Wichtiger Baustein oder rückschrittliche Mogelpackung?

Die für die Testreihe benötigten 13 Tonnen Ammoniak wurden von der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) aus den Vereinigten Arabischen Emiraten geliefert und am Terminal Altenwerder von der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) umgeschlagen Foto: Aurubis

Wichtiger Baustein oder rückschrittliche Mogelpackung?.

Aurubis testet blauen Ammoniak.

Da streiten sich die Geister: Ist blauer Ammoniak ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität oder eine rückschrittliche Mogelpackung aus fossilen Quellen? Fakt ist: Vergangene Woche hat der Kupferproduzent Aurubis gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck und Dr. Sultan Al Jaber, Klimabeauftragter und Minister für Industrie und Hochtechnologie der Vereinigten Arabischen Emirate, gemeinsam mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher, HHLA-Vorstand Torben Seebold und Aurubis-CEO Roland Harings ein Pilotprojekt in Betrieb genommen, das den industriellen Einsatz von blauem Ammoniak als Brennstoff testet.
„Wir wollen klimaneutral produzieren – und das deutlich vor 2050. Ammoniak kann ein wichtiger Baustein in der Wasserstoff-Lieferkette sein, um dieses Ziel zu erreichen“, erklärte Aurubis-CEO Roland Harings. Das Multimetall-Unternehmen betreibe heute schon das effizienteste und nachhaltigste Hüttennetzwerk weltweit, so das Unternehmen in einer Pressemitteilung. „Mit dem Pilotprojekt unterstreichen wir unsere Vorreiterrolle bei der Dekarbonisierung unserer Industrie. Und wir zeigen: der Aufbau einer blauen und in Zukunft grünen Ammoniak-Wertschöpfungskette zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten ist nicht nur theoretisch möglich, sondern funktioniert auch praktisch.“
Die für die Testreihe benötigten 13 Tonnen Ammoniak wurden von der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) aus den Vereinigten Arabischen Emiraten geliefert und am Terminal Altenwerder von der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) umgeschlagen. Die Lieferung erfolgte als Teil der Anfang des Jahres vertieften Wasserstoffkooperation zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Deutschland. Im Rahmen der Reise von Wirtschaftsminister Dr. Habeck nach Abu Dhabi hatten Aurubis und ADNOC den Abnahmevertrag abgeschlossen. Bei der achtwöchigen Testreihe wird fossiles Erdgas teilweise durch emissionsarmes Ammoniak in der Drahtanlage ersetzt. Ist das Pilotprojekt erfolgreich, könnten durch den Einsatz allein im Hamburger Aurubis-Werk jährlich bis zu 4.000 Tonnen CO2 eingespart werden.
Kritik kommt vom BUND Hamburg, die das ganze Vorhaben als eine rückschrittliche Mogelpackung aus fossilen Quellen bezeichnet. Diese Technologie sei deutlich schädlicher als die direkte Verbrennung von Erdgas und sogar von Kohle und werfe ein verheerendes Licht auf die Energiewende in Hamburg. „Die Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas verbraucht enorme Mengen an Erdgas nicht nur für das Endprodukt, den Wasserstoff, sondern auch für den Herstellungs­prozess unter hohem Druck und hoher Hitze. Dazu kommt der Energieverlust für die Umwandlung von Wasserstoff in Ammoniak für den Transport sowie für die CO2-Abscheidung und unterirdische Speicherung“, so Lucas Schäfer, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg. Damit solle das CO2 zwar der Atmosphäre entzogen werden, letztlich sei die Nutzung von „blauem Wasserstoff“ aber ein technologischer Rückschritt, der die Ausbeutung fossiler Rohstoffe sogar noch beschleunige.
Studien der Universität Stanford hätten belegt, dass bei der Herstellung von „blauem Wasserstoff“ je nach Produktionsstandort bis zu 3,5 Prozent Methan entwichen. Die Klimawirkung von Methan sei über 80-mal stärker ist als jene von CO2. Das mache „blauen Wasserstoff“ um mehr als 20 Prozent klimaschädlicher als die direkte Verbrennung von Kohle oder Erdgas. „Hamburg macht den Weg frei für neue fossile Abhängigkeiten von einer hoch klimaschädlichen Technologie, noch bevor eine klare Priorisierungs- und Bedarfskonzeption für den Einsatz von Wasserstoff in der Hamburger Industrie erstellt wurde“, kritisiert Lucas Schäfer.
Der BUND fordert eine konsequente Beschränkung der Wasserstofftechnologie auf wirklich „grünen“, aus erneuerbaren Energiequellen hergestellten Wasserstoff. „Aber erst wenn alle Möglichkeiten der Einsparung sowie der effizienten Nutzung ausgeschöpft sind und ausreichend Strom aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht, ist die sündhaft teure Verwendung von Wasserstoff vertretbar“, so Schäfer.