Toro: Mit Wut im Bauch gemalt

Mentor A. Ejupi, Künstlername Toro (re.) und Laudator Ernst Brennecke während der Vernissage Fotos: pm

Toro: Mit Wut im Bauch gemalt
Harburg nach alten Ansichten im Hotel Lindtner

(pm) Harburg. In einer Hommage an Harburg hat sich der Künstler Mentor A. Ejupi, Künstlername Toro, in den letzten Monaten ganz der Harburger Geschichte gewidmet. Motive dazu lieferten alte Fotos des Helmsmuseums und Harburger Wappen, allen voran das wohl bekannteste und älteste Wappen der Schützengilde.

Auch viel junges Publikum war zur Ausstellungseröffnung gekommenFoto: pm

Malerei in Öl auf Leinwand mit dem Spachtel aufgetragen – Toro zeigt ganz untypische Werke, die in 115 cm zum Quadrat eine ganz besondere Wirkung auf dem Betrachter haben. „Ich wollte speziell etwas für Harburg machen und zeigen wie schön diese Stadt einmal war“, so Toro.
Im Laufe der Jahre hat sich Toro als Künstler nicht immer wieder neu erfunden, sondern sich auch mit Harburg auseinandergesetzt. Nicht nur als Maler, sondern auch als Galerist. Eine weitere Station dieser Entwicklung ist die Ausstellung „Love it or leave it“. Der Titel provoziert bewusst, denn Harburg liebt man oder man lässt es links liegen. Doch zwischen den Polen Lieben oder Verlassen gibt es viele Zwischentöne. Es besteht kein Zweifel, zu welcher Seite sich Toro hingezogen fühlt. Er hat sich von alten Ansichten, zumeist Postkarten, zu großformatigen Gemälden inspirieren lassen. Mit ihnen beschwört er die versunkene, nicht wieder auftauchende Stadt.
Die Laudatio hielt am Freitag vergangener Woche bei der Eröffnung der Ausstellung im großen Festsaal des Hotels Lindtner Ernst Brennecke, ehemalige Kulturredakteur der Harburger Anzeigen und Nachrichten (HAN), eine Tageszeitung, die nach 169 Jahren ebenso von der Bildfläche verschwunden ist wie das alte Harburg vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts, dem so viele nachtrauern.
Insofern zeige Toro, so Brennecke, „eine Ausstellung über Harburg in Harburg, der die Frage zugrunde liege: Was ist Harburg eigentlich?“ Daran haben sich, und tun es noch, ganze Generationen abgearbeitet – Toro tut es auf 20 großformatigen Bildern. „Ein Treppenwitz der Geschichte“ sei es, führte Brennecke aus, „dass ausgerechnet ein Nicht-Harburger“ – der Künstler ist im Kosovo geboren – „die Erinnerungen an Harburg wiederbelebt.“ Es sind Bilder, wie die zahlreichen Besucher der Vernissage feststellen konnten, „die das alte, versunkene Harburg zum Leben erwecken.“ Denn Toro hat sich als Maler und Galerist immer wieder mit „seinem Harburg“ auseinandergesetzt und darf sich als eingemeindeter Harburger auch die Aufforderung zur maximalen Konsequenz leisten: „Love it or leave it“. Davon kündet auch ein überdimensionales Plakat an der Front des eingerüsteten Hotels Lindtner. Es sei ein Titel der bewusst provoziere, schlussfolgerte Brennecke.
Recht hatte er, denn Toro blieb auch in seinen gesprochenen Aussagen provokant. „Wer sich nicht mit Harburg identifiziert, kann auch gehen“, stellte er den Besuchern der Vernissage anheim. Sie blieben alle.
Doch es gibt auch viele Zwischentöne, die es zu entdecken gilt, denn Toro „zerstörte“ die Gemälde durch eine intensive Ritzung. Folge: Das Motiv wird schwammig, verschwindet in der Vergangenheit. Wobei man die (Zwischen)Töne fast wörtlich nehmen darf, hört der Betrachter doch beinahe das Bimmeln und Rumpeln der Straßenbahn, die dereinst durch Harburg rollte. Straßen der Innenstadt, der Binnenhafen und alte Wappen und nicht zuletzt die HAN, sie alle kommen zum Zug. Brennecke: „So wird die versunkene Stadt zur Heimat.“ Und: „Die Harburg-Bilder von Toro sind wie ein Sog in die Vergangenheit, zeigen aber eine Stadt, in der wir heute leben.“ Mit anderen Worten gesagt: Das alte Harburg hat Fortbestand und sei es nur im Geiste. Dort verschwimmen schon mal die Erinnerungen, was bleibt ist ein Ideal.
Etwa 150 Gäste hatten die Hausherren Heida Lindtner und Gerd Thies-Lembcke begrüßt, darunter viele junge und sehr junge, denen das ehemalige Harburg wohl kaum vertraut sein dürfte – gleichwohl stellten sie sich Toros Aufforderung. Der Künstler selbst hat die Bilder nach eigenem Bekenntnis mit Wut im Bauch gemalt. Wut darüber, dass, spätestens mit dem Beginn des Baus der S-Bahn-Trasse, eine ehemalige Stadt – sie wurde erst 1939 von den Nationalsozialisten eingemeindet – von den damaligen Stadtvätern richtiggehend verschandelt wurde. Eine Bürde, an der sie heute noch trägt.
Zu sehen sind die Werke bis zum 14. Mai.