Preis für Mega fette Beute

Die Schüler von der Schule Stübenhofer Weg tanzen mit einem riesigen Drachen durch das Bürgerhaus Foto: sl

Preis für Mega fette Beute.

Wilhelmsburger Lesewochen gehen zuende.

Aufgeregt, zappelnd und schwatzend stehen Dutzende Kinder vor dem Bürgerhaus Wilhelmsburg. Endlich gehen die Türen auf, und knapp 300 Schüler sowie ihre erwachsenen Begleiter stürmen den großen Saal. Heute ist der Abschluss und Höhepunkt der diesjährigen Wilhelmsburger Lesewochen.
Wochenlang drehte es sich in allen Schulen, Kitas und Bibliotheken der Insel um Bücher, Sprache und Worte. Es gab Leseprojekttage, schulinterne Vorlesewettbewerbe, Lese-Rallyes, Mitmach-Hörspiele, Theater, Musik und noch viel mehr. Seit 2014 gibt es dieses Projekt „Die Insel liest“. Parallel dazu sucht eine Kinderjury das tollste Kinderbuch des Jahres aus.
Doch bevor dieser Preuschhof-Preis für Kinderliteratur 2023 vergeben werden kann, gehört der ganze Saal erst einmal Schülern der Schule Stübenhofer Weg. Begleitet von Trommeln, lautem Getöse und begeistertem Applaus des Publikums tanzt ein meterlanger, kunterbunter Stoff-Drache durch den Raum.
Dann wird es spannend. Zur Auswahl für den Preuschhof-Preis stehen zehn Bücher. Im Vorfeld hat Projektleiterin Maren Töbermann alle deutschen Kinderbuchverlage angeschrieben und um Vorschläge für das beste Erstleserbuch gebeten. Das Resultat daraus ist in jedem Jahr ein riesiger Bücherstapel. Daraus wählt eine siebenköpfige Vorjury im Februar zehn Bücher aus.
Mehr als 500 Kinder beteiligen sich an der Wahl. Jedes Kind liest im Laufe des Jahres mindestens drei der vorgeschlagenen Bücher und gibt dann eine Wertung ab. Der klare Sieger in diesem Jahr heißt „Mega fette Beute“, „weil es witzig, spannend und cool ist“, wie Juror Sanju feststellte. Geschrieben hat diese Geschichte über einen Projekttag an der Schule Rüdiger Bertram, illustriert wurde sie von Horst Hellmeier. Beide teilen sich jetzt den mit 1.000 Euro dotierten „Preuschhof-Preis für Kinderliteratur 2023“.
Nach viel Applaus für die Gewinner des Preises wird es im Saal muksmäuschenstill: Der Vorlesewettbewerb der vierten Klassen beginnt. Zehn Kinder aus zehn verschiedenen Wilhelmsburger Schulen haben sich im Vorfeld für diesen Vorlesewettbewerb qualifiziert. Drei Minuten dürfen sie aus einem vorbereiteten Buch vorlesen. Drei Minuten, um die Jury zu überzeugen. „Alle Kinder haben in ihren jeweiligen Schulen schon den schulinternen Vorlesewettbewerb gewonnen, aber ganz allein auf der riesigen Bühne zu sitzen, zum ersten Mal in ein Mikrofon zu sprechen und in einen voll besetzten Saal zu schauen, ist wahnsinnig aufregend“, sagt Sabine von Eitzen, Leiterin der Wilhelmsburger Bücherhalle, mitfühlend. „Aber ausnahmslos alle Kinder haben eine großartige Leistung erbracht.“
Es entbrennt eine heftige Diskussion in der Jury-Runde, bis sie sich schließlich auf Mila aus der Schule Fährstraße als Siegerin des Wettbewerbs einigen. Dann allerdings kennt der Jubel im Saal kein Halten mehr. Alle Klassen feiern „ihre“ Vorleser. Alle wollen Fotos machen. Alle gehen stolz und glücklich nach Hause.
Zum Hintergrund: Lesen ist der entscheidende Schlüssel zur Bildung und zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Doch Studien bringen immer wieder ans Licht, dass gerade Lesen und Schreiben in Familien oft zu kurz kommt. Mindestens ein Fünftel der 15-Jährigen ist nicht in der Lage so zu lesen, dass sie den Sinn erfassen und die Inhalte reflektieren können. Diese Zahl ist noch dramatischer bei Schülern, die nicht auf ein Gymnasium gehen. „In kaum einem anderen OECD-Land ist ein Aufstieg durch Bildung für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen und nicht deutscher Herkunftssprache so schwierig wie in Deutschland. Insbesondere auch im Bereich der Lesekompetenz fallen die sozialen, klassismus- und migrationsbedingten Unterschiede im internationalen Vergleich besonders hoch aus“, erläutert Projektleiterin Maren Töbermann.
„Um so großartiger ist das Projekt ,Die Insel liest‘, ergänzt Sabine von Eitzen. Im Anschluss an die Lesewochen haben wir einen deutlichen Anstieg an neuen Anmeldungen. Ein sicheres Zeichen, dass hier ein Anreiz fürs Lesen geschaffen wird.“