„Das Ding ist löchrig wie ein Schweizer Käse“

pm -Baugerüst im Kirchenschiff

„Das Ding ist löchrig wie ein Schweizer Käse“.

Sanierung von St. Johannis: Pastorin spricht von Sonderfall Betonsanierung.

Die drei Kirchenglocken stehen auf Europaletten im Flur des Gemeindehauses; die Turmuhr ist abgebaut und das Kirchenschiff eine Baustelle. Ein Baugerüst füllt den Raum bis zur Decke. In der St. Johanniskirche finden bereits seit Monaten keine Gottesdienste mehr statt und bis Ende November (wenn alles gut geht) wird sich daran auch nichts ändern. Der Grund: Die Kirche in der Bremer Straße 9 wird – einschließlich Kirchturm – saniert. Was als übliche Maßnahme begonnen hat, ist mittlerweile ein umfangreiches Projekt mit vielen Überraschungen geworden. Die Pastorin Sabine Kaiser-Reis kann davon ein Lied singen. Die Theologin hat sich mittlerweile zu einer Fachfrau für das Sanierungswesen entwickelt.
Es begann 2017 damit, dass das Kirchendach undicht wurde. Um an die schadhaften Stellen heranzukommen, mussten die Kupferplatten des Daches auseinander gezogen werden. Die tragende Decke darunter bestand aus Porenbeton und der bröselte. Daher die Feuchtigkeit. Der Schaden war groß, und eine größere Schneelast hätte das Dach gar nicht mehr tragen können. Zum Glück schneite es dann im Winter kaum. Die Folge dieses Schadens: Alles oberhalb der Holzdecke des Kirchenschiffs musste raus. Der schadhafte Porenbeton wurde durch eine massive Holzkonstruktion (einschließlich Dämmung) ersetzt. In dieser Woche waren dann die Dachdecker angerückt.
Bei Durchführung der Arbeiten hatte man während einer Begehung im oberen Teil des Gerüst entdeckt, dass auch die komplette Holzdecke wegen der Feuchtigkeit verschimmelt war. Nach einer Behandlung mit Alkohol will man zumindest diesen Schaden nun im Griff haben. Unter einem Abwasch wird nun auch das Dach über dem südlichen Laubengang gerichtet, einschließlich der eckigen Dachrinnen wie sie heute nicht mehr üblich sind. Aber das Amt für Denkmalschutz hat ein wachsames Auge, weiß die Pastorin. Und weil bereits ein Gerüst steht, hat man sich entschlossen, auch die Elektrik nebst Blitzschutzanlage neu zu machen. Die alte sei „abenteuerlich“ gewesen, sagt die Pastorin. Nicht zuletzt sei bei dieser Gelegenheit auch festgestellt worden, dass es für die Kirche keinen Entwässerungsplan gibt.
Fakt ist, so Sabine Kaiser-Reis, dass die Sanierung im Jahr 1994 wohl nicht sachgemäß durchgeführt wurde – Folgen: siehe oben, einschließlich der sich daraus ergebenden Verzögerungen. Weil die Sanierung viel umfangreicher ausfallen musste als ursprünglich geplant, konnte damit auch nicht, wie vorgesehen, bereits im März begonnen werden sondern erst Anfang Mai. Und als ob es nicht schon genügend böse Überraschungen gegeben habe, muss nun auch noch der Kirchturm saniert werden. Er soll sich in einem bedenklichen Zustand befinden. Er ist mittlerweile eingerüstet, die Fenster (der einstmals neue Kirchturm hatte keine) sind ausgebaut, das Kreuz auf der Turmspitze zerlegt und abgebaut. Seine Standfestigkeit ließ zu wünschen übrig, erläutert die Pastorin. Nun muss ein neues her. Waren zunächst nur kleinere Arbeiten am Turm vorgesehen, so hat mittlerweile eine Gutachterin aus Stuttgart einen Baustopp verhängt. Heute weiß man: Nach der Schadenaufnahme in der Vergangenheit ist zu wenig gemacht worden. Schadhafte Stellen wurden in den 70er Jahren lediglich notdürftig mit Spritzbeton „zugekleistert.“ Die Folge: „Das Ding ist heute löchrig wie ein Schweizer Käse,“ weiß Sabine Kaiser-Reis. Wie es jetzt weiter geht, ist noch offen. Zur Debatte stehen a.) ein neuer Kostenvoranschlag durch ein Planungsbüro und dann die Sanierung fortsetzen, oder b.) das Gerüst abbauen, die Kostenfrage für den Moment unbeantwortet lassen und die Sanierung eventuell im nächsten Jahr fortsetzen. Dabei hatte man die Glocken eigentlich lediglich abgebaut, um kleinere Arbeiten urchführen zu können. Bis dann die jüngste Schadensaufnahme zu dem nun vorliegenden Ergebnis führte.
Die Sanierungskosten sind bislang auf 2,2 Millionen (aus unterschiedlichen Töpfen) veranschlagt – davon eine dreiviertel Million allein für den Kirchturm; aber das letzte Wort ist laut Kaiser-Reis noch nicht gesprochen. Erschwerend kommt hinzu: Das bisher zuständige Architekturbüro habe plötzlich und völlig überraschend einen Personalwechsel vorgenommen. Somit fehlte ein Bauleiter für die Turmsanierung. Also musste sich der zuständige Kirchenkreis von diesem Büro trennen. Sabine Kaiser-Reis: „Wir wissen aktuell nicht, wie es weiter geht.“ Was man aber weiß. Für die – unzulängliche – Sanierung im Jahr 1994 bezahlt die Kirchengemeinde heute noch: jährlich 60.000 Euro, und das noch bis 2021!