„Eine gut bestandene Challange“

pm -Ein Werkstattkonzert der „Liedertafel HarmonieÒ das diesen Namen auch tatsächlich verdient und (pandemiebedingt) in die Geschichte dieses Chores eingehen wird

„Eine gut bestandene Challange“.

Nicht alltägliches Werkstattkonzert der „Liedertafel Harmonie“.

Werkstattkonzert: Selten hat ein Konzert diese Bezeichnung so wortwörtlich verdient wie der Auftritt der „Liedertafel Harmonie“ am 18. Oktober. Aus der Not eine Tugend machend, hatte der Männerchor – pandemiebedingt – ja, sie lesen richtig – in eine … Werkhalle eingeladen. Zur Verfügung gestellt hatte sie John Quast, passives Mitglied der Liedertafel und Chef von „Quast Präzisionstechnik“ am Hein-Saß-Weg. Der Chor ließ sich nicht zweimal bitten und organisierte (wie es die behördlichen Vorgaben erlaubten) am Sonntag vergangener Woche zwei jeweils einstündige Kurzkonzerte vor jeweils 30 geladenen Gästen. Wo es sonst eher laut zugeht – Bleche, Stahlträger in den Regalen, Kabelrollen, Leitern, Krane, Aggregate und jede Menge Werkzeug ließen darauf schließen – erklangen diesmal harmonische Töne, wie sie diese Werkhalle, in der die Quast-Mitarbeiter für den nicht alltäglichen Auftritt Platz geschaffen hatten, wohl noch nie gehört hatte. Ganz sang- und klanglos wollte der Männerchor sein 155. Jubiläumsjahr nun doch nicht ausklingen lassen, wenn man wegen Corona schon auf die beiden Jahreskonzerte am 8. und 9. November im Stammquartier „St. Petrus-Kirche“ verzichten musste. Jetzt also eine Werkhalle: „Es war ein Konzert, das garantiert in die Geschichte der Liedertafel Harmonie eingehen wird, ein Konzert, wenn auch nur klein, von dem man auch später noch sprechen wird“, war sich der Dirigent Peter Schuldt sicher, nachdem der letzte Ton von diesmal insgesamt nur zehn Liedern verklungen war. Aber, so fuhr Moderator Uwe Hansen fort, „wir mussten uns mit dieser schwierigen Situation auseinandersetzen, wenn es weiter gehen soll.“ Und es ging weiter.
Nach dem Lockdown hatte der Chor, gemäß der von Peter Schuldt ausgegebenen Devise: „Männer, es muss weiter gehen!“, viel Phantasie bewiesen, um, wie es umgangssprachlich heißt, „wieder in die Gänge zu kommen.“ Zunächst hatte man versucht, via Zoom erneut gemeinsam zu singen (auch eine technische Herausforderung für die Teilnehmer), was nur mäßig zufriedenstellend war, aber mehr als gar nichts. Dank das guten Wetters im Sommer folgten weitere Proben, zunächst unter freiem Himmel und schließlich in einer gut durchlüfteten Scheune – immer mit Abstand: eine Herausforderung für alle Beteiligten. Wie Uwe Hansen berichtete, habe sich der Chor auch in den vergangenen anderthalb Jahrhunderten manchen Widrigkeiten ausgesetzt gesehen und sie alle mit Bravour gemeistert. Von Corona wollte man sich dann auch nicht kleinkriegen lassen. Das untermauerte die „Harmonie“ mit den Titeln „Alt wie ein Baum“ (Wofür der Chor beste Chancen hat) und „Das Morgenrot“, das die diesmal nur 17 Sänger (die der Aerosol-Ausstoß trotz Durchlüftung der Halle zuließ) bereits wieder am musikalischen Horizont aufsteigen sahen. Dass es weiter gehen soll und wird, bewies auch der neu einstudierte Song „Übers Meer“ (und noch ein Stück weiter…) von Rio Reiser. Ob die Gruppe „Karat“, als sie den Titel „Über sieben Brücken musst du geh’n“ ihrerzeit in der DDR mit durchschlagendem Erfolg lancierte, etwas von Corona geahnt hat? Über diese sieben Brücken muss nun auch der Chor gehen. Und wenn Reisen in diesen Tagen schon ein schwieriges Unterfangen ist, nahm die Liedertafel ihre Gäste zumindest musikalisch auf eine Schiffsreise in die Karibik mit, „wo eine „Party im Gange war.“ Wie schön! Mit dem letzten Song waren die Sangesbrüder dann auch wieder bei der Seefahrt angekommen, ohne die Finkenwerder nicht denkbar ist.
Dass die Chorsänger diesmal wegen der Vorgaben (für deren Umsetzung und die Besorgung aller notwendigen Genehmigungen Jan Körner und Peter Haase gesorgt hatten) alle in das eigene Mikrophon singen mussten, stellte sie und die Technik, die den Sound werkhallenkonform austarieren musste, vor nicht minder große Schwierigkeiten. Unter dem Strich darf man sagen: Natürlich ist ein Werkstattkonzert kein vollwertiges Konzert. Aber es war ein denkwürdiges Konzert. Es war ein (wenn auch nur kleiner) Aufstand gegen das Virus, gegen die Kultur-Krise, in die auch zahlreiche Künstler ganz unschuldig hineingeschlittert sind. Peter Schuldt: „Unser Konzert war ein Zeichen dafür, dass der Mut nicht ganz verloren gegangen ist. Es war eine gut bestandene Challange.“