Eine Ära neigt sich dem Ende entgegen

Foto: ein -Dieter Bahlmann (Mitte) mit den Künstlern Abi Wallenstein und Sandra Keck die ihn immer wieder gern unterstützen

Eine Ära neigt sich dem Ende entgegen.

Spendensammler Dieter Bahlmann will ab 2024 kürzer treten.

Diese Nachricht wird Besucher von Konzerten und Wohltätigkeitsveranstaltungen nicht gefallen: Dieter Bahlmann, der seit nunmehr 46 Jahren ehrenamtlich aktiv ist, kündigte jetzt den Rückzug seiner Aktivitäten an. Der jetzt 82-jährige ehemalige Leiter der Karstadt-Buchabteilung in Harburg will vom Jahr 2024 an kürzer treten. In all diesen Jahren seit 1978 hat Bahlmann fast eine Million Euro an Spenden gesammelt, die guten Zwecken wie den SOS-Kinderdörfern und anderen Organisationen zugute kamen. Jetzt hofft der unermüdlich für die gute Sache kämpfende Benefiz-Organisator darauf, in den verbleibenden drei von ihm geplanten Veranstaltungen vielleicht noch die Millionengrenze zu knacken.
Angefangen hatte es Ende der 1970er-Jahre mit Fußball-Prominenten-Spielen auf dem HTB-Sportplatz Jahnhöhe in Harburg. Viele Ex-Nationalspieler wie Uwe Seeler und Günter Netzer sowie Stars wie Otto kickten seinerzeit für den guten Zweck für die „Aktion Sorgenkind“. Der Eintrittspreis betrug damals 5 DM für Erwachsene und 2,50 DM für Kinder. Der Ertrag konnte sich dennoch sehen lassen: Umgerechnet 81.000 Euro kamen schon damals zusammen. Es folgten Konzerte unter dem Motto „Hamburg grüßt St. Petersburg“ in der Musikhalle (heute Laiszhalle) und viele weitere Veranstaltungen – stets für den guten Zweck.
Legendär sind die Konzerte „Blues- und Boogie-Night“. Die letzte in der Friedrich-Ebert-Halle liegt gerade mal ein paar Tage zurück. Die nächste ist für den 3. November 2023 geplant. Am Sonnabend, 22. April 2023, folgt eine Benefiz-Gala in der Friedrich-Ebert-Halle unter dem Titel „Sangeskunst der Superlative“. Außerdem plant Bahlmann ein Konzert mit zehn erstklassigen Pianisten – unter anderem mit Axel Zwingenberger.
Wenn alles klappt wie von ihm geplant, könnte es zum krönenden Abschluss seiner Aktivitäten noch zu einem „Santiano“-Konzert in der Friedrich-Ebert-Halle kommen. Dabei will ihn die Harburger Schauspielerin und Entertainerin Sandra Keck unterstützen. Sandra Keck kennt „Santiano“-Sänger Axel Stosberg aus ihrer Zeit als Schauspielerin am Ohnsorg-Theater. Sie unterstützte Bahlmann erst kürzlich bei einer Veranstaltung im Harburger Theater und war ebenso wie der Künstler Abi Wallenstein dabei, als Dieter Bahlmann eine Bilanz seiner Aktivitäten innerhalb der vergangenen viereinhalb Jahrzehnte zog.
Angefangen mit der Idee, meist elternlosen Kindern zu helfen, hat Dieter Bahlmann, der selbst keine Kinder, aber drei Geschwister hat, als er in Bulgarien Kinder dabei beobachtete, die im Müll nach Lumpen und anderen Dingen suchten, um sich ein paar Geldstücke zu verdienen. Da fasste er den Entschluss, Geld für Bewohner von SOS-Kinderdörfern in Deutschland und später in aller Welt zu sammeln. Er besuchte auch Kinderdörfer in Rio de Janeiro, auf Haiti, wo eine Bibliothek im dortigen SOS-Kinderdorf jetzt seinen Namen trägt.
Von 1976 an engagierte er sich für einige Jahre in der Theatergruppe „De Nedderdütsche“ – unter anderem als Geschäftsführer und Zweiter Vorsitzender. Sorgen macht sich Bahlmann auch über die steigenden Kosten für die Durchführung von Veranstaltungen. Selbst der Verkauf von Eintrittskarten sei in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden und hielte viele Interessierte davon ab, sich rechtzeitig Tickets für Konzerte zu besorgen. Im Gespräch ist jetzt eine Vorverkaufsmöglichkeit für Tickets in den Räumen des Harburg-Marketings in der Hölertwiete. Dort ist mit Christine Sülau auch eine ehemalige Karstadt-Kollegin tätig, die ihn stets unterstützt hat.
Die meisten Otto-Normal-Bürger kennen Sport-, Fernseh- und Leinwandgrößen wie Heinz Rühmann, Gustav Knuth, Harald Juhnke, Loriot, Ephraim Kishon, Curd Jürgens, Siegfried Lenz, Peter Scholl-Latour, Helmut Schön, Franz Beckenbauer, Fritz Walter, Uwe Seeler, Hennes Weisweiler, Max Schmeling, Hardy Krüger, Harry Valerien, Joachim Friedrichs und viele andere Stars meist lediglich aus dem Fernsehen, dem Kino oder anderen Medien. Nicht so Dieter Bahlmann: Er hat sie im Laufe mehrere Jahre alle „hautnah“ erlebt – bei Signierstunden.
So holte Dieter Bahlmann einst auch Roy Black in die Harburger Friedrich-Ebert-Halle. „Der Abend mit Roy Black war sicher ein Höhepunkt der von mir organisierten Wohltätigkeitsveranstaltungen“, erzählt Bahlmann. Lange habe er warten müssen, bis ein Termin mit dem Schlagerstar gefunden war. Auch an ein Konzert mit Rolf Zuckowski erinnert er sich gern: „Es waren natürlich auch viele Kinder da. Und die Stimmung war einmalig schön.“
Die SOS-Kinderdörfer lernte Bahlmann über seine Arbeit bei Karstadt in Harburg besser kennen. Er leitete dort die Buchabteilung und organisierte immer wieder Lesungen sowie Signier- und Autogrammstunden mit den zahlreiche Prominenten. Im Jahr 1981 stiftete der Konzern zu seinem hundertjährigen Firmenbestehen ein SOS-Kinderdorf in Brasilien. Dieter Bahlmann entschied sich damals, von diesem Zeitpunkt eigene Veranstaltungen in den Dienst von SOS zu stellen.
Außer vielen Konzerten organisierte Dieter Bahlmann, der seinerzeit auch von seiner Mutter tatkräftig unterstützt wurde, ab 1978 auch eine Reihe von Benefiz-Fußballspielen auf dem Harburger Sportplatz Jahnhöhe, der Heimatstätte des Harburger Turnerbunds (HTB). Bis 1987 holte er dafür gemeinsam mit dem damaligen NDR-Sportredakteur Rainer Koppke und dem langjährigen HTB-Vorsitzenden Karl „Kalle“ Schult so legendäre Größen wie Ehrenspielführer und HSV-Legende Uwe Seeler, Günter Netzer, Wolfgang Overath, Holger Hieronymus, Charly Dörfel, Schorsch Volkert und viele andere Fußballstars der 60er- und 70er-Jahre auf den HTB-Sportplatz. Zu den Höhepunkten gehörte eine Veranstaltung im Spätsommer auf der Jahnhöhe, bei der allein durch das Mitwirken von Blödelstar Otto Waalkes fast 10 000 Zuschauer den Weg zum HTB-Sportplatz gefunden hatten.
Otto trug sein Trikot mit der Nummer 7 „auf links“ und amüsierte die Harburger Zuschauer auch mit seinen zum Teil ungelenken Bewegungen auf dem grünen Rasen. Einmal allerdings übertrieb er seinen Einsatz auf der Jahnhöhe. Natürlich unabsichtlich stieß er mit Uwe Seeler zusammen, der sich dabei eine blutende Wunde im Gesicht zuzog und daraufhin zur Behandlung ins Harburger Krankenhaus am Eißendorfer Pferdeweg (heute Asklepios Klinik Harburg) gebracht werden musste.
Unvergessen sind auch die Auftritte der Maschener Gruppe Truck Stop mit den inzwischen verstorbenen Musikern Lucius Reichling und Cisco Berndt. Drei der sechs Musiker kickten dabei sogar in der Harburger Mannschaft mit. Unter den Zuschauern waren seinerzeit auch der Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, der den Anstoß ausführte, und andere Persönlichkeiten der Hansestadt.
Die Erlöse seiner Events kamen überwiegend dem SOS-Kinderdorf Jacarepaguá in Rio de Janeiro zugute. Bahlmann hat das Kinderdorf auch schon ein paar Mal besucht. Besonders beeindruckte ihn dabei, dass die Kinder so lange von SOS begleitet werden, bis sie in der Lage sind, ihr Leben selbstständig zu meistern. „Damit ist ihnen wirklich geholfen“, meint Bahlmann.
Geboren wurde Bahlmann in der Klinik Finkenau. Er wuchs in Eppendorf und Uhlenhorst auf und wohnt nun schon seit vier Jahrzehnten in Hamburg-Horn. 1956 begann er seine Lehre bei Karstadt in Eimsbüttel. Von 1967 bis 2002 und noch einmal von 2005 bis 2007 wirkte er im Harburger Karstadt-Haus und sah dort viele Geschäftsführer kommen und gehen.