Geothermie: Experten werden in 1.300 Metern Tiefe fündig

Seit Anfang des Jahres wird am Schlengendeich rund um die Uhr gebohrt. Mittlerweile ist die erste Bohrung erfolgt die zweite befindet sich auf rund 900 Metern Foto: au

Geothermie: Experten werden in 1.300 Metern Tiefe fündig.

Zweite Bohrung bereits gestartet.

Eigentlich wollte das Projektteam der Hamburg Energie Geothermie GmbH in gut 3.000 Metern Tiefe im Schlengendeich ein Thermalwasservorkommen mit rund 130 Grad heißem Wasser finden, um damit zukünftig rund 5.000 Haushalte in Wilhelmsburg mit Wärme zu versorgen. Dafür hatte sich ein gigantischer Bohrer die vergangenen Monate Zentimeter für Zentimeter durch die Wilhelmsburger Gesteinsschichten gearbeitet (Der Neue RUF berichtete). Fündig wurden die Experten auch, aber bereits in 1.300 Metern, dafür ist das Wasser nicht ganz so heiß wie erwartet. Die Experten konnten Thermalwasser in einer zirka 130 Meter mächtigen Gesteinsschicht nachweisen. Dafür wurde seitlich in diese Gesteinsschicht gebohrt. Erste Fördertests haben die Durchlässigkeit des Sandsteins bestätigt, sodass jetzt die zweite Bohrung erfolgt.
Die Bohrungen werden durch ein umfangreiches wissenschaftliches Forschungsprogramm begleitet, um Erkenntnisse über das geothermische Potenzial im norddeutschen Becken zu gewinnen. Dafür wurden vor allem mehrere Meter lange Gesteinsproben, sogenannte Bohrkerne, in unterschiedlichen Gesteinsschichten entnommen. Diese hätten auch gezeigt, dass in Sandsteinschichten in über 3.000 Meter Tiefe keine ausreichenden Thermalwasservorkommen zur geothermischen Nutzung zu erwarten seien. Die Sandsteinschicht in 1.300 Meter Tiefe habe sich am Wilhelmsburger Standort als besonders mächtig erwiesen. Sie wurde daher anhand von Bohrkernen und hydraulischen Tests erstmalig auf ihr geothermisches Potenzial untersucht.
Die zweite Bohrung wird in einer seitlichen Ablenkung auf eine Tiefe von gut 1.400 Metern in das Reservoir heruntergebracht. Die zweite Bohrung ist bereits gestartet und befindet sich derzeit auf rund 900 Metern in der Tiefe. Anschließende Fördertests sollen das geothermische Potenzial hinsichtlich Förderrate und Temperatur des Thermalwassers verlässlich quantifizieren. Diese Daten sind notwendig, um eine mögliche geothermische Wärmegewinnung für Wilhelmsburg zu entwickeln. Die wasserführende Sandsteinschicht ist zirka 45 Millionen Jahre alt und war ursprünglich der Strandbereich der „jungen“ Nordsee.
Bei erfolgreichem Fördertest soll später über die zweite Bohrung auch das Thermalwasser gefördert und in einem geschlossenen Kreislauf über die bereits erfolgte erste abgelenkte Bohrung (Injektionsbohrung) wieder in das Reservoir zurückgeleitet werden. Generell ist in einer Tiefe von 1.300 Meter mit einer Thermalwasser-Temperatur in einer Bandbreite von 45-50 Grad Celsius zu rechnen. Für jede Lokation muss jedoch die spezifische Temperatur bestimmt werden, die zusammen mit weiteren Parametern wie der Förderrate das Ökowärmekonzept ausmacht. Das Projektteam arbeitet zurzeit an verschiedenen technischen Lösungen, die auch den Einsatz von Wärmepumpen berücksichtigen. Die Unternehmen sind optimistisch, im Herbst dieses Jahres abschließende Ergebnisse zu präsentieren.
Es sei dringlicher denn je, Projekte wie das der Geothermie in Wilhelmsburg voranzubringen, sagte Michael Pollmann, Staatsrat für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft. Gründe gäbe es genug: der Klimawandel, der Krieg in der Ukraine, die Gasmangellage.
Neben Wind und Sonne ist Geothermie die dritte Säule der erneuerbaren Energien. Sie ist konstant und lokal verfügbar. Gemäß einer Studie des Umweltbundesamtes kann Tiefengeothermie bis zum Jahr 2050 mit 118 Terawattstunden pro Jahr zur klimaneutralen Wärmeversorgung beitragen. 42 Tiefe Geothermie-Anlagen sind in Deutschland mit einer installierten Wärmeleistung von knapp 350 Megawatt in Betrieb. Unter tiefer Geothermie werden hier Anlagen mit einer Bohrtiefe über 400 Meter und einer durchschnittlichen Teufe von 2.500 Meter verstanden.