Wenn die medizinische Versorgung zum Patienten wird (Teil 1)

???????? -Henning Reh

Wenn die medizinische Versorgung zum Patienten wird (Teil 1).

Essay von Henning Reh.

Die medizinische Versorgung im Bezirk Harburg und insbesondere in der Region Süderelbe ist bekanntermaßen problematisch. Gründe gibt es dafür viele, Lösungsansätze auch. Doch Verbesserungen bleiben aus. Hier geht es nicht um Schuldzuweisung, sondern um Problemlösung. Hier kommt die medizinische Versorgung selber als Patient und soll geheilt werden. Zumindest sollen Therapieformen aufgezeigt werden. Dazu erfolgt zunächst im ersten Beitrag die Beschreibung des Zustands (Anamnese), die Feststellung des Problems (Diagnose), bevor dann in dem nächsten Beitrag das Aufzeigen von möglichen Lösungsansätzen (Therapien) und der Ausblick auf die Behandlung (Indikation) des Patienten erfolgt. Welche davon dann die auch erforderliche Behandlung ist, bleibt offen, um der Diskussion Raum zu lassen, die hoffentlich dann einen Beitrag zur Lösung leisten wird.
Es leben rund 170.000 Menschen im Bezirk Harburg, davon gut 56.000 Menschen in der Region Süderelbe. Während nach Auffassung der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVHH) eine hausärztliche Versorgung zu 100% gewährleistet ist, wenn durch eine Arztstelle 1.609 Menschen versorgt werden, stellt es sich in Süderelbe ziemlich anders dar. In Neugraben-Fischbek sind es immerhin nur 2.137, in Hausbruch muss eine Arztstelle 4.233 Menschen versorgen. Im Schnitt sind es 2.807 Menschen je Arztstelle. Das entspricht einer dramatisch geringen Versorgungsquote von lediglich 57,33%.
In der Region Harburg sieht es schon besser aus. Von Heimfeld bis Rönneburg liegt die Versorgungsquote bei fast 93%. Doch das liegt vor allem daran, dass im Harburger Kerngebiet die Quote bei satten 204,5% liegt.
Fakt ist aber, dass die Menschen aus Süderelbe somit kaum die Möglichkeit haben, nach Harburg auszuweichen, da die dort vorhandenen Kapazitäten auch dort benötigt werden.
Die KVHH versteht ganz Hamburg als einheitliches Versorgungsgebiet und sieht deshalb die Versorgung als gesichert an. Damit steht Hamburg im Vergleich mit ländlichen Regionen auch gut da. In Eppendorf, Harvestehude, Rotherbaum und Uhlenhorst liegt die Versorgung zwischen 159% und 175%, in Blankenese bei 224% und in Hoheluft-Ost bei rund 475%. Da können die Süderelber zwar mit Wehmut über die Elbe schauen, doch wenn man mit dem ÖPNV vom Fischbeker Heidbrook bis Hoheluft-Ost oder Blankenese mehr als eine Stunde für die einfache Fahrt benötigt, ist dies keine besonders attraktive Alternative.
Die KVHH hat sicher auch die Interessen der Patienten im Blick, ist aber grundsätzlich eine standesrechtliche Interessenvertretung der Ärzt:innenschaft. Hier werden Arztsitze vergeben, Gebiete aufgeteilt und Ressourcen verwaltet. Sicherlich mag es gute Gründe dafür geben, warum in manchen Stadtteilen mehr Arztsitze vorhanden sind. Gerne auch mal im Umfeld von großen Kliniken. Gerne auch mal dort, wo mehr Privatpatienten sind.
Eine 100%ige Versorgung ist gegeben, wenn auf einen Arzt oder eine Ärztin 1.609 zu versorgende Menschen kommen. Unabhängig von der Morbidität, also unterschiedlichen Krankheitsbelastungen, wie sie zum Beispiel in Abhängigkeit vom sozialen Status, den ökonomischen Möglichkeiten, bestehen. Oder einfacher ausgedrückt: Armut macht kranker und behandlungsbedürftiger. Im Sinne einer gerechten und solidarischen Versorgung müssten also in belasteteren Regionen mehr medizinische Angebote vorhanden sein. Gesundheit und sozialer Status sind eng miteinander verknüpft.
Hierbei der Ärzt:innenschaft einen Vorwurf zu machen, wäre zu kurz gedacht. Hinter ihnen liegt eine hochqualifizierte, jahre-, teilweise jahrzehntelange Aus- und Weiterbildung. Ihr Ziel ist, Menschen zu helfen, Leben zu retten. Nicht das große Geld. Wer das als Ziel hat, wird nicht Arzt oder Ärztin. Doch wie können auch bislang unterversorgte Regionen besser versorgt werden? Dafür gibt es verschiedene Ansätze.