„Kein Termin beim Arzt? Was kann die Lokalpolitik tun?“

SPD -Norbert Eckhardt Klaus-Wilfried Kienert (Vorsitzender des Ausschusses für Soziales und Integration im LK Harburg) Manfred Lohr (ASG SPD Unterbezirk) und Tobias Handtke (v.l.n.r.) engagieren sich für eine bessere medizinische Versorgung

„Kein Termin beim Arzt? Was kann die Lokalpolitik tun?“.

Infoveranstaltung der SPD am 25. September.

Dass die etablierten Parteien nicht die Probleme „des kleinen Mannes“ wahrnehmen, ist ein häufiger Vorwurf. Die Neu Wulmstorfer SPD straft diesen Vorwurf Lügen mit der Info- und Diskussionsveranstaltung am 25. September ab 19.30 Uhr im Kartoffelhaus „papas“. Unter dem Titel „Hilfe! Kein Termin beim Arzt? Was kann die Lokalpolitik tun?“ nimmt sich die SPD eines Themas an, das der Bevölkerung unter den Fingernägeln brennt. Da fügt es sich gut, dass mit dem Allgemeinmediziner Norbert Eckhardt ein Fachmann referiert, der überdies noch in die SPD eingetreten ist. „Die SPD Neu Wulmstorf sieht, wie viele Bürgerinnen und Bürger, eine zunehmend schlechter werdende Ärzteversorgung in der Region. Auf Landkreisebene und im Gemeinderat wurden Anträge gestellt, die sich mit alternativen Modellen beschäftigen. Natürlich können wir immer auf die höheren politischen Ebenen und Zuständigkeiten – wie Land und Bund – verweisen, aber damit können und wollen wir uns nicht zufrieden geben“, erklärt der Vorsitzende der SPD-Gemeinderats- und Kreistagsfraktion, Tobias Handtke.
Für die SPD vor Ort sei klar, dass dieses Thema eine zentrale Frage der zukünftigen kommunalen Daseinsvorsorge darstelle. „Wir freuen uns, dass an diesem Abend neben Norbert Eckhardt auch unser Ratsmitglied Thomas Goltz und unser Bürgermeister Wolf Rosenzweig zu den Möglichkeiten und bisherigen Initiativen berichten“, betont die Ortsvereinsvorsitzende Rosy Schnack.
Eindrucksvoll wären die Erfahrungserlebnisse von Eckhardt, der neben seiner Praxis auch viele Jahre für die kassenärztliche Vereinigung gearbeitet habe. Mit diesem Fundus an Wissen und eigenen Erfahrungen wolle er sich stark machen für die Patienten in unserer Region, heißt es seitens der Genossen..
„Auf der Suche nach einem Hausarzt erleben vor allem neu zugezogene Bürgerinnen und Bürger eine Odyssee. Woche für Woche müssen mein Praxisteam und ich Menschen mit Behandlungswunsch enttäuschen. Das tut in der Seele weh“, sagt Hausarzt und Sozialdemokrat Eckhardt. „Gleichwohl werde ich von Pflegeheimen immer wieder gebeten, der Hausarzt von zugezogenen Patientinnen und Patienten zu werden, was nicht möglich ist. Mehr als arbeiten können auch Mediziner nicht.“ So gehe es auch den Kollegen in der Gemeinde und im Kreis, weiß Eckhardt zu berichten. Seiner Meinung nach wird sich das durch die neuen Gesetze von Bundesgesundheitsminister Spahn nicht ändern. „Da wurde erneut nur viel Bürokratie erzeugt“, resümiert Eckhardt.
Aber woran krankt das Ganze? Als Lehrarzt hat Eckhardt regelmäßig Kontakt zum Nachwuchs. Außerdem sei einer seiner Söhne gerade Arzt geworden und ein zweiter studiert Medizin. „Ich kann aus persönlicher Erfahrung bestätigen, was viele Autoren feststellen“, sagt Eckhardt. Die Wünsche an den Beruf haben sich geändert. Geregelte Arbeitszeiten, mehr Zeit für die Familie, sich nicht bis zum Ende der Erwerbstätigkeit auf einen Arbeitsplatz festlegen zu müssen, und der Wunsch, nicht mit betriebswirtschaftlichen Belangen zu tun zu haben, passt nicht zu den Anforderungen einer Tätigkeit in selbstständiger Praxis“, weiß der Arzt zu berichten.
So wundert es nicht, dass es schwierig sei, Nachfolger für Praxisinhaber zu finden. Das sei besonders brisant, da in den nächsten zehn Jahren etwa 50 Prozent der Hausärzte in Rente gehen. Auf den Punkt gebracht: Die Spezialisten hängen hier um fünf Jahre hinterher. Im Landkreis Harburg sind 25 freie Hausarztsitze nicht zu besetzen. Die nach der Bedarfsplanung vorgesehen Arztzahlen pro Einwohner liegen schon jetzt in einzelnen Regionen des Landkreises nur knapp über der Grenze zur Unterversorgung, so Eckhardt.
Ähnliche Schwierigkeiten erleben die Bürger, wenn sie einen Termin beim Spezialisten brauchen. Zum Teil monatelange Wartezeiten seien die Realität von heute. Im Bereich der Spezialisten bestehe laut Bedarfsplanung eine Überversorgung. Warum bekommt man trotzdem keinen Termin? Es sei zu fragen, ob der in den 90er-Jahren als Kostendämpfungsinstrument und nicht als Versorgungsstandard eingeführte Bedarfsplan bei alternder Bevölkerung tatsächlich zeitgemäß wäre. Die Antwort lautet: Nein. Deshalb wurde dieser auch vor Kurzem angepasst. Ob diese zusätzlichen Niederlassungsmöglichkeiten das Problem lösen, sei fraglich. Mehr Ärzte zaubern diese Möglichkeiten nicht her. Einig seien sich alle mit der Versorgung von Patienten Betrauten, die Kassenärztliche Vereinigung und viele Experten, dass sich auch bei den Spezialisten nicht genug Interessenten für eine Praxisübernahme aus eben den genannten Gründen finden werden. Finanzielle Anreizsysteme seien anderorts gescheitert und hätten nicht den Erfolg gebracht, den man sich erhofft hat, erläutern Handtke und Eckhardt. „Sinn würde es machen, die Arbeitswelt den nachvollziehbaren Wünschen der neuen Generation anzupassen. Dieses könnte mit kommunal getragenen Gesundheitszentren mit angestellten Ärztinnen und Ärzten erfolgen. Der Gesetzgeber hat dazu die Möglichkeiten geschaffen. In Bayern soll dieses großflächig umgesetzt werden. Warum nicht genauso hier?“, fragt Eckhardt.