Erfolgreich auf Veränderungen hinwirken

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Erfolgreich auf Veränderungen hinwirken.

Nachlese zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2020.

(mk/pm). Euphorie bei der SPD, Jubel bei den Grünen, Zufriedenheit bei Die Linke sowie Katzenjammer bei CDU, FDP und AfD: Die Hamburger Bürgerschaftswahl 2020 brachte eine Bestätigung der rot-grünen Koalition, die wahrscheinlich auch weitermacht. Verschoben haben sich indes die Gewichte. Zwar bleibt die SPD mit 39,2 Prozent die weitaus stärkste Partei, muss aber einen schmerzlichen Verlust von rund 6,4 Prozent gegenüber der letzten Bürgerschaftswahl hinnehmen. Die Grünen schnellen dagegen auf 24, 2 Prozent hoch, was mehr als eine Verdoppelung ihrer Stimmen von 2015 bedeutet. SPD-Spitzenkandidat Peter Tschentscher kündigte zwar an, mit den Grünen weiterhin zu koalieren, aber der ehemalige Finanzsenator zeigt sich auch Gesprächen mit der CDU nicht abgeneigt. Trotz des riesigen Erfolgs der Grünen haben sie ihr Ziel, stärkste Partei und mit Katharina Fegebank die erste Hamburger Bürgermeisterin zu stellen, weit verfehlt. Die CDU in der Hansestadt befindet sich an einem historischen Tiefpunkt. Mit 11,2 Prozent unterbot deren Spitzenkandidat Markus Weinberg die 2015 schon als katastrophal eingestuften 15,9 Prozent deutlich. Während die CDU noch in der Bürgerschaft sitzt, sind die Liberalen mit 4,9 Prozent aus dieser rausgeflogen – mit einer Ausnahme. Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels konnte in Blankenese ein Direktmandat holen. Damit hält sie als letzte Mohikanerin die liberale Flagge in der Bürgerschaft hoch. Auch die AfD musste zittern: Hatten sie die öffentlich rechtlichen Sender und deren Institute am Wahlabend noch lange Zeit lediglich 4,7 – 4,8 Prozent zugestanden, landete sie schließlich doch bei 5,3 Prozent.
In Harburg (Wahlkreis 16) und Süderelbe (Wahlkreis 17) schafften den Einzug in die Bürgerschaft von der SPD: Melanie Leonhard (Landesliste), Sören Schumacher (Wahlkreis Harburg) und Matthias Czech (Wahlkreis Süderelbe). Neben diesen bekannten Gesichtern ziehen erstmals als „Neulinge“ auch Claudia Loss (Landesliste) und der Hotel-Kaufman Sami Musa (Landesliste) in die Bürgerschaft ein. Eine Besonderheit: Falls Leonhard wieder einen Senatorenposten bekleidet, muss sie ihr Bürgerschaftsmandat abgeben oder ruhen lassen: In diesem Fall würde der nächste SPD-Kandidat von der Landesliste in die Bürgerschaft einziehen. Bei den Grünen machten Britta Hermann (Wahlkreis Harburg), Dr. Gudrun Schittek (Wahlkreis Süderelbe) und Miriam Block (Personenwahl/Landesliste) das Rennen. Mit André Trepoll (Wahlkreis Süderelbe) und Birgit Stöver (Wahlkreis Harburg) gelang nur zwei CDU-Kandidaten der Einzug in die Bürgerschaft. Bei der Linkspartei kam wieder Sabine Boeddinghaus (Landesliste) in die Bürgerschaft. Monika Winkler (Landesliste) und Olga Petersen (Personenwahl/Landesliste) zogen für die AfD in die Bürgerschaft ein. Diese konstituiert sich am 18. März.
Neu in der Bürgerschaft ist Claudia Loss, Fachkrankenschwester für Palliativmedizin. Nach neun Jahren in der Bezirksversammlung nun also der nächste Schritt auf dem politischen Parkett. „Sehr dankbar habe ich das gute Ergebnis bei der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft aufgenommen. Meine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Soziales, Bildung, Jugendhilfe und Gesundheit. Deshalb werde ich mich in der Bürgerschaft u.a. für eine verbesserte ärztliche Grundversorgung in städtischen Randgebieten, gesellschaftliche Anerkennung von Pflegeberufen, eine zukunftsfähige Gesundheitsstruktur und gesellschaftliche Teilhabe von Menschen bis ins hohe Alter einsetzen“, kündigte sie an. Die Förderung guter Stadtteilarbeit – „als Möglichkeit, Populismus und Fremdenfeindlichkeit zu mindern und der Vereinsamung von Teilen der städtischen Bevölkerung entgegenzuwirken“ – ist ihr ein weiteres wichtiges Anliegen. Sabine Boeddinghaus konnte ihr Mandat aus der vergangenen Legislatur verteidigen: „Die Stimmen für mich, sowohl auf der Bezirks- als auch auf der Landesliste, freuen mich und geben mir Bestätigung für meine politische Arbeit. Ich werde mich weiterhin für ein solidarisches Hamburg einsetzen, in dem jede/r ihren/seinen Platz hat. Das bedeutet konkret für mich, mein Engagement für eine sozial gerechte Schule und für ein breites Angebot der Offenen Kinder- und Jugendarbeit noch zu verstärken. Außerdem braucht der Bezirk Harburg dringend mehr bezahlbaren Wohnraum, einen besseren Ausbau des ÖPNV mit einem schlüssigen Radverkehrsnetz und deutlich weniger Lärmbelastung. Für all das werde ich in der Bürgerschaft eintreten. Versprochen!“ Nach einer anfänglichen Zitterpartie stand dann auch für Birgit Stöver fest, dass sie der Bürgerschaft für weitere fünf Jahre angehören würde: „Das Wahlergebnis auf der Landesebene ist eine bittere Niederlage für die Hamburger CDU, daran gibt es nichts zu beschönigen. Den Wählerwillen müssen wir so in seiner Klarheit annehmen. Wir haben es nicht geschafft, unsere Themen zu platzieren und für eine Wechselstimmung zu sorgen. Es kommt nun darauf an, das Ergebnis selbstkritisch und ehrlich aufzuarbeiten als auch notwendige Konsequenzen zu ziehen. Mein Dank gilt allen Wahlhelfern und meinen Wählern für ihre Unterstützung – persönlich freue ich mich, dass ich mich weiterhin für die CDU und unser Harburg in der Hamburgischen Bürgerschaft einsetzen kann.“ Nach einem sehr guten Ergebnis ist auch Sören Schumacher erneut dabei.
Neuland betritt hingegen auch Britta Herrmann, seit 2012 bei den Grünen aktiv: „Wir Grüne“, sagt sie, „haben ein außerordentlich gutes Ergebnis in Harburg, wie in ganz Hamburg erreicht. Ich freue mich sehr, dass wir im Wahlkreis Harburg als zweitstärkste Kraft hervorgehen. Es zeigt mir, dass wir Grüne die Themen der Menschen im Bezirk Harburg gut verstanden, aber auch aufgegriffen haben. Wir haben das Vertrauen vieler Menschen mit ihrer Stimme bekommen, dieses Vertrauen ist unser Arbeitsauftrag. Ich persönlich freue mich, ab jetzt unsere Harburger Themen mit in die Bürgerschaft zu nehmen, um auf erforderliche Veränderungen hinzuwirken. Große Themen sind und bleiben der ÖPNV, der Wohnungsbau, die Verkehrswende und der Kitaplatzausbau.“
Insgesamt 123 Abgeordnete zählt die neue Hamburgische Bürgerschaft, Die Mehrheitsverhältnisse sehen folgendermaßen aus: SPD 54 Sitze, Grüne 33 Sitze, CDU 15 Sitze, Die Linke 13 Sitze, AfD 7 Sitze und FDP 1 Sitz. Die Wahlkreisliste der FDP hat ein Wahlkreismandat erhalten, obgleich ihre Landesliste die Fünf-Prozent-Hürde nicht erreicht hat. Dadurch erhöht sich die Zahl der Sitze in der Bürgerschaft auf 122. Zum Erreichen der gesetzlich vorgeschriebenen ungeraden Sitzzahl wird ein weiteres Mandat hinzugefügt. Dies geht nach dem Stimmenverhältnis der Landeslisten an Die Linke. Dies ist jedoch nur ein vorläufiger Stand, denn das amtliche Endergebnis wird der Landeswahlausschuss erst am 11. März feststellen. Das weitere Prozedere sieht so aus: Noch am selben Tag verschickt der Landeswahlleiter per Kurier Briefe an alle gewählten Kandidatinnen und
Kandidaten. Ein Mandat gilt als angenommn, wenn es nicht bis zur konstituierenden Sitzung der Bürgerschaft am 18. März abgelehnt wird. Bis zur Wahl eines Ersten Bürgermeisters oder einer Ersten Bürgermeisterin und der Senatsbildung sind daher durchaus noch Mandatsänderungen und Nachrückerinnen und Nachrücker in der Bürgerschaft zu erwarten.