Fragmente der ehemaligen Harburger Thora aufgetaucht

pm -Klaus Barnik (li.) und Jens Brauer stellten die Thora-Fragmente und ihre Geschichte vor

Fragmente der ehemaligen Harburger Thora aufgetaucht.

Erstmals in Ausstellung über jüdisches Leben zu sehen.

Rainer-Maria Weiß, Direktor des Helms-Museums, ist sich sicher: Die jetzt im Stadtmuseum Harburg am Museumsplatz 2 zum ersten Mal ausgestellten Objekte werden ganz schnell in die weltweite Ausstellungsrotation gehen. Die Abteilung für Stadtgeschichte des Archäologischen Museums Hamburg stellt zum ersten Mal Fragmente der Thora aus der Harburger Synagoge aus, die in der Reichspogromnacht vom 10. November 1938 geschändet und verbrannt wurden, aus. Die Fragmente hatten erst im Frühjahr 2021 über Klaus Barnik von der Harburger Geschichtswerkstatt ihren Weg in das Museum gefunden. Wohl noch 1938 hatte sie jemand aus den Pergamentrollen herausgeschnitten, als diese zerstört wurden. Die Fragmente, die angeblich auf der Straße gefunden wurden, waren mit Schmähungen beschriftet. Später hatte man versucht, sie zu entfernen. Das Museum hat keine Kosten und Mühen gescheut, diese Schmierereien entziffern zu lassen – sie zeugen tatsächlich von ausgeprägtem Judenhass.
„Orte jüdischen Lebens in Harburg“ lautet der Titel der neuen Ausstellung, die bis zum 17. Oktober zu sehen ist.
Die Ausstellung macht sich auf die Suche nach Orten, Personen und Ereignissen aus der langen jüdischen Geschichte Harburgs und spürt der jüdischen Kultur nach, die in Harburg 1610 mit einem Schutzbrief für Juden begann. Sie ist Teil des bundesweiten Themenjahres „2021 – Jüdisches Leben in Deutschland.“
In Harburg kann die gemeinsame deutsch-jüdische Geschichte auf eine lange Tradition zurückblicken: Erstmals wird sie in historischen Quellen schon im Jahr 1610 greifbar. Seitdem haben die Jüdinnen und Juden eine bewegte Geschichte erlebt, denn das christlich-jüdische Zusammenleben in Harburg war nie ganz spannungsfrei. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich zwar die Beteiligungsmöglichkeiten der jüdischen Harburgerinnen und Harburger durch die Aufhebung der jahrhundertelangen und vielfältigen Beschränkungen verbessert und ihre Beteiligung am öffentlichen und wirtschaftlichen Leben wurde zusehends selbstverständlicher. In der Zeit des Nationalsozialismus endet dieses Zusammenleben jedoch mit der Vertreibung und anschließenden Ermordung der Harburgerinnen und Harburger jüdischen Glaubens.
Die kleine jüdische Gemeinde in Harburg zählte im frühen 20. Jahrhundert noch 335 Mitglieder (1 % der Bevölkerung), bis sie 1938 nach dem Novemberpogrom der Nationalsozialisten ganz verschwand und heute fast in Vergessenheit geraten ist. Doch etliche Orte in Harburg erinnern an sie, wie zum Beispiel der Ende des 17. Jahrhunderts gegründet Jüdische Friedhof. Der religiöse Mittelpunkt der Gemeinde lag seit 1863 mit der Synagoge in der Eißendorfer Straße. An den ehemaligen Standort der Harburger Synagoge erinnert heute noch ein Nachbau des Eingangsportals. Ein besonderer Ort, denn hier entlädt sich im November 1938 die antisemitische Hetze. Verbände der SA plündern und verwüsten die Synagoge, zerschlagen die Fenster, jüdische Kultgegenstände werden auf den Harburger Marktplatz „Sand“ geschleppt und dort verbrannt. Eine erste belegte Synagoge befand sich etwa an der Stelle, an der heute das Gebäude eines Reifenhandels am Karnapp steht, einen weiteren Betraum gab es am Schippsee.
Die Ausstellung „Orte jüdischen Lebens in Harburg“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des Stadtmuseums Harburg, der Geschichtswerkstatt Harburg und der Initiative Gedenken in Harburg. Besonders letztere – genannt wurde in diesem Zusammenhang besonders Klaus Möller – habe durch ihre Arbeit einen besonderen Beitrag zum Gelingen dieser Ausstellung geleistet, sagte Jens Brauer, Leiter der Abteilung Stadtgeschichte, bei der Eröffnung der Ausstellung. Er erläuterte die Details der Ausstellung, die am Beispiel ausgewählter jüdischer Personen und Familien deutlich werden. „Sie lässt gleichzeitig erkennen, wie schnell aus Antisemitismus und Rassismus Ausgrenzung werden kann“, so Brauer. Er machte auch darauf aufmerksam, dass die Tafeln der Ausstellung anschließend auch von Schulen im Unterricht genutzt werden können.