Kriegsende vor 75 Jahren

priv. -Der Vahrendorfer Ehrenfriedhof

Kriegsende vor 75 Jahren.

Schreckenstage, Ausgangssperre und drei mutige Männer.

Die traditionelle Gedenkfahrt zur Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs in der Nordheide und in Hamburg fällt in diesem Jahr infolge des coronabedingten allgemeinen Veranstaltungsverbots ebenfalls aus. Klaus Möller, Mitbegründer und eine der treibenden Kräfte der Initiative „Gedenken in Harburg“, erinnert im Neuen RUF an die letzten Kriegstage am Kiekeberg und an der Grenze zu Hamburg:
„Am 20. April 1945 erreichten englische Kampfverbände, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, die Kiekebergdörfer Sottorf, Alvesen, Ehestorf und Vahrendorf, deren Einwohner sich weitgehend schon seit einiger Zeit nur noch in notdürftig zu Luftschutzräumen ausgebauten Kellern aufhielten. Die Kommandeure der britischen Truppen erklärten das Grenzgebiet an der Hauptverteidigungslinie der Hansestadt Hamburg anschließend zur Kampfzone und forderten die Bewohner der betroffenen Dörfer zur Räumung ihrer Häuser und zum Verlassen der Ortschaften auf, was auch zumeist befolgt wurde.
Sechs Tage später wurden die in Vahrendorf stationierten Einheiten der 7. britischen Panzerdivision von einem Gegenangriff der deutschen „Kampfgruppe Panzerteufel“ überrascht. Es war von vornherein ein aussichtsloser Kampf junger deutscher Soldaten, die sich z. T. noch in der Ausbildung befanden und schlecht ausgerüstet waren, gegen einen in jeder Beziehung sowohl personell wie auch materiell überlegenen Gegner. Nach schweren Verlusten mussten die Angreifer sich wieder zurückziehen. Etwa die Hälfte kehrte nicht in die Ausgangsstellung zurück. Ca. 60 deutsche Soldaten waren in Gefangenschaft geraten, verwundet worden oder nicht mehr am Leben.
Ihr Tod war so sinnlos wie der ganze Weltenbrand in den vorangegangenen sechs Jahren.
Drei Tage später leiteten drei mutige Männer die Kapitulation Hamburgs ein. Albert Schäfer, der Chef der Harburger Phoenix-Werke, der Mediziner Dr. Hermann Burchard und der Leutnant Otto von Laun überquerten am Sonntag, 29. April 1945, auf der Bremer Straße bei Lürade zu Fuß die Hauptkampflinie im Hamburger Süden, um die britischen Angreifer – im Einvernehmen mit dem Hamburger Gauleiter Karl Kaufmann und dem Hamburger Kampfkommandanten Generalmajor Alwin Wolz – darum zu bitten, die Phoenix-Werke, in denen sich seit Kurzem auch ein Lazarett befand, nicht länger mit Artillerie zu beschießen. Aus dieser ersten Kontaktaufnahme entwickelten sich schnell zielgerichtete Verhandlungen auf höchster Ebene, die am Donnerstag, 3. Mai 1945, mit der kampflosen Übergabe Hamburgs an den britischen Brigadegeneral Douglas Spurling endeten.
Nach der Kapitulation Hamburgs am 3. Mai kehrten die Bewohner der vier Kiekebergdörfer in ihre Häuser zurück. Auch für sie galt danach zunächst eine strenge Ausgangssperre, die in den folgenden Tagen schrittweise gelockert wurde. Die Aufhebung der Beschränkungen verbanden die britischen Befehlshaber vor Ort mit der Aufforderung an die Dorfbewohner, die Toten zu bergen und zu begraben. Erst jetzt wurde das ganze Ausmaß der Tragödie sichtbar. Die meisten Gefallenen waren nicht einmal 20 Jahre alt. Sie wurden zunächst in zwei Massengräbern beigesetzt.
Im März 1946 begannen drei Angehörige des 12. SS-Ausbildungs- und Ersatzbataillons, die an den Kämpfen teilgenommen hatten, damit, in Vahrendorf einen Soldatenfriedhof anzulegen und die Toten aus den Massengräbern umzubetten. Sie wurden zunächst von Peter Witt, dem Bürgermeister der Gemeinde Vahrendorf, vom Harburger Bestattungsunternehmer Albers und vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge unterstützt. Viele Tote konnten dabei nicht mehr identifiziert werden.
Der Vahrendorfer Soldatenfriedhof wurde ein Jahr später, am Sonntag, 27. April 1947, auf dem Krähenberg im Westen des Dorfes eingeweiht. Ein hohes Holzkreuz überragte die schlichten Holzkreuze auf den Gräbern der Bestatteten. Neun Jahre später wurden sie durch Grabkreuze aus Naturstein ersetzt, die den Richtlinien des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge entsprachen.
Die Pflege des Ehrenfriedhofes lag in den Jahren danach lange in den Händen von Maria und Georg Muskowitz. Ihr Sohn Martin gehörte zu den jungen Menschen, die in diesem aussichtslosen Nachtangriff am Ende des Zweiten Weltkriegs ihr Leben verloren hatten. Als seine Eltern erfuhren, dass er zu denen gehörte, die auf dem Ehrenfriedhof ihre letzte Ruhe gefunden hatten, zogen sie aus Liebe zu ihrem toten Sohn nach Vahrendorf. Dort bewohnten sie bis zu ihrem Tode im Jahre 1968 eine ehemalige Flakbaracke, die nur wenige Schritte vom Soldatenfriedhof auf dem Krähenberg entfernt war.“