Oberste Priorität: Guter Branchenmix

Foto: pm -Celal Cengiz Sophie Fredenhagen und Antonia Marmon (v.l.) moderierten und beantworteten die Fragen der Harburger

Oberste Priorität: Guter Branchenmix.

Nächster Schritt soll Umsetzung von Maßnahmen sein.

So unterschiedlich kann die Wahrnehmung sein: Während für die einen die Lüneburger Straße eine heruntergekommene Straße ist, um die man nur noch einen großen Bogen machen kann, empfinden sie die anderen als quirlige, bunte und abwechslungsreiche Fußgängerzone, in der der Harburger alles bekommt, was er braucht. Diese eklatanten Gegensätzlichkeiten wurden bei einer Veranstaltung deutlich, zu der Harburg Marketing e.V. gemeinsam mit „Unternehmer ohne Grenzen“ Bürger, Eigentümer, Einzelhändler und Vertreter der Verwaltung in das Café Mekkan (ehemals „Sobotka“) am Lüneburger Tor am 4. und 5. Juli eingeladen hatte, um über die Zukunft der Lüneburger Straße zu diskutieren. Wie auch bei ähnlichen Veranstaltungen in den vergangenen Jahren stand dann aber eher die Bewältigung der Vergangenheit im Mittelpunkt der Gespräche, obwohl eigentlich alle in die Zukunft blicken wollten. Zwei Termine waren für diese Gesprächstermine anberaumt und in beiden Fällen war die Anzahl der Teilnehmer eher als gering zu bezeichnen, obwohl es eine gute Möglichkeit gewesen wäre, sich in die Gespräche einzubringen und Ideen zu artikulieren und/oder zu entwickeln.
Der Schwerpunkt des ersten Treffens lag darin, dass die Beteiligten den Status Quo ermittelten, Anregungen und Wünsche festhielten, um daraus einen Maßnahmenkatalog zu erstellen. Die Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen brachte zusätzlich die Aspekte aus der Bürgersprechstunde ein und konnte manche Fragen schon im Voraus beantworten. Trotzdem erwies es sich als schwierig, angesichts der so weit auseinanderliegenden Einschätzungen der Situation, gemeinsame Ansatzpunkte zu finden. Da war zum einen eine – es sei erlaubt, es so zu formulieren – ältere Dame, die davon sprach, dass ehemalige (deutsche) Einzelhändler aus der Lüneburger Straße vertrieben worden seien. Für diese Aussage hatten Geschäftsleute mit Migrationshintergrund kein Verständnis – wie zum Beispiel Türkan Sepin, die in der Lüneburger Straße mit zwei Geschäften vertreten ist. Die Ladenlokale, die sie übernommen habe, hätten lange Zeit leer gestanden, berichtete sie, von Vertreibung könne keine Rede sein. Nicht zuletzt habe sie viel Arbeit und Geld in ihr Unternehmen gesteckt, „damit es läuft.“ Es werde viel gemeckert, bedauerte Serpin, aber schlimmer noch, Ausländer würden oft unter Generalverdacht gestellt, wenn etwas nicht wunschgemäß funktioniere. Auch die Begriffe „Ghettoisierung“ bzw. bessere „Durchmischung“ durch geänderte Genehmigungsverfahren fielen seitens der teilnehmenden Bürger in diesem Zusammenhang – die allerdings in der Mehrzahl skeptisch in die Zukunft der Lüneburger Straße blickten. Von einem „Einkaufserlebnis“ sei sie sehr weit entfernt.
Kein Verständnis hatte besagte Dame auch für die – zugegebenermaßen – etwas provokant formulierte Frage der FDP, ob man die Lüneburger Straße als „Little Istanbul“ vermarkten solle. Warum die Zeitungen so etwas überhaupt schrieben, echauffierte sie sich. Die Leute ziehen sich aus der Fußgängerzone zurück (Zitat: „eine No-Go-Area“), viele zöge es nach Niedersachsen, „denn zum Einkaufen gibt es nichts“, so die Feststellung einer anderen Teilnehmerin. Aber auch das war zu hören: „Die alten Zöpfe sind weg und es ist viel Neues entstanden“, meinte eine andere Stimme, die betonte: „Harburg ist schön.“ Aber: Müssten es gleich so viele Döner-Buden sein?
Nun gut, von „Little Istanbul“ wollte auch Celal Cengiz von Unternehmer ohne Grenzen nichts wissen. Ihm komme es einzig und darauf an, dass der Branchenmix vernünftig sein müsse. „Das hat oberste Priorität.“
Das stieß bei der Dame auf taube Ohren. Sie forderte, dass mehr Geschäfte an Deutsche vermietet werden sollten. Dass das – selbst wenn es gewollt gewesen wäre – in den vergangenen Jahren aus vielerlei Gründen nicht möglich war, ist ein Fakt. Fredenhagen machte deutlich, dass der Verwaltung die Steuerung der Vermietung in der Lüneburger Straße nicht obliege und erinnerte an die diesbezüglichen Usancen, die nach Kriegsende in einem anderen Staat auf deutschem Boden Gang und Gäbe gewesen seien. „In so einem Land möchte ich nicht leben“, sagte die Verwealtungs-Chefin und stellte fest: „Ich fühle mich in der Lüneburger Straße wohl.“
Antonia Marmon, Geschäftsführerin von Harburg Marketing, stellte ihrerseits fest: „Es geschieht schon viel Positives in der Lüneburger Straße: Die Frequenz ist wünschenswert hoch, der Leerstand vergleichsweise sehr gering. Die Veranstalter haben gemerkt, dass sich viele Menschen für dieses Thema interessieren.“ Auch die Maßnahmen, vor allem die des Business Improvement Districts, welche es bereits gab, erwähnte sie lobend, ebenso wie die „bunte Vielfalt, auf die man stolz sein kann.“ Natürlich gebe es auch Beschwerden über die „Lüneburger Straße als Schlagader“, räumte Marmon ein. Ihre Frage, wie ein zufriedenstellendes Angebot geschaffen werden könne, fand keine konkrete Antwort. Allerdings legte sie Wert auf die Feststellung, dass man die Unternehmen in der Lüneburger Straße wertschätzen solle. Mit den Kritikern werde man in Zukunft lösungsorientiert zusammenarbeiten, versprach Fredenhagen.
Die Wünsche der über 50 Teilnehmer ähnelten denen, die schon in der Vergangenheit gestellt wurden. Besonders hervorgehoben wurden die Sauberkeit, die Sicherheit (mehr Polizeipräsenz), die Barrierefreiheit, der Branchenmix, die Verbindung der Kultur mit dem Einzelhandel und die Außenwirkung der Geschäfte. Marmon: „Im Vergleich zu vergangen Veranstaltungen verändert sich dieses Mal die Herangehensweise. Die Meinung aller Beteiligten wurde eingeholt und im nächsten Schritt wird gemeinsam ein Maßnahmenkatalog entwickelt, um diese Herausforderungen anzugehen.“ Von einem konstruktiven Austausch mit Blick in die Zukunft sprach die Bezirksamtsleiterin. Unternehmen ohne Grenzen verstünde sich hierbei als Glied zwischen Verwaltung und Unternehmen, sagte Cengiz. Man müsse froh sein, dass sich die Lüneburger Straße entwickelt hat, meinte Klaus Fehling, SPD-Abgeordneter in der Bezirksversammlung und stellte klar: „Hier sind Geschäfte, die etwas leisten.“ Hauptsache sei: „Hier passiert etwas.“
Eine weitere Forderung: bei alledem die Seevepassage nicht vergessen.
Das Format wird weitergehen, kündigte Marmon an. Ende des Jahres, voraussichtlich im November, wird sich der Harburg Marketing erneut mit einigen Beteiligten in Form eines Arbeitskreises zusammensetzen und an der Umsetzung verschiedener Maßnahmen arbeiten. So können die ersten Ergebnisse schon in der Weihnachtszeit erzielt werden. Marmons Bilanz: „Wir freuen uns sehr über die rege Beteiligung und darüber, dass sich wirklich viele Menschen für unsere Lüneburger Straße interessieren und einsetzen. Wir haben einen bunten Strauß an Ideen gewinnen können und machen uns jetzt an die Arbeit, daraus Maßnahmen zu entwickeln und im nächsten Schritt in die Umsetzung gehen zu können.“