Vom Pipenclub Knaster zur SPD Wilhelmsburg

Mit einer kleinen Feier beging die SPD das 130-jährige Bestehen ihrer Partei in Wilhelmsburg. v.l.nr.: Natalie Konty Ali Kazanci Janwillem van de Loo Evin Bayir Kesbana Klein und Michael Weinreich. Foto: au

Vom Pipenclub Knaster zur SPD Wilhelmsburg.

130 Jahre Sozialdemokratie auf der Elbinsel.

Die Mitgliederzeitung „Kiek in“ des SPD-Distrikts Eichenallee aus dem Jahr 1982, eine alte Pressemitteilung aus dem Jahr 1983 zur Eröffnung der neuen S-Bahn in Wilhelmsburg und viele alte Dokumente mehr haben das Interesse der Jusos in Wilhelmsburg geweckt. „Wir mussten vor ungefähr zwei Jahren einen Parteikeller ausräumen, da haben wir viele alte Sachen der SPD gefunden“, erinnert sich Natalie Kontny. Unter anderem stellten sie dabei auch fest, dass die SPD Wilhelmsburg am 18. März 1889, also vor genau 130 Jahren, gegründet wurde. Grund genug, dieses Jubiläum ein wenig zu feiern und sich näher mit der Geschichte der SPD in Wilhelmsburg zu beschäftigen.
Die Geschichte der Wilhelmsburger SPD beginnt am besagten März im Verborgenen mit der Gründung des „Pipenclub Knaster“. Sozialistengesetze, die von 1878 bis 1880 galten, verbaten sozialdemokratische und kommunistische Versammlungen. Der Pfeifenclub war ein Ausweg, um sich politisch organisieren zu können. Nach der Aufhebung der Sozialistengesetze 1890 nannte sich der Pfeifenclub um in „Sozialdemokratischer Verein“.
1903 konnte der Verein bereits 1.000 Mitglieder verzeichnen. Anfangs bespitzelt und verfolgt, gewann er zunehmend Einfluss und Ämter. Schließlich – bis zum Beginn der NS-Herrschaft, entwickelte sich ein dichtes Netz von sozialen, genossenschaftlichen und Bildungseinrichtungen der Arbeiterschaft in Wilhelmsburg: Kneipen, eine sozialdemokratische Zeitung, eine Baugenossenschaft, eine Lesehalle, eine Consumgenossenschaft und eine freie Schule. Das allerdings machte die Sache für die SPD nicht leichter, wie Margret Markert von der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg bei der kleinen Bürofeier darlegte. So wollte beispielsweise der Gastwirt Friedrich Rüdemann 1903 neben seiner Kneipe in der Fährstraße eine weitere eröffnen. Die Konzession jedoch dafür wurde ihm jedoch wieder verweigert mit der Begründung, für derlei Etablissements gäbe es in Wilhelmsburg keinen Bedarf. „Der eigentliche Ablehnungsgrund aber war politischer Natur, denn Rüdemann war SPD-Mitglied, und Polizeiobermeister Püster in Harburg hatte dessen Aktivitäten genau im Blick: „Derselbe ist ein eifriger Agitator der sozialdemokratischen Partei. In den Versammlungen tritt er als Redner auf, wobei derselbe sich dergestalt offen darüber lustig gemacht hat, dass er der Polizei bei der Einführung von Druckschriften schon oft ein Schnippchen geschlagen habe. Durch die Erteilung der Konzession an Rüdemann wird die Partei ein Lokal erhalten, in welchem dieselbe Hand in Hand mit Rüdemann unter Hintergehung der Behörde willkürlich schalten und walten kann.“ Schwierig wurde es auch für die Wilhelmsburger SPD ab 1933, als der Verbot von Gewerkschaften, Parteien und Arbeiterorganisationen zur Eindämmung der Sozialdemokratie führte. Nach dem Krieg machte die verheerende Sturmflut 1962 den Aufbau und wirtschaftlichen Aufschwung zunichte, kombiniert mit Verlust von Arbeitsplätzen folgte ein langjähriges Tief für Wilhelmsburg, das auch an der SPD nicht spurlos vorbeiging. Seit der Jahrtausendwende nun ist ein sichtbarer Aufschwung in Wilhelmsburg zu bemerken.
All das, was die Jusos bei ihren Recherchen zur Geschichte der Wilhelmsburger SPD herausgefunden haben, wollen sie nicht für sich behalten. „Die kleine Bürofeier war nur der Auftakt! Wir wollen in den nächsten Monaten noch andere Veranstaltungen in diesem Jahr ausrichten. Zum Beispiel planen wir eine Ausstellung“, verrät Kontny.