„Es gibt hier etliche Schwarz-Stollen“

„Es gibt hier etliche Schwarz-Stollen“.

Besorgte Bürger fragen Rolf Weiß um Rat.

Obwohl die Bauarbeiten im Ehestorfer Heuweg größtenteils ruhen, steht die Trasse weiterhin im Mittelpunkt des Interesses. Dabei dreht es sich nun nicht mehr um die Bauarbeiten an sich, sondern um die Frage, ob von den anscheinend unprofessionell verfüllten Stollen des ehemaligen Bergwerkes „Robertshall“ eine Gefahr für die umliegenden Gebäude ausgeht. Diese Frage beantwortet der Bergwerksexperte Rolf Weiß mit „Ja“. Weiß hatte nach seinen Ausführungen über die Gefahren der maroden Stollen zahlreiche Anrufe von besorgten Hausbesitzern in der Gegend des Ehestorfer Heuweges bekommen. Zusammen mit dem Ehestorfer Bürgermeister Axel Krones machte sich Weiß am 30. September auf den Weg, um einige Gebäude zu begutachten. „Die Anwohner im Emmetal bringen mir großes Vertrauen entgegen, ermuntern mich zum Weitermachen, das rührt mich. Menschen, die ich nicht kenne, sprechen mich an und loben die Transparenz meiner Arbeiten. Auch wenn meine Ergebnisse, die ich präsentiere, keineswegs geschönt sind“, erklärt Weiß. Mit dem amtlichen Stollenplan in der Hand machten sich Weiß und Krones auf den Weg – und wurden fündig. Beim ersten Haus kommt ihnen schon die Besitzerin entgegen und sagt: „Herr Weiß, wenn Sie zusammen mit dem Bürgermeister zu uns kommen, dann sind wir betroffen.“ Der Anwohnerin, die hier zum Schutze ihres Immobilienwertes ungenannt bleibt, erklärte, dass man ihr immer gesagt habe, auf ihrem Grundstück sei nichts. „Tatsächlich aber entdeckten wir Schlaglöcher auf dem Hof. Die Firma, die die Pflasterung gemacht hat, hatte gepfuscht. Schon drei Mal musste die Hofpflasterung nachgebessert werden, und immer wieder sind die gleichen Schlaglöchr entstanden“, lautete ihre Erklärung.
Weiter zum Nachbargrundstück. Schon von Weitem sieht man Risse. Risse im ersten Stock, im Fensterbereich, in der Fassade, bis runter zum Erdgeschoss. Es ist erkennbar, dass der Hausbesitzer diese Risse immer wieder ausgespachtelt und übergemalt hat. Damit das nicht allzu alte Haus schick ist. Warum diese Risse immer wieder neu entstehen, wüsste er nicht.
Weiter geht es zu einem dritten Haus. Das Duo klingelt. Der Hausbesitzer öffnet und ist völlig überrascht. Sein Haus habe keine Bergschäden, die Stollen seien alle auf der anderen Straßenseite, vor allem im Wald. Und die auf der Denkmaltafel von Weiß veröffentlichte Karte sei ja nur schematisch, laut dieser sei auf seinem Grundstück wohl nichts. „Nun aber haben wir die amtliche Karte in der Hand und recherchieren. Unter seinem Haus geht ein Stollen durch. Wir schauen uns seine schöne große rückseitige Hauswand an. Bestimmt zwei Dutzend Risse, übergeputzt und übergemalt. Und zwei große neue Risse. Das Haus ist quasi richtig durchgebrochen, von der Bodenplatte bis zum Dach. Alles andere als ein Bagatellschaden oder optischer Mangel“, stellt Weiß fest. „Wir haben doch erst im Sommer alles ausgebessert. Diese neuen Risse, Herr Weiß, die habe ich selbst noch nicht mal gesehen. Die Risse hätte ich im Leben nicht mit Bergbau in Verbindung gebracht“, teilt der verzweifelte Hausbesitzer mit.
Kommentar von Weiß: „Wie erklären Sie sich dann, dass der Untergrund hier an der Mauer tragfähig ist, und nur einen Meter weiter an der Mauer nicht? Und warum ist Ihr gepflasterter Hof solch eine Mondlandschaft?“ Draußen auf der Nebenstraße fallen Krones und Weiß die selben Risse an den Häusern der gegenüberliegenden Straßenseite auf. Genau in der selben Flucht wie bei dem Haus davor. Auch die Straße habe hier komische Mulden. Genau in Höhe der Stollen, nur dass diese laut Karte gar nicht so weit reichen, bemerken Weiß und Krones. „Es gibt hier etliche Schwarz-Stollen, die niemals beim Bergamt beantragt worden sind und auch nie erfasst wurden“, erkläre Weiß dazu.
Eine Anwohnerin hörte, in welcher Mission die Männer unterwegs seien, und wäre mit dem Text im Pachtvertrag zu ihrem Hausgrundstück zurückgekommen. Darin steht: Für die Bodenbeschaffenheit sei der Verpächter nicht zuständig. Wiederum eine andere Anwohnerin erklärte, dass ihr Mann das Haus in Hinblick auf dem Altbergbau eine extra dicke Betonplatte gewählt habe. Antwort von Weiß: „Extra dicke Betonplatten, wenn sie am Rande hohl wegbrechen, sind kein Schutz gegen Altbergbau.“
Hat der Landkreis Harburg nicht alle Richtlinien beachtet? Nach den Erfahrungen von Weiß sei im Altbergbaugebiet bei Bauanträgen eigentlich immer die Landesbehörde für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) hinzuzuziehen. Diese müsse einschätzen, ob sich ein Gefahrenpotenzial über eventuell nicht verfüllte Stollen ergeben könnte, und ob der Baugrund tragbar sei. Ob das LBEG hier involviert war und die Baugenehmigungen auflagenfrei erteilt hat, oder ob der Landkreis dort gar nicht nachgefragt hat, das entziehe sich seiner Kenntnis, sagt Weiß. Er habe keine Akteneinsicht. „Normalerweise hätten Teile dieses Wohngebietes nicht zu Bauland werden dürfen. Die Menschen haben den Behörden vertraut, und mit Stempel auf der Baugenehmigung geht man doch davon aus, dass alles geprüft und okay ist. Die Leute sind teilweise von weit her gezogen und hatten keine Kenntnis zur Situation, die können nichts dafür“, erklärt Weiß.
Hier wäre eine umfassende Untersuchung erforderlich. Der Nachteil: Häuser im Altbergbaugebiet haben einen deutlich niedrigeren Wert. Insgesamt könnten circa 13 Häuser im Bereich Emmetal von Altbergbau-Schäden betroffen sein. Das Gesamt-Schadenmaß mit Gutachten, Bohrungen, Stollen, Sanierungen und Haussanierungen kann nach Auffassung von Weiß durchaus in den Bereich von zwei Millionen Euro gehen, vielleicht auch mehr. Es hänge davon ab, was das Gutachterbüro an Schäden bestätige und welche Maßnahmen für erforderlich angesehen werden, so Weiß.