Verkehr, Energie, Steuern: Harburger Bundestagskandidaten im Streitgespräch

Die Runde der Teilnemer auf der Lindtner-Bühne (v.l.): Franziska Wedemann Stefan Jersch Manuel Sarrazin Metin Hakverdi Uwe Schneider und Arnold G. Mergell

Verkehr, Energie, Steuern: Harburger Bundestagskandidaten im Streitgespräch.

Wirtschaftsverein hatte zu Diskussionsrunde ins Lindtner eingeladen.

Zu einer Frage- und Diskussionsrunde über die Themen Mobilität, Energie und Regulierung, alles unter dem Motto „Was die Wirtschaft braucht“, hatte der Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden am Dienstag die Wahlkreiskandidaten von FDP, SPD, CDU, Grüne, Die Linke und AfD in das Privathotel Lindtner eingeladen. Den Fragen der beiden Moderatoren, Franziska Wedemann und Arnold G. Mergell, 1. bzw. 2. Vorsitzende des Wirtschaftsvereins, stellten sich – in der Reihenfolge – Sonja Jacobsen, Metin Hakverdi, Uwe Schneider, Manuel Sarrazin und Stephan Jersch, die AfD-Vertreterin Olga Petersen war nicht erschienen.
Wo soll die Energie – der Strom – für unsere Betriebe herkommen, wollte Mergell eingangs wissen, wenn AKW und Kohlekraftwerke gleichermaßen abgeschaltet würden. Die Runde war sich darin einig, dass die alternativen Energien das leisten könnten, nur müsse das Tempo forciert werden. „Das kriegen wir hin“, so Sarrazin, allerdings müsse alles, was in der Vergangenheit versäumt wurde, jetzt in einem Kraftakt nachgeholt werden. Von den Grünen erwartet Schneider jedoch, dass der Protest gegen oberirdische und unterirdische Stromtrassen von Nord- nach Süddeutschland zukünftig unterbleibt. Das Problem müsse man als „Gesamtthema denken“, erwartet Jacobsen, und für Jersch braucht es „mehr Wums“. Die Frage von Mergell – der sich Uwe Schneider vorbehaltlos anschloss -, ob es eine sichere Alternative zur Sicherung der Grundlast gebe, bis Wasserstoff als Zukunftstechnologie Standard sei, blieb unbeantwortet. Allerings sei es richtig, an der Wasserstofftechnologie festzuhalten, stellte Schneider fest. Die privaten und wirtschaftlichen Bedarfe seien allerdings nur zu garantieren, wenn ordnungspolitische Regulierungen eingeführt würden, idealerweise auf europäischer Ebene, räumte Hakverdi ein. Der Grund: Die Zeit sei zu kurz, um das Thema nur dem freien Markt zu überlassen, deshalb wolle die SPD nicht nur die Klimawende, sondern auch den Klimakanzler Olaf Scholz. Decarbonisierung klinge zwar gut, gab Jacobsen zu bedenken, doch wie das praktisch laufe, das solle man schon dem Markt überlassen, so die Meinung der FDP.
Breiten Raum nahm in der zweistündigen Diskussion vor 60 coronakonform angemeldeten Zuhörern die Mobilitätswende an. Die Debatte über das Ja und Nein zum (Weiter)Bau der A26 stand dabei im Mittelpunkt. Sie sei aus der Zeit gefallen, so Jersch. „Wir wollen weniger Individualverkehr, dann kann sich auch der Wirtschafts- und Lieferverkehr auf den vorhandenen Straßen besser entfalten“, erläuterte er die Position seiner Partei. Für Sarrazin ist die Investition in diese Trasse viel zu groß. Das Geld solle deshalb vorzugsweise für eine leistungsstarke Köhlbrandqerung investiert werden. Widerspruch von Sonja Jacobsen, selbst eine begeisterte Radfahrerin, die den Sattel ihres Fahrrads als liebsten Platz in der Stadt angibt: Auch der CO2-neutrale Verkehr benötige freie Straßen. Für deren Entlastung müsse die A26 gebaut werden. Außerdem sei die A26 kein Teufelszeug, wie es bei den Grünen immer heiße. Metin Hakverdi kämpfte mit einem Ja und einem Nein. „Ich will nicht, dass wir in Zukunft weniger mobil sind“, sagte er, gab aber zu bedenken, dass die Verkehrsprobleme allzu oft auf dem Rücken der Wilhelmsburger (die er im Bundestag auch vertritt) gelöst würden. Trotzdem: Das Fahrrad könne auch in Zukunft nicht das Verkehrsmittel Nr. 1 sein. Und die Wirtschaft würde die A26 auf jeden Fall benötigen. Das hatte Franziska Wedemann allen Parteienvertretern schon in ihrem Eingangsstatement in die Agenda geschrieben. Uwe Schneider brachte es auf den Punkt: „Nur fließender Verkehr ist guter Verkehr.“
Das Thema S-Bahn-Haltestelle Bostelbek konnte an diesem Abend nicht fehlen. Dass der Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) sich mit dem Argument dagegen ausgesprochen habe, dass dann die Gesamtfahrzeit um ganze zwei (2) Minuten länger dauern würde, könne er als Argument nicht akzeptieren, ebensowenig wie den Wunsch des Senats „das große Rad zu drehen“. „Die Bürger und die Wirtschaft brauchen heute und jetzt eine Lösung“, forderte er. In Sachen S-Bahn-Haltestelle hätte Rot-Grün schon längst etwas tun können, fuhr Schneider fort. Jacobsen machte deutlich, dass die ständige Reduzierung von Parkplätzen in der Stadt automatisch zu mehr Verkehr führen würde, und das könne niemand wollen. Jersch machte sich für bessere Busverbindungen – besonders im ländlichen Bereich im 20 Minuten-Takt – stark, während Hakverdi davor warnte, die Verkehrsteilnehmer gegeneinander auszuspielen. Die zu findenden Lösungen müssten für alle tragbar sein, sagte er. Dazu gehöre auch eine weitere Elbquerung im Westen der Stadt, ergänzte Sarrazin, brachte für den innerstädtischen Verkehr aber auch Seilbahn (wieder einmal) und Flugtaxi ins Gespräch. Zumindest letzteres dürfte noch Zukunftsmusik sein.
Weiteres Streitthema: die Steuerlast, speziell die Vermögenssteuer. Die Wirtschaft habe die Pandemie, so gut oder so schlecht es eben ging, überstanden, da könne man sie – gebeutelt wie sie sei – nicht auch noch mit einer Vermögenssteuer belasten, so die beiden Gastgeber, denn das Betriebsvermögen schaffe schließlich Arbeitsplätze. Ab eine Million Privatvermögen und fünf Millionen Betriebsvermögen sei sie „leistbar“, widersprach Jersch. Auch Hakverdi trat für die Vermögenssteuer ein, allerdings mit dem Zusatz, sie dürfe die Zukunft und die Leistungskraft der Unternehmen nicht gefährden. Außerdem ermögliche es die Vermögenssteuer, große Vorhaben, wie in der Energiepolitik notwendig, zu wuppen. Die FDP lehnt Steuererhöhungen grundsätzlich ab, gab Jacobsen zu Protokoll, Uwe Schneider machte es noch kürzer: „Wir lehnen sie ab. Punkt“ – sagte er, nicht ohne einen Seitenhieb auf Hakverdi, der sich mit vielen Worten um eine klare Aussage winde. Egal ob Vermögenssteuer oder Erbschaftssteuer – aus Sicht der CDU könne man die Wirtschaft nicht noch weiter belasten. Zum ersten und auch einzigen Mal gab es an diesem Abend Applaus von den Zuhörern.