Wird Unterkunft „Am Aschenland“ Ende 2020 geschlossen?

Wird Unterkunft „Am Aschenland“ Ende 2020 geschlossen?

Schreiben von „fördern & wohnen“ sorgt für Unruhe bei Flüchtlingen

Mit der Post erhielten die Bewohner der Unterkunft Am Aschenland 13 unter der Woche die Mitteilung, dass ihre Unterkunft zum 28. Dezember 2020 geschlossen wird. Deswegen müssten sie bis zum 30. September 2020 entweder in eine eigene Wohnung umziehen oder mit der Verlegung in andere Camps im Raum Hamburg rechnen. So schnell wie möglich aber spätestens bis zum 17. August 2020 sollten die Flüchtlinge auf dem Bezirksamt Harburg mit ihren Papieren vorstellig werden, heißt es in dem Schreiben, des Trägers der Unterkunft Am Aschenland 13, Fördern & Wohnen, was dem Neuen RUF vorliegt. Damit folgte „Fördern & Wohnen“ den Ausführungen des Bürgervertrages von 2016. Damals hatten der rot-grüne Senat und die „Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek“ (BINF) unter anderem auch vereinbart, dass die Unterkunft Am Aschenland 13 Ende 2020 dicht gemacht wird. Diese Maßnahme war anscheinend mit Politik und Verwaltung überhaupt nicht abgestimmt gewesen. Oder besser ausgedrückt: Im Laufe der Jahre hat man diesen entscheidenden Passus schlichtweg aus dem Gedächtnis getilgt. Zudem scheint eine Abstimmung zwischen allen Beteiligten nicht stattgefunden zu haben, kritisierten Vertreter aus der Harburger Politik. Der Neue RUF fragte sowohl bei Fördern & Wohnen als auch bei der Sozialbehörde nach. Fördern & Wohnen verwies einfach auf die Zuständigkeit der Sozialbehörde, deren Pressestelle war über Stunden nicht erreichbar, so dass eine Stellungnahme nicht zu bekommen war.
Für die Initiative „Willkommen in Süderelbe“ war die Meldung, dass die Unterkunft „Am Aschenland“ schon zum 30.9. geräumt werden solle, ein Schock. Oliver Domzalski, Mitglied im Leitungsteam der Initiative, sagt: „Das wäre eine Katastrophe für viele Bewohner der Einrichtung, die sich gut in unserem Stadtteil integriert haben. Die Vorstellung, dass sie an andere Standorte verschoben werden wie lästige Gegenstände und dort wieder bei null anfangen müssen, ist schrecklich. Vor allem für die Kinder ist es furchtbar, ihre vertrauten Kitas und Schulen verlassen und anderswo als Fremde neu beginnen zu müssen. Das ist einfach nur herzlos, und dass es den Menschen in Corona-Zeiten zugemutet werden soll, macht die Sache noch schlimmer.“
Unabhängig davon, wann genau das Aschenland nun schließt, legt „Willkommen in Süderelbe“ den Finger in die Wunde. Domzalski: „Nun rächt sich, dass der Senat 2016 nur jene ernst genommen hat, die mit der Mobilisierung fremdenfeindlicher Ressentiments gedroht haben, nicht aber die positiv handelnden Bürger, die seit 2015 anpacken und helfen. Das ist das wirklich Deprimierende für uns: Mit der BINF wurde ein Vertrag geschlossen, der die Politik nun zur Aufgabe des Aschenlands zwingt, obwohl die Voraussetzungen für eine gute Integration hier weitaus besser sind als etwa in Neuenfelde. Von einer Schließung der dortigen, weit abgelegenen und ziemlich trostlosen Unterkunft spricht niemand, obwohl sie den Bewohnern viel schlechtere Perspektiven bietet als die Unterkünfte in Neugraben. Aber dort gibt es eben keinen Bürgervertrag, mit dem die Politik sich selbst gefesselt hat.“
„Willkommen in Süderelbe“ ist laut Domzalski „extrem frustriert darüber, dass wir niemals am politischen Prozess beteiligt worden sind.“ Und wenn man sich schon einen festen Schließungstermin auferlege, dann hätte man viel früher und unter Beteiligung der konstruktiven Kräfte planen müssen, wo denn die Bewohner danach untergebracht werden sollen und wie man die Integrationserfolge bewahrt, die in den letzten fünf Jahren erreicht worden sind. Domzalski: „Die plötzliche Schließungsankündigung für das Aschenland ist eine Ohrfeige für alle, die so erfolgreich für das friedliche Zusammenleben im Stadtteil gearbeitet haben, wie etwa die Kitas und Schulen, die Arztpraxen, die ‚Lokalen Partnerschaften‘, der Bezirk, die Betriebe und Einzelhändler, die Religionsgemeinden, die Vereine wie der TV Fischbek und der FC Süderelbe. Und sie ist ein Schlag ins Gesicht unserer Ehrenamtlichen, die seit fünf Jahren Geflüchtete unterstützen: durch Deutschunterricht, als Behördenhelfer, in der Fahrradwerkstatt, im Café Welcome, als persönliche Paten, in der Nähgruppe, in der Frauengruppe und so weiter. Wir wollen nicht, dass unser Motto ‚Willkommen in Süderelbe‘ in sein Gegenteil verwandelt wird, indem über 400 Menschen holterdiepolter ihre Bleibe verlieren und in abgelegene Standorte abgeschoben werden. Das würde eine gelungene Integration ohne Not zerstören.“
Die Initiative will die Bemühungen, möglichst viele Menschen standortnah unterzubringen, aufmerksam und kritisch begleiten und steht als Gesprächspartner zur Verfügung. Und sie will sich weiter für ein gutes Zusammenleben mit den im Stadtteil bleibenden Geflüchteten engagieren. Aber die Ernüchterung über die Prioritäten der Politik sitzt tief.
Die SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung lehne laut Aussage ihres stellvertretenden Vorsitzenden, Holger Böhm, eine Schließung der Unterkunft zurzeit ab. Die SPD sei „entsetzt über das Schreiben“ von „Fördern & Wohnen“. Man könne die Flüchtlinge, die sich im Laufe der Jahre integriert hätten nicht aus ihrer vertrauten Umgebung vertreiben. Dabei denke er vor allem an Familien, deren Kinder aus Schulen und Sportvereinen bei Umsetzung des Schreibens gerissen würden. Da sie sich eingelebt hätten, müsste man ihnen auch die Chance geben zu bleiben. Natürlich müsste die Unterkunft in naher Zukunft geräumt werden, damit die IBA auf dem freiwerdenden Areal Wohnungsbau betreiben könne, Dass ganze müsse aber auch mit Augenmaß gemacht werden, so Böhm. Die SPD habe Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen ihre Sicht der Dinge kundgetan. Es könne nicht angehen, dass die Verwaltung die Politik vor vollendete Tatsachen stelle, so Böhm. Auch die BINF äußerte sich zu dem Vorgang. Die Schließung der beiden Unterkünfte Am Aschenland I und Cuxhavener Straße 192 erfolge zum Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit nach fünf Jahren. Der Zeitpunkt wäre seit Abschluss des Bürgervertrages bekannt und sei seitens der Sozialbehörde im Januar 2020, in einer Antwort auf eine „kleine Anfrage“ des Abgeordneten Andre Trepoll öffentlich bestätigt worden. Er könne somit für alle beteiligten Akteure nicht überraschend kommen, so die BINF. Deren Mitglied Ute Skolinski erklärte:“Die in 2016 nach teils aufreibendem politischen Diskurs gefundene Lösung sollte aus gesamtgesellschaftlicher Sicht nicht in Frage gestellt werden.Die stark polarisierte Diskussion zu diesem Thema ist mit Nichten überstanden, alle Beteiligten sollten sich an die gefundenen Kompromisse halten.“