Soul-Kitchen-Halle soll abgerissen werden

Soul-Kitchen-Halle soll abgerissen werden.

Kulturschaffende entsetzt über Entscheidung.

„Mit der Vermarktung des Grundstücks würde folgerichtig der Abbruch der Soul-Kitchen-Halle einhergehen.“ – Es ist genau dieser an Nüchternheit nicht zu übertreffende Satz in der sechs Seiten langen Drucksache 22/16495 des Hamburger Senats vom 8. Oktober dieses Jahres, der in Wilhelmsburg hohe Emotionen auslöst. Konkret bedeutet er nämlich: Die legendäre Soul-Kitchen-Halle soll abgerissen werden!
Die Lagerhalle in der Industriestraße, gegenüber der großen Spedition Hellmann, genießt seit Fatih Akins Film „Soul Kitchen“ aus dem Jahr 2009 Kultstatus in Wilhelmsburg und darüber hinaus. Hier wurde nicht nur der bekannte Film gedreht, hier haben unzählige Wilhelmsburger und Hamburger nächtelang getanzt, gechillt, diskutiert und vieles mehr. 2013 war Schluss damit, die ‚Soul Kitchen‘ wurde wegen Einsturzgefahr geschlossen. Ideen, was man mit der ehemaligen Lagerhalle machen könne, gab es viele, umgesetzt wurde allerdings nicht eine. So sollte die Soul Kitchen und das Gelände Teil des sogenannten „Kulturkanals“ in Wilhelmsburg werden (der Neue RUF berichtete). Aber auch der lässt auf sich warten, die Pläne liegen anscheinend gut versteckt in der Behördenschublade.
Anträge aus der Politik, die Halle und das Gelände endlich einer Nutzung zuzuführen, gab es in den vergangenen Jahren einige, die letzten sind aus September 2023. Laut Stellungnahme des Senats habe man durchaus verschiedene Optionen geprüft, um die Halle zu erhalten: unter anderem eine Umsetzung oder einen Teil des Gebäudes in einen Neubau integrieren. Doch das sei alles zu teuer, zu unsicher. Kurzum: Die Tage der Soul-Kitchen-Halle sind gezählt.
Die Entscheidung löst hamburgweit Entsetzen aus. Mathias Lintl, Kulturschaffender aus Wilhelmsburg und Betreiber der Soul-Kitchen-Halle, findet klare Worte. „Vor knapp zehn Jahren haben wir unser Konzept zu ,Soulvillage‘ in einer öffentlichen Anhörung im Stadtplanungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft vorgestellt und dem Senat zur Kenntnis gebracht. Zuletzt habe ich vor über 600 Tagen bei einer öffentlichen Anhörung im Kulturausschuss der Bürgerschaft zum Thema ,Zukunft der Live-Musik durch integrierte Stadtentwicklung‘ eine Befassung mit unseren Vorschlägen angemahnt. In all diesen Jahren kam es zu keinem konstruktiven Gespräch mit dem Besitzer, der Freien und Hanstadt Hamburg. Das dokumentiert: Die Stadt wollte die Angelegenheit aussitzen und hoffte, dass die Winterstürme die Arbeit der Verwaltung und Politik macht und die kleine Halle platt macht. Leider taten Stürme dem Senat nicht den Gefallen und legten die Halle darnieder. Nun muss der Eigentümer, die Finanzbehörde, selbst Hand anlegen. Überall in Deutschland, ob München, Köln oder Berlin, hätte man sich über eine lebendige Filmkulisse gefreut, die tatkräftig das kulturelle und gesellschaftliche Leben eines Viertels befördert. Überall wären Wege gesucht worden, dieses zu verstetigen. Nur nicht in Hamburg, nur nicht in Wilhelmsburg, wo der noch amtierende Geschäftsführer der Sprinkenhof als Verwalter klarstellte: ,Kultur geht mir am Arsch vorbei. Am Ende des Tages zählen nur die Zahlen‘. Der Hamburger Senat hat dem nie widersprochen und sein Nichtstun bestätigte diese Auffassung. War klar, dass es so weit kommt. Es ärgert mich sehr, das die Stadt nicht erkannt hat, welchen Schatz an Kreativität und Gemeinsinn die Halle als Ort bedeutete!“ Der guten alten Zeiten willen fordert Lintl nun: „Der Tanzboden hat viele Feste erlebt. Als Hommage an die schöne, wilde Zeit soll er eine neue Heimat finden an einem neuen, geselligen Ort, wahrscheinlich in Neubaugebiet auf der ehemaligen Wilhelmsburger Reichsstraße. Wir fordern, uns wenigstens dies zu ermöglichen.“
Für Norbert Hackbusch, kulturpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft, ist der Abriss der Soul Kitchen ein Schlag für Hamburgs Kulturleben: „Und wieder fügt der Senat dem Buch ‚Abrissstadt Hamburg‘ ein weiteres Kapitel hinzu. Vor zehn Jahren gab es das große Versprechen vom Kulturkanal – das ist dann jetzt wohl die Abwicklung dieser hehren Ziele. Dabei muss uns allen doch klar sein: Hamburg braucht dringend mehr kulturelle Flächen – und nicht deren Abriss! Für die vielen Kulturaktivist*innen in Wilhelmsburg ist das ein Schlag ins Gesicht und für Hamburgs Kulturpolitik ein Armutszeugnis.“
Sonja Lattwesen, Wilhelmsburger Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete, ist „die Soulkitchen-Fläche ein Sehnsuchtsort für den Stadtteil, der gleichzeitg dem Stadtteil nicht zur Verfügung steht. Mit der Drucksache begründen die Behörden gegenüber Bürgern und Politik, dass sie am Industriegebiet dort festhalten und keine Planänderungen zugunsten von Gastronomie oder Kultur erfolgen sollen. Das bedaure ich sehr, aber auch das war absehbar. Was dort zukünftig entsteht, ist weiterhin ziemlich offen. Die zukünftige Nutzung darf wegen der Wohnortnähe weder knallen noch stinken und wegen der vorhandenen Logistik kaum zusätzlichen Verkehr erzeugen. Das ist gut, dass das mal aufgeschrieben wurde. Interessant wird also, wer sich unter diesen Voraussetzungen ansiedelt. Am besten wären Betriebe, die so offen gegenüber dem Stadtteil sind, dass sie zum Beispiel außerhalb der Kernzeiten auch eine Produkttestung oder andere Öffnung ihres Betriebes anbieten. Für diesen Premium-Ort wäre das angemessen.“