Die Meisterausbildung soll wie ein Studium gebührenfrei sein

Carmen Haar: Kostspielige Ausbildung für einen Beruf mit guten Zukunftsperspektiven

Die Meisterausbildung soll wie ein Studium gebührenfrei sein

Wirtschaftssenator Horch besuchte Meisterkurse im Elbcampus

Carmen Haar hat den Gipsabdruck eines Gebisses auf dem Arbeitsplatz vor sich liegen. Ihre Aufgabe: einen passenden Stiftzahn für die Zahnlücke des späteren Trägers anzupassen. Es ist eine filigrane Arbeit mit Spachtel, Schaber und Fräse. Der Wirtschaftssenator Frank Horch schaut ihr dabei über die Schulter. 25 junge Männer und Frauen sitzen in diesem Ausbildungsraum des Elbcampus an Fünfertischen. Ihnen ist eines gemeinsam. Sie wollen Zahntechniker werden – und sie sind davon überzeugt, eine Ausbildung mit guter Berufsperspektive gewählt zu haben. Nur mit einem Manko ist das behaftet: Die Ausbildungskosten müssen die angehenden Meister selber übernehmen – auch die Materialkosten. „Das reißt, trotz Bafög, ein ganz schönes Loch in meine Kasse“, sagt Carmen Haar. Sie hört gerne, was der Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) gleich verkündet: „Wir haben ein klares Ziel: Die Meisterausbildung soll wie ein Studium gebührenfrei sein.“ Damit unterstütze der Senat das Ziel der Handwerkskammer Hamburg: Chancengleichheit für akademische und berufliche Bildung herzustellen. Senator Horch besuchte gemeinsam mit Josef Katzer, Präsident der Handwerkskammer, mehrere Meisterkurse am Elbcampus, dem Kompetenzzentrum der Handwerkskammer in Neuland. Sie sprachen mit angehenden Meisterinnen und Meistern in den Berufen Zahntechniker und Metallbauer und informierten sich außerdem im Bereich der Elektrotechnik.
Horch erläuterte weiter: „Der digitale Wandel, Industrie 4.0, all das erfordert hervorragend ausgebildete Fachkräfte. Meisterinnen und Meister haben dabei einen hohen Stellenwert. Wir werden die Herausforderungen nur dann bewältigen, wenn wir die Rahmenbedingungen bei der Aus- und Weiterbildung gerecht und nachhaltig gestalten. Hamburg wird hier ein Zeichen setzen.“ Ziel des Hambuger Senats sei es, eine bundesweit einheitliche Regelung zu finden. Außerdem müsse eine Gleichstellung zwischen der akademischen Weiterbildung und der Meisterausbildung hergestellt werden, so der Präses der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation.
Die Handwerkskammer Hamburg begrüßt die Initiative des Hamburger Senats. Präsident Katzer bekräftige: „Es ist dringend geboten, die BAföG-Förderung neu zu ordnen! Der Weg zum Meister darf nicht steiniger sein, als der zum Bachelor. Warum ist ein Studium kostenfrei und der Weg zum Meister kostet viele tausend Euro?“ Das würde viele Abiturienten von einer möglichen Meisterbildung abhalten, weiß Katzer, weshalb es das zu ändern gelte.
Die Kosten für eine Meisterqualifikation liegen je nach Beruf bei bis zu 18.000 Euro. Darin sind enthalten: Kosten für die Meistervorbereitungskurse der Prüfungsteile I bis IV plus Prüfungsgebühren plus Kosten für das Meisterstück oder das Meisterprüfungsprojekt. Das summiert sich beispielsweise bei Tischler-Meistern auf rund 18.000 Euro, bei Elektrotechnikern auf mehr als 15.000 Euro, bei Metallbauern und bei Feinwerkmechanikern kommen rund 13.000 Euro zusammen und bei den Zahntechnikern fast 10.000 Euro.
Es gelte außerden, fuhr Horch fort, „Anreize für Nachwuchskräfte zu schaffen, sich zu Meisterinnen und Meistern fortzubilden. Dazu gehört, die berufliche Aufstiegsfortbildung mit der akademischen Bildung gleichzustellen, auch finanziell.“ Den Weg des Senats, die Kompensation der anfallenden Kosten über eine Neufassung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) zu realisieren, unterstützt die Handwerkskammer uneingeschränkt. Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat sich für einen solchen Weg ausgesprochen. Präsident Katzer: „Unsere Meisterschüler in der Hansestadt dürfen grundsätzlich nicht schlechter gestellt werden als Studenten. Chancengleichheit ist das Gebot der Stunde! Da es in dieser Frage einen parteiübergreifenden Konsens im Bund gibt, muss die Änderung des AFBG von einer neuen Koalition im Bund zügig umgesetzt werden. Sollte sich das Vorhaben verzögern, erwarten wir vom Senat, sein Versprechen einzulösen, eine Zwischenlösung für angehende Handwerksmeisterinnen und -meister zu finden“, unterstrich Katzer, „Hamburg könnte dann dem Beispiel Niedersachsens folgen und temporär eine Meisterprämie einführen.“ Ob eine solche Neuregelung dann auch für Carmen Haar und ihre 24 Kollegen und Kolleginnen gilt, konnte an diesem Tag noch nicht beantwortet werden.
Die Meisterqualifikation ist ein wichtiger Baustein zur Fachkräftesicherung. Rund 90 Prozent der Auszubildenden lernen in Meisterbetrieben. Die berufliche Bildung stellt in Deutschland sicher, dass kleinen und mittleren Unternehmen ausreichend qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung stehen. Der Mittelstand mit seinem soliden Kern, dem Handwerk, bildet die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands. Die Meisterqualifikation sichert die Qualität von Produkten und Dienstleistungen für den Verbraucher. In den kommenden Jahren stehen etliche Meisterbetriebe aus Altersgründen zur Nachfolge und Übernahme an. Eine neue Kostenregelung könnte das ändern.