„StoP – trau Dich, Wilhelmsburg!“.
Projekt gegen Gewalt in Partnerschaften.
Der laute Streit zwischen Mann und Frau aus der Nachbarwohnung ist unüberhörbar, dann ein lautes Poltern, ein Schrei, anschließend ist vielleicht sogar ein Wimmern zu hören: Viele Menschen sind sich in so einer Situation unsicher, wie sie sich verhalten sollen. Die Polizei rufen, selber hinübergehen und nach dem Rechten sehen oder aber gar nichts tun, denn was geht mich der Streit der Nachbarn an, das ist doch privat? – „Bei Gewalt ist das keine private Sache mehr“, ist Abeba-Sium Kiflu ganz klar in ihrer Haltung. Die 53-Jährige leitet seit Ende 2019 das Projekt „StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt“ (StoP) Wilhelmsburg. StoP setzt da, an wo häusliche Gewalt passiert: am Wohnort, der Nachbarschaft. Ziel des Projektes ist es, die Nachbarschaft durch Informations- und Aufklärungsarbeit, Veranstaltungen, Ausstellungen oder öffentlichkeitswirksamen Aktionen für die Anzeichen von häuslicher Gewalt zu sensibilisieren, die Isolation und das Schweigen zu brechen, praktische Unterstützung zu geben sowie die Interventionsbereitschaft und die Zivilcourage zu fördern und damit Gewalt zu verhindern. Mittlerweile ist das Projekt, das auf einer Idee von Prof. Dr. Sabine Stövesand von der Hochschule für Angewandte Wissenschaft in Hamburg beruht, in ganz Deutschland und Österreich vertreten. „Das Umfeld von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, ist so enorm wichtig“, erklärt Projektleiterin Kiflu. Dabei kann jeder Einzelne etwas beitragen. So könne man zum Beispiel bei einer unklaren Lage „bei den betreffenden Nachbarn klingeln und sich Sachen borgen wie Eier, Mehl oder Milch“, erklärt Abeba-Sium Kiflu. Auf jeden Fall solle man nicht weggucken, so Kiflu weiter. Diesen und viele weitere Tipps und Verhaltensweisen möchte das Projekt an die Menschen in Wilhelmsburg vermitteln.
Trotz Corona ist es Abeba-Sium Kiflu gelungen, in den vergangenen Monaten eine Nachbarschaftsgruppe von Frauen aufzubauen, die die Botschaften des Projekts in den Stadtteil tragen: die „Trau Dich Gruppe“. „Wir haben uns diesen Namen gewählt, um deutlich zu machen, dass nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Helfenden sich trauen sollen, Partnergewalt zu stoppen. Es ist eindeutig, dass Partnergewalt ohne die Unterstützung von aufmerksamen und mutigen Nachbarn, die es am ehesten und am nächsten mitbekommen, verborgen bleibt und heimtückisch das Leben und die Gesundheit des Betroffenen zerstört. Die ehrenamtliche „Trau Dich“-Nachbarschaftsgruppe ist daher bereit, die Idee von StoP im Stadtteil Wilhelmsburg zu verbreiten und andere Bewohner*innen, die sich für ein friedvolles Miteinander im Stadtteil engagieren wollen, zum Mitmachen zu animieren. Durch die Hilfestellung aufmerksamer Nachbarschaft kann die Partnergewalt, die im Verborgenen stattfindet, eingedämmt werden und Schlimmeres wird verhindert“, heißt es auf der Internetseite des Projektes. Rund neun Frauen engagieren sich ehrenamtlich in dieser Gruppe, weitere werden für den Aufbau einer neuen Gruppe gesucht. „Interessierte können sich jederzeit bei mir melden“, so Kiflu.
Auch in der Politik ist die Bedeutung des Projektes angekommen. Auf Initiative der LINKSFRAKTION Hamburg-Mitte wurde Mitte Juni dieses Jahres im Ausschuss für Sozialraumentwicklung ein interfraktioneller Antrag zur finanziellen und personellen Aufstockung der Projekte „StoP! – Stadtteile ohne Partnergewalt“ Horner Geest und Wilhelmsburg/Reiherstiegviertel beschlossen. Damit sende der Bezirk Mitte ein deutliches Signal an die Fachbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, hier auskömmliche und gesicherte Verhältnisse für diese so wichtige Arbeit zu schaffen.
„Die Pandemie hat die Menschen zum vermehrten Aufenthalt zu Hause in teilweise beengten Verhältnissen gezwungen. Die zusätzliche Unsicherheit, die das Virus ausgelöst hat, finanzielle Nöte und gesundheitliche Sorgen stellten und stellen Familien und Partnerschaften vor enorme Herausforderungen. Die Zahl der Opfer von Partnerschaftsgewalt nimmt deshalb in ganz Deutschland zu. Projekte, die sich diesem Thema widmen und wichtige sozialarbeiterische Hilfe beruht jedoch immer auf einem Vertrauensverhältnis zum Hilfesuchenden und ist deshalb auf Stabilität und langfristige Beziehungen angewiesen. Das wird nur mit unbefristeten Stellen und einer auskömmlichen Finanzierung erreicht werden können. Das muss klar sein, wenn man die Auswirkungen der Pandemie tatsächlich abmildern will“, erklärt Ina Morgenroth, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte.
Weitere Informationen zum Projekt und Kontaktmöglichkeiten unter https://stop-partnergewalt.org/wordpress/wilhelmsburg.
