Natur-Inventur im Harburger Stadtpark

Natur-Inventur im Harburger Stadtpark

Umweltsenator Jens Kerstan lobt Projekt als vorbildlich

Hamburg setzt Deutschlands erstes Naturschutz-Großprojekt in einer Großstadt um. Unter dem Titel „Natürlich Hamburg!“ sollen auf rund 60 Quadratkilometern über die ganze Stadt verteilt ausgewählte Grünanlagen, Parks und Naturschutzgebiete naturnäher werden – zum Vorteil für Tiere und Pflanzen, aber genauso für Anwohner und Besucher, erläuterte die Projektleiterin Karin Gaedicke.
Derzeit laufen die Vorbereitungsarbeiten für einen umfassenden Maßnahmenplan auf Hochtouren: In vielen Projektgebieten werden detailliere biologische Bestandsaufnahmen durchgeführt (Kartierungen). Eine der prominentesten Flächen im Süden der Stadt ist die Orchideenwiese im Harburger Stadtpark. Dort erfasst derzeit Dr. Jörgen Ringenberg für „Natürlich Hamburg!“ die Biotope und Umweltsenator Jens Kerstan informierte sich vor Ort. Kerstan: „Die jetzt laufenden Kartierungen sind Grundlage des umfassenden Pflege- und Entwicklungsplans für ‚Natürlich Hamburg!‘. Er wird punktgenaue Aussagen darüber machen, wo, wann und wie wir Hamburgs Grünanlagen, Parks und Naturschutzgebiete im Rahmen des Naturschutz-Großprojekts naturnaher gestalten und gleichzeitig für Besucher besser erlebbar machen. Wir wollen Natur in die Stadt holen und dabei Artenvielfalt und Erholung in Einklang bringen. Dieser Plan soll bis Herbst 2021 fertig sein. Dann wollen wir hamburgweit in die Umsetzung gehen.“
Was des einen Leid ist ist des anderen Freud: Während Kerstan dier Vorreiterrolle Harburgs hervorhob – der Bezirk habe nicht gewartet bis die Umweltbehörde in Vorleistung gegangen war – bedauerte Boeckhoff, dass ebendiese sich finanziell nicht beteiligt habe.

pm – Gerald Boeckhof Jens Kerstan und Karin Gaedicke (v.r.) erläutern auf dem Steg über die Feuchtwiese Ziel und Inhalt des Projektes

Ein von den Harburgern als kurze Wegstrecke beliebter Steg läuft im Schilfbereich über die Orchideenwiese und von einem Geländer habe man Abstand genommen, damit die Spaziergänger möglichst nahe an die Natur kommen, erklärte Gerrald Boeckhoff, Leiter des Managementes öffentlicher Raum in Harburg.
Kartieren heißt in der Biologie auf einer bestimmten Fläche die dort lebenden Tier- oder Pflanzenarten zu registrieren und ihr Vorkommen zu zählen oder zu schätzen. Gaedicke weiter: „Derzeit werden für ‚Natürlich Hamburg!‘ Fledermäuse, Vögel, Amphibien, Reptilien, Insekten und ihre Lebensräume kartiert. Die Lebensräume (Biotope) definieren sich über die Zusammensetzung ihres Pflanzenbestandes.“ Mit Karten und Pflanzenartenlisten ausgerüstet, durchkämmen Kartier in diesen Tage Gebiete des Naturschutz-Großprojekts.
Im Harburger Stadtpark ist Jörgen Ringenberg für ‚Natürlich Hamburg!‘ unterwegs. Er inventarisiert dort die Biotope in den Wiesen und Wäldern. Die Orchideenwiese im Dahlengrund ist besonders interessant. Hier zählte der NABU im Mai über 600 Exemplare des Breitblättrigen Knabenkrauts, einer heimischen Orchideenart. Auch die anderen Kartierer melden interessante Funde aus dem Park. So konnten bereits sechs Fledermausarten nachgewiesen werden, und auf der Orchideenwiese tummeln sich verschiedene Insekten (Hauhechelbläuling, Wiesen-Grashüpfer und Säbel-Dornschrecke).
Liegen Daten für alle Projektgebiete vor, wird daraus ein umfassender Pflege- und Entwicklungsplan mit Maßnahmenvorschlägen für jede einzelne Fläche erarbeitet. Ziel ist es, die Artenvielfalt zu steigern und möglichst gleichzeitig für Besucherinnen und Besucher erlebbar zu machen. Im Harburger Stadtpark hat das der Bezirk mit dem Holzsteg bereits vorbildlich im Sinne des Naturschutz-Großprojekts umgesetzt: Hier geht man direkt über Wiesenblumen und durch Schilf, ohne sie oder es zu zertreten. Kerstan: „Wir wollen keinen Naturschutz unter Ausschluss der Öffentlichkeit.“
Das Naturschutz-Großprojekt „Natürlich Hamburg!“: Es umfasst rund 62 km² oder 8% Stadtfläche (19 Naturschutzgebiete, 21 Parks und Grünanlagen, drei Biotopverbunde und vier Ausfallstraßen: Eiffe- und Bergedorfer Straße, die Hamburger Straße bis Bergstedt und die B73 von Harburg bis zur Landesgrenze. Es gliedert sich in zwei Projekte: Projekt I 2017 bis 2021 (Kartierung und Erstellung eines detaillierten Pflege- und Entwicklungsplans) und Projekt II 2022 bis 2031 (Umsetzung dieses Plans). 75% der Kosten übernimmt das Bundesumweltministerium über sein Programm „chance.natur-Bundesförderung Naturschutz“. Die Betreuung und fachliche Begleitung auf Bundesebene liegt beim Bundesamt für Naturschutz (BfN). Das Vorhaben wird im Projekt I mit 2,1 Millionen Euro gefördert, beide Projekte haben ein Gesamtvolumen von knapp 22 Millionen Euro.