„Wir müssen das Bild in der Gesellschaft ändern!“

„Wir müssen das Bild in der Gesellschaft ändern!“.

Drei Bezirkshandwerksmeister sprechen Klartext.

In Hamburg sind rund 15.000 Handwerksbetriebe gemeldet. Knapp 1.200 davon existieren im Bezirk Harburg. Dazu gehören Sattlereien und Elektrobetriebe, Nagelstudios und Maurer, Schornsteinfeger und Friseure, Klempner und Tischler, Kfz-Mechatroniker und Heizungsinstallateure, Maler und Bäcker.
Seit zwei Jahren werden all diese Harburger Betriebe vertreten durch ein Dreiergespann: Der Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärmeister René Rückert als Bezirkshandwerksmeister, Elektromeister Pascal Henning und Schornsteinfegermeisterin Steffi Jensen als Stellvertreter. Weil alle drei durch ihre eigenen Betriebe genügend eingespannt sind, haben sie beschlossen, das Ehrenamt als Bezirkshandwerksmeister gemeinsam auszuüben. Sie sind die Harburger Stimme für das Handwerk in der Hamburger Handwerkskammer. Sie sind Ansprechpartner, wenn es irgendwo Schwierigkeiten gibt. Sie wollen die Betriebe miteinander vernetzen, die Gewerke verbinden. „Als gemeinsame Interessenvertretung haben wir mehr Power, als wenn jeder Betrieb allein auftritt“, sind die drei überzeugt.
Die drei Bezirkshandwerksmeister haben sich aber auch auf die Fahnen geschrieben, das Image des Handwerks in der Gesellschaft wieder zu verbessern. Dazu gehört es, ihre Berufe bei Veranstaltungen in Schulen, auf Jobmessen oder beispielsweise beim Binnenhafenfest zu präsentieren. Doch letztlich müsste in der Gesellschaft ein Umdenken stattfinden, sagt René Rückert. „Alle Menschen brauchen Handwerker. Aber viele Jahre lang haben Eltern ihren Kindern eingeschärft, dass man nur als Akademiker in der Welt etwas werden kann. Wir wünschen uns ganz speziell von der Politik, dass das Handwerk mehr gefördert wird“, so Rückert weiter. Als Beispiel nennt er die staatliche Förderung von Studierenden. „Die Studenten zahlen ihre Studiengebühr, und sie müssen natürlich irgendwie für ihren Lebensunterhalt während des Studiums sorgen. Aber wenn ein Handwerker beschließt, seine Meisterprüfung zu machen, hat er entweder die Wahl, das in einem vierjährigen Abendkurs zu machen. Das hält kaum jemand durch. Alternativ geht er ein Jahr zur Schule. In dieser Zeit kann er aber nicht im Betrieb arbeiten, bekommt also auch kein Gehalt. Dafür muss er aber einige tausend Euro für den Meisterkurs bezahlen und dafür erhebliche Rücklagen bilden. Das ist doch nicht fair.“
Das Handwerk müsse mehr Aufmerksamkeit bekommen, ist auch Pascal Henning überzeugt und spricht auch gleich die nächsten Herausforderungen für Handwerker an. So sei der Verkehr in Hamburg mit den vielen Baustellen der „absolute Wahnsinn“ und auch das Thema Bürokratie würde regelmäßig für Unmut bei den Kollegen sorgen. „Wenn ich mir ansehe, was ich alles ausfüllen muss um der Dokumentationspflicht nachzukommen, das ist völlig irre“, so der Elektromeister. „Die Zeit, die ich hier investiere, fehlt an anderer Stelle. Kein Wunder, dass die Kunden oft lange warten müssen.“
Ein drittes großes Problem für das Handwerk sei der fehlende Nachwuchs. Aktuell sind in der Lehrstellenbörse der Handwerkskammer Hamburg insgesamt fast 1.300 freie Ausbildungsplätze verzeichnet. 360 sogar noch für dieses Jahr. (Angebote unter www.lehrstelle-handwerk.de). Dabei könne man das Interesse durchaus wecken. „Wir erleben es immer wieder, dass Jugendliche ein Praktikum in einem Handwerksbetrieb absolvieren und anschließend so begeistert sind, dass sie sich um eine Lehrstelle bemühen“, berichtet Steffi Jensen. „Ich würde mich auch freuen, wenn mehr Frauen ins Handwerk kommen. Es gibt kaum noch einen Beruf, der körperlich zu schwer für eine Frau ist. Inzwischen sind die meisten Betriebe so technisiert, dass man gar keine schweren Dinge mehr heben muss. Und alles andere können Frauen ebenso gut. Und krisenfest sind die meisten Jobs auch: Schornsteinfeger, zum Beispiel, werden immer gesucht. Zumal wir inzwischen mehr Energieberater sind. Ohne uns würde es die Energiewende gar nicht geben.“
René Rückert ergänzt: „Was wir können, kann keine KI ersetzen. Die Gehälter sind richtig gut im Handwerk. Wer sich anstrengt, kommt leicht auf ein Gehalt in Höhe von 50.000 bis 60.000 Euro oder mehr im Jahr.“
Gemeinsam betonen die drei Bezirkshandwerksmeister zum Abschluss noch einmal, dass sie das Gespräch mit Politik suchen.