Zerstörung oder Diebstahl von Wahlplakaten ist Angriff auf Demokratie

mk -Auch der SPD-Co-Fraktionsvorsitzende Frank Richter musste den Verlust oder die Beschädigung von zahlreichen Wahlplakaten verkraften

Zerstörung oder Diebstahl von Wahlplakaten ist Angriff auf Demokratie.

Hausdurchsuchungen bei der SPD sorgen für Aufsehen.

Politik sei ein schmutziges Geschäft, heißt es im Volksmund polemisch. Wer die Schlagzeilen über die Harburger SPD in den letzten Wochen liest, wird schnell an diese Aussage erinnert. Dass es seit der überraschenden Wahl von Oksun Karakus im Sommer 2022 zur alleinigen Vorsitzenden des Kreisvorstandes (die damals gesetzten Kandidaten Ronja Schmager und Sören Schumacher fielen mit Pauken und Trompeten durch) im Machtgefüge der Harburger SPD gewaltig knirscht, wird immer wieder (auch parteiintern) kolportiert. Gegenüberstehen sollen sich laut gut informierten Kreisen angeblich eine Gruppierung um den aktuellen Co-Fraktionsvorsitzenden Frank Richter und das Lager der Kreisvorstandsvorsitzenden Karakus. Letztere könne sich laut Insidern aus parteitaktischen Gründen aber nicht mehr voll auf ihren Rückhalt verlassen. Deshalb sitze Karakus zwischen allen Stühlen und müsse nun lavieren, so die Kenner der Materie. Dass sich der Gegensatz der Lager nicht positiv auf das tagespolitische Geschäft, erst recht nicht auf den Wahlkampf zur Bezirksversammlung am 9. Juni auswirkte, konnte jeder politisch interessierte Zeitgenosse merken. Da wurde munter über bestimmte Mitglieder des jeweils anderen Lagers gelästert. Da gab es zwei SPD-Wahl-Infostände, beispielsweise im Neugrabener Zentrum (von jedem Lager einer) gleichzeitig. Da wurde die Rechtmäßigkeit der Aufstellung von Kandidaten zur Bezirkswahl in bestimmten SPD-Distrikten in Abrede gestellt. Abgehoben wurde darauf, dass bei diesen als Organisationswahlen bezeichneten Vorgang, zum ersten, aber auch zum letzten Mal ungewöhnlich viele Mitglieder vor allem mit Migrationshintergrund erschienen und einen eher kaum in Erscheinung getretenen Kandidaten auf die vorderen Listenplätze bugsierten, während die favorisierten Kandidaten das Nachsehen hatten. Alles nicht schön, aber alles spielte sich größtenteils im Rahmen der üblichen Machtkämpfe ab.
Aber im Vorfeld der Bezirkswahl eskalierte die Situation. Die Wahlplakate des SPD-Spitzenduos, Richter und Natalia Sahling, wurden reihenweise entweder beschädigt oder geklaut. Dass es zu Vandalismus während des Wahlkampfes kommt, ist leider normal, aber dieses Ausmaß bei zwei Politikern auf Bezirksebene ließ aufhorchen. Das Ergebnis der Harburger Bezirkswahl rückte diese Geschehnisse zunächst in den Hintergrund, bis vor Kurzem NDR 90,3 in diesem Zusammenhang über Hausdurchsuchungen, die das Amtsgericht Hamburg veranlasst habe, berichtete. Zwei 17-Jährige seien auf frischer Tat dabei ertappt worden, wie sie Wahlplakate von Richter und Sahling entfernten. Daraufhin habe das Amtsgericht Durchsuchungen bei den mutmaßlichen Tätern veranlasst. Zwei Wohnungen von Mitgliedern des Harburger SPD-Fraktionsvorstandes seien ebenfalls von der Polizei aufgesucht worden. Zwischenzeitlich vertritt ein Anwalt die Interessen der beiden jungen Männer. Deren Anwalt kritisiert das angeblich unverhältnismäßig harte Vorgehen der Polizei gegenüber den Teenagern. Zugleich unterstellt er einigen „deutschen“ und „deutsch-stämmigen“ SPD-Mitgliedern indirekt Rassismus gegenüber türkisch-stämmigen Mitgliedern. Mit der Anzeige wolle man wohl bezwecken, so der Anwalt, dass keine „türkischstämmig erfolgversprechenden“ Mitglieder der SPD Harburg auf aussichtsreiche Listenplätze vor der kommenden Bürgerschaftswahl 2025 kämen, teilte der Anwalt mit.
Vor diesem Hintergrund fragte der Neue RUF beim SPD-Führungsduo Richter/Sahling nach einer Stellungnahme. Sahling erklärte gegenüber dem RUF, dass circa 200 Wahlplakate von Richter und ihr tatsächlich zerstört oder entfernt worden seien. In ihrem Fall seien vor allem Plakate an der B73 sowie in Hausbruch und Neuwiedenthal betroffen gewesen. Im Ganzen seien es bei ihr rund 60 Plakate gewesen. Bei diesen Nacht- und Nebel-Aktionen sei auch für sie ein erheblicher Schaden entstanden. Einerseits in finanzieller Hinsicht, da sie viele hochwertige Hohlkammerplakate benutzt habe, die sie im Gegensatz zu Richter persönlich bezahlen musste. Andererseits, weil es einen Angriff auf die Demokratie sei. Sie lasse sich ihr Recht auf freie Ausübung ihres Mandates nicht nehmen. Deshalb hätten Richter und sie Anzeige gegen unbekannt in fünf Fällen gestellt. Als die vermeintlichen Täter gefasst worden waren, musste sie den Antrag auf Strafverfolgung unterschreiben. Dabei habe sie auch die Namen der mutmaßlichen Täter gelesen, die ihr unbekannt gewesen wären. Die Namen klangen nicht türkischstämmig, aber typisch deutsche Namen seien es auch nicht gewesen, sagt Sahling. Die Co-Fraktionsvorsitzende verwahrt sich vehement dagegen, dass ihre Anzeige rassistisch motiviert gewesen sei. Richter und sie wussten schließlich nicht, wer für die Taten verantwortlich war. Jetzt als Opfer in die rechte Ecke gestellt zu werden, empfinde sie als ungerecht, kritisiert Sahling. Diese merkt übrigens an, dass der NDR nicht mit ihr über die Anzeige und Hausdurchsuchungen gesprochen habe. Darüber hinaus nerve sie auch die Kritik an den Behörden und der Polizei. Die haben ihren Job getan, so Sahling. Sie hoffe, dass die SPD-Fraktion in der Bezirksverwaltung aus dieser Angelegenheit herausgehalten wird und sich nun ihrer Arbeit widmen könne.