„Deutschland wird nicht in eine Wirtschaftskrise schlittern“

pm -Stefan Bielmeier Chefvolkswirt der DZ BANK

„Deutschland wird nicht in eine Wirtschaftskrise schlittern“.

Reiner Brüggestrat Gast beim Wirtschaftsverein Harburg.

Mit Dr. Reiner Brüggestrat, Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank eG und Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ BANK, konnte der Wirtschaftsverein für den Auftakt der Monatsveranstaltungen 2019 zwei hochkarätige Gastredner gewinnen: IhrThema „Konjunkturentwicklungen 2019: Prognosen im Spannungsverhältnis zwischen vernetzten und singulären Einflüssen“. Dr. Brüggestrat gewährte den rund 80 Zuhörern im Privathotel Lindtner einen „Hamburger Blick“ auf die Entwicklung, die im Hinblick auf Faktoren wie Brexit, die Präsidentschaft von Donald Trump oder die Gelbwesten in Frankreich mit Sorge gesehen wird.
„Spannend ist, dass in einer globalen Welt mittlerweile alles mit allem zu tun hat und aus einem singulären Ereignis eine Kettenreaktion entstehen kann“, führte Dr. Brüggestrat die Zuhörer in den Vortrag ein.
Stefan Bielmeier führte die oben genannten Ereignisse zusammen. „Sie sind das Ergebnis einer immer weiter steigenden politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Enttäuschung“, so Bielmeier. Das hänge unter anderem mit dem US-Präsidenten Trump als singuläres Ereignis zusammen, das die Politik dominiere, ebenso wie der Brexit. Innenpolitisch werde Trump allerdings bald an seine Grenzen stoßen, prophezeite Bielmeier. Der italienischen Regierung schrieb er ins Stammbuch, dass sie, weil sie keine Strukturreformen wage, nicht das große Ganze im Blick habe, teilte jedoch mit Brüggestrat die Meinung, dass man Italien „einfangen werde.“ Bedenklich sei, dass im spanischen Andalusien eine neue rechte Partei entstünde, obwohl das demokratische Spanien traditionell eher ein links orientiertes Land sei. In Spanien gelte wie auch in Deutschland oder anderen EU-Ländern, „dass die Menschen heute Angst vor dem haben, was gerade in der Welt passiert.“ In Deutschland sei zu beobachten, dass die Dynamik in der Wirtschaft wegbreche, während sie in den USA Fahrt aufnehme. Allerdings werde auch der amerikanische Präsident es sich nicht leisten können, dauerhaft Steuergeschenke zu verteilen. Negativ auf die globale Weltwirtschaft wirke sich auch der Handelsstreit zwischen den USA und China aus. Die EU sei, anders als China, von der sozialen Marktwirtschaft getragen – ein Grund: „weshalb uns China aktuell (im Hinblick auf die eigene Währung finanzpolitisch, wie die Unternehmerzeitung „WirtschaftsKurier“ in ihrer jüngsten Ausgabe berichtete – die Red.) weggaloppiert, ergänzte Brüggestrat.
Der deutsche Arbeitsmarkt stünde nach acht Jahren Aufschwung zwar noch so gut wie selten zuvor da, leide aber zusehends unter dem Druck aus der Auto- und Chemie-Industrie. Der Grund: politische Risiken dominieren die Wirtschaft. Trotzdem werde Deutschland nicht in eine Wirtschaftskrise hineinschlittern, selbst wenn sie etwas abkühle. Gleichwohl sei die Abschwungdelle früher eingetreten, als von den Fachleuten erwartet. Deutschland müsse in dieser Situation verstärkt in Bildung und die Gewinnung von Facharbeitern investieren, so Bielmeiers Forderung.
Insgesamt habe er jedoch einen „positiven Blick auf Deutschland und Europa“.
Dr. Brüggestrat sieht in einem konjunkturellen Rückgang, der 2018 begonnen hat, eine Chance. „Wir wären sonst in eine konjunkturelle Überhitzung gelaufen. Das hieße Vollauslastung von Kapazitäten, weiter stark steigende Löhne mit einer inflationären Druckentwicklung. Da die Notenbank darauf mit einer Zinserhöhung reagieren müsste, ihr dieses Instrument aber derzeit nicht zur Verfügung steht, wäre dieses Szenario nachteilig für die Volkswirtschaft.“
Noch seien die Zahlen, die die Wirtschaft in Hamburg schreibe, sehr gut und es herrsche Optimismus in den Märkten. Allerdings könne ein ungeordneter Brexit für Hamburg, das wirtschaftlich mit Großbritannien eng verzahnt ist, gefährlich werden – eine Entwicklung, die man genau beobachten müsse. Nicht anders sah das als Gastgeberin Franziska Wedemann, stellv. Vorsitzende des Wirtschaftsvereins, die die Gäste begrüßt hatte. „Wer hätte das gedacht: Großbritannien verabschiedet sich auf hässliche Weise aus Europa“, während die USA und China sich freuten, wenn sich Europa dividiere.
Brüggestrat blickte trotz alledem optimistisch in die Zukunft und zitierte Oscar Wilde. „Alles wird gut. Wenn es nicht gut wird, ist es auch nicht das Ende.“