„Kennt jede archäologisch interessante Urne im Landkreis Harburg persönlich“

„Kennt jede archäologisch interessante Urne im Landkreis Harburg persönlich“.

Zum 80. Geburtstag von Wulf Thieme.

Eine Würdigung von Dr. Rüdiger Articus:
Den Lesern des Harburger Kreiskalenders ist der in Buchholz lebende Archäologe Wulf Thieme, der am 3. November seinen 80. Geburtstag feiern kann, seit 1985 kein Unbekannter. Mit über 20 Beiträgen hat er seitdem die Leserschaft über seine Ausgrabungen, die er als Verantwortlicher für die Bodendenkmalpflege des Helms-Museums für den Landkreis Harburg durchgeführt hat, sachkundig und allgemein verständlich informiert. Aber auch über ältere archäologische Sammlungen und Funde sowie über die Geschichte archäologischer Forschung im Landkreis konnten die Leser Informatives aus seiner Feder lesen. Seit fast 50 Jahren hat er mit nahezu 400 Aufsätzen und Einzelbeiträgen als Archäologe alter Schule in archäologischen Fachzeitschriften (Hammaburg NF, Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Die Kunde NF, Studien zur Sachsenforschung, Archäologie in Niedersachsen), Ausstellungskatalogen, Festschriften und Ortschroniken wesentlich zur Erforschung der Ur- und Frühgeschichte der Metropolregion Hamburg beigetragen. Sein Hauptarbeitsgebiet aber war der Landkreis Harburg. Sein 2006 zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand erschienenes Schriftenverzeichnis verzeichnet 341 Arbeiten, zu denen bis heute über 50 weitere Beiträge erschienen sind. Von Ruhestand kann also keine Rede sein. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte waren und sind die vorrömische Eisenzeit, die römische Kaiserzeit, die Völkerwanderungszeit und das frühe Mittelalter. Als intimer Kenner der Gegend sind ihm natürlich auch andere Perioden der Menschheitsgeschichte im hiesigen Raum vertraut.
Mit zahlreichen populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen in Form von Faltblättern, Zeitungsartikeln, Beiträgen in Heimatzeitschriften und mit Ausstellungen und in Vorträgen hat er immer wieder für Verständnis für die Arbeit der Bodendenkmalpflege geworben, und bei der Bevölkerung weitgehende Akzeptanz für archäologische Belange erreicht. Gar nicht so wissenschaftlich trocken sind dann mitunter die Titel und Texte seiner Arbeiten: Pferde schmecken, Pferdefleisch und andere Köstlichkeiten, Am Brunnen vor dem Dorfe, Silber in Wüstenhöfen, Eine Straße der Toten entlang der Luhe, Wir hatten doch eine Schulsammlung? u. ä. In diesem Sinne war er auch ein gefragter Mitarbeiter für eine ganze Reihe von Ortschroniken des Landkreises. Ein Harburger Journalist schrieb anlässlich seiner Verabschiedung als Bodendenkmalpfleger: „Wulf Thieme, von dem es heißt, er kenne jede archäologisch interessante Urne im Landkreis persönlich, ist ein museales Urgestein – wenn dieser Begriff erlaubt ist.“ So unrecht hatte dieser nicht.
Nicht ganz so bekannt ist, dass er auch einiges zu archäologischen Komplexen auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg geforscht und geschrieben hat. Manche dieser Arbeiten sind an etwas Stelle publiziert. Wer sich für die Ur- und Frühgeschichte einzelner Hamburger Stadteile interessiert, muss so z. B. seine umfassenden archäologischen Erläuterungen zu den vom Geologischen Landesamt Hamburg herausgegebenen geologischen Karten einzelner Hamburger Stadtteile (u. a. Fuhlsbüttel und Wandsbek) studieren, im Rahlstedter Jahrbuch nachschauen oder die Ortschronik von Rissen studieren.
Die Menschen der Vorzeit kannten noch keine Kreisgrenzen, und so konnten auch die Archäologiekollegen und Heimatforscher der Region südlich der Harburger Kreisgrenzen seiner Mitarbeit sicher sein, was sich in manchem Beitrag von ihm in dortigen Publikationen widerspiegelt.
Zurzeit ist er mit der endgültigen Publikation der Ergebnisse seiner Ausgrabungen des frühmittelalterlichen Gräberfeldes Wulfsen beschäftigt. Einzelne besondere Funde daraus hatte er über die Jahre hinweg schon im Vorwege publiziert. Möge ihm dieses große Werk gelingen! Darüber hinaus ist er wie zu seinen Dienstzeiten als Bodendenkmalpfleger immer noch im Gelände präsent. Man sieht ihn als Kreisbeauftragten für Bodendenkmalpflege mit seinem Auto durch die Lande fahren, auch im Naturschutzgebiet (er darf das!), um aufmerksamen Auges und mit archäologischem Blick nicht nur die Belange der Archäologie, sondern auch die des Naturschutzes wahrzunehmen. Wer ihn dort trifft, lernt einen freundlichen Herrn mit trockenem, hanseatisch geprägten Humor kennen, es sei denn, dass sich einer nicht um Denkmal- und Naturschutz schert. Dann kann das „museale Urgestein“ auch mal ungemütlich werden.