zu ermöglichen.“