Sichtbare oder verdrängte Geschichte hinterfragen

Foto: pm -Adolf Fick und Ina Günther (li.) beide Kulturkreis Finkenwerder überreichten Renée Green am Mittwoch den Preis

Sichtbare oder verdrängte Geschichte hinterfragen.

Finkenwerder Kunstpreis 2022 für Renée Green.

Der mit 20.000 Euro (von Airbus dotierte) Finkenwerder Kunstpreis geht in diesem Jahr an die US-Künstlerin Renée Green (63). Die Preisverleihung fand am Mittwoch erstmals in der Aula der Hochschule für bildende Kunst (HFBK) am Lerchenfeld statt. Gleichzeitig wurde erstmals auch der Finkenwerder Förderpreis in Höhe von 10.000 Euro verliehen. Er ging an Frieda Toranzo Jaeger, Absolventin der HFBK im Jahr 2019.
Kulturkreis und Airbus (wo die Preisverleihung in den vergangenen Jahren stattfand) hatten in diesem Jahr erstmals auch die HFBK mit ins Boot geholt. Diese lud anschließend an die Preisverleihung – eine Premiere – auch gleich zur Vernissage der Ausstellung der beiden Künstlerinnen ein. Die Laudatio hielt Martin Köttering, Präsident der HFBK. Er hob zunächst auf die Kunst-Symbiose zwischen Finken(werder) und Lerchen(feld) bzw. auf künstlerische Gemeinsamkeiten zwischen globalen (Airbus) und lokalen (Kulturkreis) Akteuren ab – ein Motiv, das sich auch den Arbeiten der Preisträgerin finde. Der Finkenwerder Kunstpreis ist bisher beispielsweise auch an Almut Heise, Candida Höfer oder Neo Rauch gegangen – ein für sich sprechender Beleg für den Qualitätsanspruch der Initiatoren dieses Preise, so der Hochschulpräsident. Der Förderpreis zeuge indessen von hanseatischer Offenheit.
Für Renée Green hatte Kötterimg das Superlativ „amazing artist“ mitgebracht. Im Begleitheft zu einer ihrer Ausstellungen schreibt Renée Green: „… Und ich lebe noch und verknüpfe gewisse Wörter und Zeichen, um einen Sinn aufzuspüren, den ich hier zu artikulieren versuche, während ich mich gleichzeitig auf jene berufe, mit denen ich nach wie vor im Gespräch bin … Aus diesem bewussten Hin und Her entsteht eine Mischung aus Eindrücken, gehört, gesehen, gefühlt, geschmeckt und gelesen. Auszuwählen bleibt nach wie vor entscheidend, wie immer, wenn man etwas produziert.“ Das Ergebnis dieser Gespräche, des Hin und Hers und der olfaktorischen Eindrücke sei eine poetische Begegnung in (durch) Zeit und Raum mit dem Ergebnis, „die Poesie von vermutliche bedeutungslosen und doch komplexen Narrativen in Ausstellung zu bringen“, so Köttering. Gleichzeitig hinterfrage Green sichtbare oder verdrängte Geschichte von Orten und erstelle damit einen nachdenklich stimmenden Parcours über Identitätskonzepte. Denen liege eines zugrunde: „Die Künstlerin beziehe keinen alleingültigen Standpunkt.“
Renée Green beschäftigt sich in ihren Filmen, Schriften, Installationen, digitalen Medien, Architekturen und Soundarbeiten beispielsweise mit der Erforschung von Beziehungs- und Austauschkreisläufen, wobei die Auswirkungen auf kukturelle Übersetzungen des Austausches und der Wahrnehmung bis in die Popkultur, den Film oder die Literatur reichen und dabei auch Themen wie Migration, Vertreibung und Feminismus einbeziehen. Die Künstlerin arbeitet seit den frühen 1990er-Jahren somit in unterschiedlichen Feldern und Medien. Gesprochene und geschriebene Sprache (wie beispielsweise in den mit Maximen bedruckten Bannern) finden poetisch und fiktiv Platz auf Textilen und Malerei, Dokumenten, Notizen und Fotos wie auch in Büchern und Videos – zu sehen in der Ausstellung mit dem Titel „Vide ma tete“ (Leere in meinem Kopf), die (täglich von 14 bis 18 Uhr, außer montags) bis zum 25. Juni in der HFBK (Lerchenfeld 2) zu sehen ist.
Der Präsident der HFBK schloss mit den Worten: „Ich hätte mir keine bessere Preisträgerin wünschen können auf dieser verbindenden Schiene zwischen Airbus, Finkenwerder und HFBK.“ Die Jury war sich in ihrer Entscheidung einig. Einer der Gründe für ihre Entscheidung: „Es geht um das Erkennen der Verschiebung zwischen lokaler und globaler Kultur.“ Adolf Fick, Vorsitzendere des Kulturkreises Finkenwerder, überreichte schließlich den 1999 initiierten Preis nebst imposantem Blumenstrauß, sekundiert von der Wissenschaftssentorin Katharina Fegebank, der Airbus-Werkleiterin Nawina Walker, Martin Köttering und Gunnar Groß (Airbus General Secretary).