Es ist noch lange nicht Schluss

priv. -Peter Schuldt als angehender Lehrer

Es ist noch lange nicht Schluss.

Peter Schuldt: Mit vielen Plänen offiziell im Ruhestand.

Wenn er die Bühne betritt, tritt ein Automatismus in Kraft: Die gute Laune steigt sprunghaft um ein Vielfaches, im Publikum und unter den Beteiligten auf der Bühne gleichermaßen. Dieser Mann ist nicht etwa Comedian, Quizmaster, Kabarettist oder Talkmaster, nein, er ist schlicht gesagt Musikpädagoge, konkret Dirigent – Dirigent von Jugendchören. Sein Name: Peter Schuldt. Wenn in Harburg eines der größeren Events musikalisch eröffnet, begleitet oder unterstützt werden soll, dann führt an dem von ihm ursprünglich als „Oberstufenchor der Gesamtschule Harburg“ (heute: Goethe Stadtteilschule Harburg) gegründeten Chor, „Gospeltrain“ – heute ein Ensemble, das auf Auftritte im In- und gleichermaßen Ausland zurückblicken kann – kein Weg vorbei. Dieser Mann aus Finkenwerder geht nun mit dem Erreichen des entsprechenden Alters in den beruflichen Ruhestand – mit Abstrichen natürlich, denn einer wie er, der Musik im Blut hat, braucht die Arbeit, braucht die Musik, braucht die Herausforderung. „Zum 1. August höre ich in der Schulbehörde und beim Projekt ‚The Young ClassX‘ als Modulleiter auf, heißt es in seiner dürren Mitteilung. Das bedeutet zuvorderst: Kein Unterricht mehr und es bedeutet, dass die 28 Schulen, verteilt in ganz Hamburg, im Projekt ‚The Young ClassX‘ zukünftig ohne ihn auskommen müssen. Eines aber betont Schuldt ausdrücklich: „An der GSH höre ich auf gar keinen Fall auf und werde Gospel Train über einen Lehrauftrag natürlich weiterleiten. Den Chor gebe ich nie auf!“ Das Aushängeschild seines Lebenswerks sozusagen. Für seine Verdienste gab es auch Auszeichnungen: 2007 den Harburger Musikpreis, 2010 den Melvin Jones Fellow (Auszeichnung der Lions), 2015 das Bundesverdienstkreuz am Bande und 2018 den Bürgerpreis „Miteinander“ der Bezirksversammlung Harburg.
Einem wie ihm macht die Corona-Pandemie, die das Chorsingen auf Eis gelegt hat, besonders zu schaffen. Am 22. Februar hatte „Gospel Train“ seinen vorerst letzten Auftritt, und wann es wie weitergeht, weiß heute niemand. Bleierne Zeiten für den Vollblutmusiker. Das verschafft Peter Schuldt immerhin Zeit, über seine berufliche Zukunft nachzudenken.
Die Anfangsjahre liegen weit zurück. Dabei sollte der heute 66-Jährige, wenn sein Vater das letzte Wort gehabt hätte, Apfelbauer werden und den Hof übernehmen. Danach stand ihm der Sinn jedoch nicht. Zwar lernte er zunächst Industriekaufmann bei AEG am Baumwall, gab aber bald seiner Leidenschaft, der Musik, den Vorzug. Die beiden Staatsexamina an der Musikhochschule Hamburg absolvierte er mit einer glatten Eins. Die Folge: Obwohl im Jahr 1986 in Hamburg lediglich zwei Lehrerstellen besetzt wurden, bekam er eine davon: in Jenfeld. Es folgten Stationen in der Katholischen Schule Harburg und in der Schule Dempwolffstraße, von wo der Wechsel 1988 zur Gesamtschule Harburg folgte. Der damalige Schulleiter Klaus Fink gab ihm mit auf den Weg: „Sie können tun und lassen was Sie wollen.“ Zunächst unterrichtete er neben Musik auch Sport und Ethik. Aber die Musik stand immer im Mittelpunkt. Mit der Gründung von Gospel Train 1999 (der Chor feierte voriges Jahr sein 30. Jubiläum) und der damit verbundenen Erfolgsgeschichte, einschließlich mehrerer CDs, gab der Pädagoge alsbald seine Musikklassen auf und widmete sich, per Lehrauftrag, lediglich noch Gospel Train. Bis dahin standen auf der musikalischen Haben-Seite der Schule nicht nur die alljährlichen Weihnachtskonzerte, sondern auch eine Reihe von Musicals, die das Publikum vom Hocker rissen. Wohlgemerkt: Es waren Aufführungen von Schülern!
Was macht das Charisma von Peter Schuldt aus? Er beherrscht die Kunst, Kinder und Jugendliche mit allen Sinnen anzusprechen. Allein schon die Chorproben seien ein „Erlebnis pur“, schwärmt er. Ihnen die Angst vor dem Versagen zu nehmen, sie aus ihren Komfortzonen herauszuholen und ihnen zu vermitteln, dass in jedem von ihnen etwas steckt, ganz unabhängig von der sozialen Herkunft – das macht sein bewährtes Credo aus. Es mündete schließlich in der Erkenntnis: „Wer einmal im Chor gesungen und erlebt hat, welch ein tolles gemeinsames Erlebnis das ist, der will weitermachen.“ Nach diesem Motto funktionierte auch das im Jahr 2008 aus der Taufe gehobene Projekt „The Young ClassiX“, dass einer gemeinsamen Initiative des Ensembles „Salut Salon“gemeinsam mit der Otto Group entsprungen ist. Dort war Peter Schuldt Modulleiter und als solcher zuständig für den gesamten Chorbereich. Als Lehrer wurde er dafür von der zuständigen Behörde freigestellt. „The Young ClassiX“ ist heute deutschlandweit das wohl das größte derartige Projekt seiner Art und hat somit Vorbildcharakter. 3500 Kinder in 58 Schulen haben in Hamburg bislang davon profitiert. Allein 2019 hat das Projekt 210 Konzerte veranstaltet. Aus dem Süderelberaum waren die STS Finkenwerder, die Goethe-Schule Harburg, die STS Fischbek-Falkenberg, die Grund-, Haupt- und Realsschule Neugraben (als Starterschule) und die STS Nelson Mandela aus Wilhelmsburg beteiligt, alles Schulen in nicht so bevorzugter Lage, an denen es noch keine Chöre gab, wohl aber Talente, die es zu fördern galt.
„Das Projekt hat die Schullandschaft in Hamburg entscheidend verändert“ ist eine Erkenntnis, die sich heute auch die Schulbehörde zu eigen macht. Und was folgt jetzt außer Gospel Train? „Ich werde wieder mehr komponieren, arrangieren und andere Projekte anschieben. An die über 40 Berufsjahre denkt Peter Schuldt mit Dankbarkeit zurück. „Das war keine Arbeit, ich konnte mein Hobby zum Beruf machen.“ Aber eine Bilanz ist das noch nicht.