Krankenhaus Groß-Sand wird geschlossen.
Wilhelmsburger MVZ nicht betroffen.
Nun also doch: Das Wilhelmsburger Krankenhaus Groß-Sand wird geschlossen, teilte das Erzbistum Hamburg vergangenen Dienstagnachmittag mit. Noch vor einem Jahr hieß es nach Gerüchten um eine mögliche Schließung auf Nachfrage des Neuen RUF, es würden weiterhin Verkaufsgespräche mit einer ökumenischen Bietergemeinschaft geführt. Die Schließung verpackt das Erzbistum in eine positive Botschaft: „Für das Krankenhaus Groß-Sand beginnt eine neue Phase: Nach Jahren struktureller Unsicherheiten, Entwicklungen in der Gesundheitspolitik sowie intensiven Bemühungen um einen Verkauf an einen anderen Träger wurde jetzt ein umfassender Transformationsprozess eingeleitet. Im Mittelpunkt stehen dabei die Menschen – die Beschäftigten, die Patientinnen und Patienten – und das gemeinsame Ziel, eine verlässliche und moderne Gesundheitsversorgung für Hamburg zu sichern“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Bereits Mitte Juli dieses Jahres sollen die Chirurgie und die Notaufnahme geschlossen werden, im nächsten Jahr ist dann ganz Schluss. Die Spezialgebiete Geriatrie und Neurologische Frührehabilitation sollen perspektivisch an das Katholische Marienkrankenhaus Hamburg überführt werden, wofür derzeit moderne Räume am Marienkrankenhaus geschaffen werden. Bis dahin verbleibt die spezialisierte Einrichtung am Standort Groß-Sand.
Wichtig für viele Wilhelmsburger: Das Medizinische Versorgungszentrum Groß-Sand (MVZ) mit diversen Hausärzten und Orthopäden ist laut Erzbistum nicht von der Schließung betroffen.
Auch nach der Schließung des Krankenhauses soll aber weiterhin eine medizinische Versorgung am Standort stattfinden, denn: Das Erzbistum plant, die Liegenschaften des Standorts an die Freie und Hansestadt zu veräußern.
Am aktuellen Standort in Wilhelmsburg sei durch die Freie und Hansestadt Hamburg perspektivisch der Aufbau einer modernen Stadtteilklinik vorgesehen. Dieses in Hamburg bisher einzigartige Projekt befinde sich aktuell in der Planungsphase. Das Erzbistum Hamburg unterstütze bereits seit einiger Zeit die zuständige Behörde bei den Planungen für die Um- und Neubauten am Standort. Ziel sei es, künftig verschiedene ambulante, teilstationäre und präventivmedizinische Angebote zu bündeln – und so eine wohnortnahe, integrierte Versorgung für Wilhelmsburg und angrenzende Stadtteile sicherzustellen. Dieses moderne Versorgungskonzept wurde am Standort Groß-Sand bereits im Rahmen des Projekts „STATAMED“ mit Erfolg erprobt. Das konkrete Leistungsangebot der zukünftigen Stadtteilklinik werde in enger Abstimmung mit den verantwortlichen Institutionen und unter Berücksichtigung der lokalen Bedarfe entwickelt.
„Wir haben heute nach dem gestrigen Beschluss des zuständigen Verwaltungsrats der Trägerpfarrei St. Maximilian Kolbe zuerst die Mitarbeitervertretung (MAV) sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die anstehenden Veränderungen informiert. Uns ist bewusst, wie viel Geduld und Vertrauen dieser Weg allen Beteiligten abverlangt hat. Umso wichtiger ist es uns, mit den Menschen in Wilhelmsburg nach vorne zu schauen. Wir übernehmen am Standort Groß-Sand weiter Verantwortung, mit einem klaren medizinischen Profil und einer spezialisierten Versorgung, die wir gezielt weiterentwickeln. Dabei werden auch schmerzhafte Entscheidungen notwendig – etwa die Schließung einzelner Bereiche -, weil die dauerhaft hohen Defizite eine grundlegende Neuausrichtung erfordern. Dadurch schaffen wir die Voraussetzungen für eine tragfähige Zukunft – medizinisch, wirtschaftlich und für die Menschen im Stadtteil. Ich bin dankbar, dass wir gemeinsam mit dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, mit Senatorin Melanie Schlotzhauer sowie den Verantwortlichen der Sozial- und der Finanzbehörde eine tragfähige Lösung gefunden haben. Für Wilhelmsburg und für Hamburg ist das ein zukunftsfähiges Versorgungsmodell“, so Alexander Becker, Verwaltungsdirektor des Erzbistums Hamburg.
Ein Großteil der Arbeitsplätze und medizinischen Leistungen blieb auch im Zuge der strukturellen Neuausrichtung erhalten – entweder im Rahmen der spezialisierten Einrichtung oder in den neu entstehenden Strukturen der Stadtteilklinik. Für die betroffenen Mitarbeiter, deren bisheriger Arbeitsplatz entfällt, stünden interne Bewerbungen mit vereinfachten Verfahren und Beteiligungsmöglichkeiten innerhalb der Katholischen Kliniken offen. Ziel sei es, vorhandene Kompetenzen zu sichern und neue berufliche Perspektiven zu eröffnen, so das Erzbistum weiter.
Die Nachricht sorgte nicht nur in Teilen der Wilhelmsburger Bevölkerung für ein Beben, sondern auch auf politischer Ebene. „Die Abwicklung des Krankenhauses Groß-Sand ist ein schwerer Schlag für die Gesundheitsversorgung im Hamburger Süden – und ein politisches Versagen. Als Linke haben wir mehrfach Anträge in die Bürgerschaft eingebracht und Wege aufgezeigt, wie die Stadt einsteigen könnte, um das Krankenhaus mit einem tragfähigen Konzept zu erhalten – zumal das UKE längst gezeigt hat, wie eine städtische Übernahme funktionieren kann. Dass der Senat jetzt nicht mal bereit ist, für eine sektorenübergreifende Versorgung die Verantwortung zu übernehmen, um mit einer Stadtteilklinik eine bedarfsgerechte, interdisziplinäre Grundversorgung für den Stadtteil Wilhelmsburg sicherzustellen, ist völlig unverständlich“, erklärt dazu Deniz Celik, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft.
Für die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen ist die Entscheidung des Bistums unzureichend – sie fordern ein Ende der jahrelangen Unsicherheit für Beschäftigte und Stadtteil. Um die Gesundheitsversorgung in Wilhelmsburg zu erhalten und weiterzuentwickeln, setzen sich die Fraktionen für eine zukunftsorientierte Entwicklung des Standortes Groß-Sand und ein neuartiges Behandlungs- und Versorgungskonzept ein. Über den rot-grünen Antrag entscheidet die Hamburgische Bürgerschaft am 18. Juni. Dazu Claudia Loss, Harburger Bürgerschaftsabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Hamburg: „Das Erzbistum Hamburg setzt mit seinen Plänen die jahrelange Hängepartie für die Klinikbeschäftigten und die Menschen in Wilhelmsburg fort. Das wird seiner Verantwortung für den Standort und die Beschäftigten nicht gerecht. Es ist dem Bistum weder gelungen, ein tragfähiges und wirtschaftliches Betriebskonzept aufzusetzen, noch Investoren für den Standort zu gewinnen. Dabei hatte der Senat potenziellen Investoren jederzeit Unterstützung für ein zukunftsfähiges Betriebskonzept zugesichert und dafür bis zu 20 Millionen Euro Investitionsmittel bereitgehalten. Letztlich lag es einzig und allein in der Verantwortung des Erzbistums, eine tragfähige Lösung zu erreichen. Das Bistum muss den Wilhelmsburger:innen erklären, warum ihm dies nicht gelungen ist. Wir erwarten, dass sich das Erzbistum nun an einer schnellen, nachhaltigen und sozialverträglichen Lösung für den Stadtteil, die Beschäftigten und die Auszubildenden beteiligt. Groß-Sand muss langfristig ein wichtiger Standort für die Gesundheitsversorgung bleiben“.
Die CDU-Bürgerschaftsfraktion hingegen begrüßt die Entscheidung der Stadt, die Liegenschaft des bisherigen Krankenhauses Groß-Sand zu erwerben, um dort eine Stadtteilklinik zu errichten. Die medizinische Versorgung für zehntausende Wilhelmsburger müsse weiterhin gewährleistet bleiben, wobei eine wirtschaftlich tragfähige Lösung im Mittelpunkt stehe. „Die Schaffung einer neuen Stadtteilklinik in Wilhelmsburg ist eine Chance, die Versorgungsstruktur zu erhalten und gleichzeitig zukunftssicher zu gestalten. Wichtig ist jedoch, dass der Betrieb der Klinik transparent und wettbewerblich ausgeschrieben wird, damit langfristig eine qualitativ hochwertige und wirtschaftlich tragfähige Versorgung sichergestellt wird. Die Stadt muss ihrer Verantwortung gerecht werden und die richtigen Weichen stellen. Die finanziellen Risiken für die Steuerzahler müssen gering gehalten und die Interessen der Beschäftigten sowie der Patientinnen und Patienten gewahrt werden. Als CDU-Fraktion werden wir den Prozess weiterhin konstruktiv begleiten und darauf achten, dass die Stadtteilklinik mit einem tragfähigen Konzept umgesetzt wird, das eine qualitative Versorgung in den Mittelpunkt stellt“, so Christin Christ, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion.