„Da lassen wir die Finger davon!“

CDU - CDU-Fraktionsvorsitzender Malte Kanebley pocht auf die Einhaltung des Vertrages mit dem Bund.

„Da lassen wir die Finger davon!“

Waldsiedlung: SPD distanziert sich von Projekt

Über ein Jahrzehnt war sich die Politik in Neu Wulmstorf beinahe grundsätzlich einig, dass als Gegenentwurf zum Hamburger Neubaugebiet NF-66 (heute Fischbeker Heidbrook) eine Waldsiedlung mit rund 60 hochwertigen Einfamilienhäusern und großen Grundstücken bis zu 3300 Quadratmetern auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz entstehen sollte. Aber mit der Sitzung des Bauausschusses am 8. Mai gehört dieses Projekt wohl der Vergangenheit an. Grund: Nach den Ausführungen von Experten zu den Aspekten „Faunistische Erfassung, Faunistische Potenzialabschätzung und spezielle artenschutzrechtliche Prüfung“ hat sich mit der SPD bereits die größte Fraktion im Gemeinderat gegen die Waldsiedlung ausgesprochen. Ausschlaggebendes Moment wären laut SPD-Ratsherr und Bau-Ausschuss-Vorsitzenden Thomas Grambow die gravierenden und kostenintensiven Maßnahmen zum Schutz der Tiere gewesen. Laut Grambow habe es schon längere Zeit Bedenken gegen die Waldsiedlung in seiner Partei wegen der Zerstörung der Natur gegeben. Mit den Gutachten seien sie so groß geworden, dass die SPD sich gegen das Projekt entschieden habe.
Bauchschmerzen bereiteten den Genossen laut Grambow folgende Passagen im Gutachten: „Zur Vermeidung von Verstößen gegen die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote (§44 BNatSchG) sind umfangreiche Maßnahmen notwendig. Da das Plangebiet in unmittelbarer Nähe lokal bedeutender Laichgewässer liegt, wird es zweimal pro Jahr von einer großen Zahl von Amphibien (darunter der streng geschützte Moorfrosch) durchwandert. Ohne Vermeidungsmaßnahmen wären aus zahlreichen Gründen (Straßenverkehr, Kellerschächte, Katzen und Hunde, Bordsteinkanten usw. als Hindernisse, …) hohe Verluste bei der Frühjahrswanderung und bei der Abwanderung der Amphibien von den Laichgewässern zu erwarten. Um diese Verluste während der Wanderungen zu minimieren, ist es notwendig, die Amphibien möglichst um das Wohngebiet herumzuleiten. Dazu wird eine fest installierte Leiteinrichtung halbkreisförmig um das geplante Wohngebiet herumgeführt. Zudem sind Vermeidungsmaßnahmen innerhalb des zukünftigen Wohngebietes, Maßnahmen zum Schutz der Laichgewässer und ggf. auch Maßnahmen während der Bauphase notwendig.“ Und weiter: Für Reptilien würden zwei Maßnahmenflächen an der Ostgrenze des Plangebietes sowie habitatverbessernde Maßnahmen in etwa 450 Meter südöstlich gelegenen Offenflächen vorgesehen. Durch eine zeitliche Begrenzung der Baufeldräumung zwischen dem 1.10. und dem 28.02. würden Verluste bei Brutvögeln und Fledermäusen vermieden, führten die Referenten aus. Weitere Vorschläge ihrerseits waren: „Vorhandene Nester hügelbauender Ameisen werden vor dem Beginn der Bauarbeiten umgesiedelt. Eine insektenfreundliche Beleuchtung im entstehenden Wohngebiet und an den Zufahrtstraßen vermindert die Beeinträchtigung von Insekten- und Fledermauspopulationen in der Umgebung. Als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme werden in mindestens zwei Waldbereichen mit vorhandenem Altholzbestand östlich des Plangebietes Gruppen von Fledermaus-Nistkästen angebracht, wobei sowohl Spalten- als auch Höhlenkästen Verwendung finden. Um die ökologische Funktion der betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten für Vögel und Fledermäuse im räumlichen Zusammenhang trotz der flächigen Waldumwandlung langfristig zu erhalten, werden in der Nähe des Eingriffsgebietes vorhandene Waldbestände aufgewertet. Ziel ist die Entwicklung totholzreicher und höhlenreicher, relativ lichter Bestände, in denen sowohl für zahlreiche Brutvogelarten als auch für die Wälder besiedelnden Fledermausarten ein hohes Angebot potenzieller Fortpflanzungs- und Ruhestätten sowie ein reiches Nahrungsangebot vorhanden ist.“
Angesichts dieser Ausführungen seien die Investoren laut Grambow nicht begeistert gewesen. Für den SPD-Politiker sei jedoch klar, dass die Kosten für diese Schutzmaßnahmen zu hoch wären. Zudem fragt Grambow, wer denn nach einer möglichen Realisierung dieser Vorkehrungen die Überprüfung übernehme. Vor diesem Hintergrund lautete die SPD-Entscheidung: „Da lassen wir die Finger davon!“ CDU-Fraktionsvorsitzender Malte Kanebley könne zwar die Bedenken der SPD nachvollziehen, käme aber trotzdem zu einem anderen Ergebnis. Für die CDU wäre die Waldsiedlung keine Herzensangelegenheit, aber man habe mit dem Bund 2004 einen Vertrag abgeschlossen. Kanebley: „Abgemacht ist abgemacht. Wir halten uns an Verträge“. Er frage sich, was nun mit dem Gebiet passiere, das dem Bund gehöre. Der SPD schreibe er ins Stammbuch, dass sie ihr „komisches Gebaren“ vor sich selbst verantworten müsse. UWG-Fraktionsvorsitzender Jan Lüdemann befürchtet wie Kanebley Schadensersatzforderungen. Er frage die SPD, was ein möglicher Ausstieg die Gemeinde Neu Wulmstorf koste. Auch Lüdemann zeigt über das SPD-Verhalten erstaunt: „Kurz bevor der Zug losfährt, nicht die Fahrkarte zu bezahlen, ist schlecht.“
Inwieweit wirkt sich das Gutachten eigentlich auf den Fischbeker Heidbrook aus? Der RUF fragte bei der IBA nach. „Die beiden Gebiete „Waldsiedlung Neu Wulmstorf“ und Fischbeker Heidbrook lassen sich nicht vergleichen, da es sich beim Fischbeker Heidbrook um eine Konversionsfläche eines ehemaligen Kasernengeländes handelt. Die frühere Kasernennutzung und die dadurch hervorgerufene Flächenversiegelung wirkten sich sogar nachteiliger aus als die heutigen Nutzungen als naturverbundenes Wohnquartier.
Wir haben Ihnen die entsprechenden Hinweise als dem Umweltbericht des Gebietes herausgesucht. Der Umweltbericht (Teil der öffentlichen Begründung zum B-Plan NF66) stellt zusammenfassend fest (S. 52): Insgesamt bleiben die durch den Bebauungsplan Neugraben-Fischbek 66 hervorgerufenen Auswirkungen auf die Schutzgüter deutlich hinter den bislang zulässigen – und auch im Zuge des Kasernenbaus baulich umgesetzten – Auswirkungen gemäß der Bebauungspläne Neugraben-Fischbek 18 und des Baustufenplans Neugraben-Fischbek zurück. Dies ist vor allen Dingen mit der Tatsache begründet, dass der Anteil versiegelter Flächen in der Planung deutlich geringer ist als bei der vormaligen Kasernennutzung (ca. 9 ha). Für die durch die Konversion des Areals betroffenen Arten stellt der Umweltbericht weiter (S. 51 f.) fest: Unter Berücksichtigung der bereits durchgeführten Vermeidungs-, Minderungs- und vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen für die im Plangebiet vorkommenden faunistischen Besonderheiten (Fledermäuse, Schleiereule, Mauersegler und Blauflüglige Ödlandschrecke) können artenschutzrechtliche Betroffenheiten ausgeschlossen werden“, erklärte die Leiterin Kommunikation und Marketing, Anke Hansing.