„Nicht bequem, aber dafür konsequent offen und ehrlich“

„Nicht bequem, aber dafür konsequent offen und ehrlich“.

SPD begründet ihr Nein gegen die Waldsiedlung.

Das ambitionierte Projekt „Waldsiedlung“ auf dem Neu Wulmstorfer Teil der ehemaligen Röttiger-Kaserne ist so gut wie beerdigt.
In der Gemeinderatssitzung am 29. November entschied der Gemeinderat in geheimer Wahl mit 17:15 Stimmen, die Planung der „Waldsiedlung“ auf dem ehemaligen Standortübungsplatz in der Fischbeker Heide nicht weiter fortzuführen. Die SPD-Ratsfraktion hatte sich im Mai bereits im Bauausschuss geschlossen gegen die Verwirklichung des Projektes ausgesprochen.
Ausschlaggegend, so der SPD-Fraktionsvorsitzende Tobias Handtke, seien die Ergebnisse der Gutachten gewesen: „Erst seit Ende April 2018, also 13 Jahre nach dem ersten Konzept, Masterplan und Städtebaulichem Vertrag, lagen der Gemeinde verwertbare Gutachten zur Fauna und Flora vor. Aus der Zusammenfassung der Ergebnisse in einem Fachbeitrag zur Eingriffsregelung gehe eindeutig hervor, dass es sich um eklatante Veränderungen im Gebiet handele. Dazu folgendes Zitat aus dem Bericht: „Die Umsetzung des Bebauungsplanes zieht eine Veränderung der Gestalt und Nutzung von Grundflächen nach sich, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und das Landschaftsbild nachhaltig beeinträchtigt. Dies umfasst die Bebauung von Flächen in einem bisher unbebauten Außenbereich sowie die Versiegelung von Flächen. Weiterhin werden ca. 9,40 ha Wald in eine andere Nutzungsform umgewandelt.“
Im Weiteren wäre deutlich geworden, so Handtke, dass in dem Gebiet sieben Amphibienarten leben und drei Reptilienarten, davon drei, die bereits in der Roten Liste stünden. Insgesamt seien Bewegungen von 50.000 Amphibien im Erschließungsraum zu verzeichnen. Ebenso befänden sich im Gebiet Fledermäuse, darunter zwei Arten, die auf der Liste der gefährdeten Arten stehen, etwa 35 Brutvogelarten sowie mehrere bereits vergrämte Uhupaare, die erheblichen Raum eingebüßt hätten sowie geschützte Ameisenvölker, die hätten versetzt werden müssen, zählt der SPD-Fraktionsvorsitzende auf.
Im Plangebiet wären auf 60 Grundstücken von 870 – 2.500 m² große Einzelhäuser mit einer maximalen Grundfläche von 250 m² vorgesehen. Es wäre vom Erhalt eines Waldsaums und Waldbeständen auf den Grundstücken die Rede gewesen. Inwieweit das zu realisieren gewesen wäre, nach umfangreichen Erschließungsarbeiten, Bodenangleichungen und Bauaktivitäten, sei dahingestellt, so Handtke.
„Für die „Entnahme“ der Natur zugunsten der Bebauung wären sehr umfangreiche waldrechtliche Kompensationsmaßnahmen erforderlich gewesen. Dafür vorgesehen waren 2 Brachflächen von gesamt 9,4 ha im südlichen Umfeld von Tostedt, die nach ganz exakten Plänen komplett neu anzupflanzen und aufzuforsten gewesen wären. Zusätzlich hätten weitere waldrechtliche Maßnahmen auf 11,28 ha im anliegenden Gebiet des geplanten Baugebietes durchgeführt werden müssen. Hierzu sollte auch die Entwicklung von Totholzbeständen und lichtem Mischwaldbestand gehören. Diese von den Gutachtern ausgewiesenen umfangreichen Ausgleichsmaßnahmen zeigen, welch ein wertvolles Stück Natur hier für die „Waldsiedlung“ zur Diskussion stand“, sagt Handtke.
Auch geplante umfangreiche Maßnahmen zur Umleitung der wandernden Amphibien und der Handhabe auf den Grundstücken, Wiederansiedlungen von Federmäusen und Bruthilfen für Vögel zeigten, was an Natur zerstört worden wäre und künstlich wieder hätte geschaffen werden müssen. Wer hätte den Erhalt und den Schutz der Tiere und des Waldes garantiert? Wer hätte die Folgeinvestitionen, aber vor allem die Kontrolle der Anlagen garantiert? Wer hätte die dauerhafte Sicherung und Einhaltung der hohen tierschutzrechtlichen Handhabungen garantiert? Wer hätte garantiert, dass dieses gewachsene Biotop und seine Umgebung durch diese umfangreichen Baumaßnahmen, die Zerstörung der natürlichen Gegebenheiten und den Druck auf die Umgebung durch Verkehr, Menschen und Haustiere am Ende nicht völlig brach liegen würden?, fragt Handtke.
Ohne Frage, die „Waldsiedlung“ wäre technisch machbar gewesen, räumt Handtke ein, aber die sich aktuell darstellende Situation rechtfertige für „die SPD Neu Wulmstorf nicht die Fortsetzung der Planung um den hohen Preis der Zerstörung dieser wertvollen Natur in unserer Gemeinde.“ Die SPD habe sich über die Jahre immer für die Entwicklung eines machbaren und vertretbaren Konzeptes, vorbehaltlich der Aussagen erforderlicher Gutachten, ausgesprochen. Die Gutachten aber hätten belegt, dass ein Durchwinken durch alle Gremien keine Option für die SPD-Fraktionsmitglieder sein konnte. Die Entscheidung habe sich die SPD-Fraktion nicht leicht gemacht. Unter Abwägung aller auf dem Tisch liegenden Kriterien, auch den zu erwartenden Gegenwind aus Verwaltung, von Planern und Investoren in Kauf nehmend, wäre für die SPD eine Fortsetzung dieser Planung nicht mehr tragbar gewesen, betont Handtke. „Das war nicht bequem, aber dafür konsequent offen und ehrlich. Denn natürlich wurde das Konzept viele Jahre entwickelt, und das auch in vertrauensvoller Zusammenarbeit. Aber eine Politik, die nicht auf der Basis von unübersehbaren Fakten entscheidet, die eine Fortführung des Objektes nicht rechtfertigen können, wäre auch eine Politik gegen die Gemeinde, ihre Bürgerinnen und Bürger und die Natur“, macht Handtke deutlich.