Umbenennung kann nur ein erster Schritt sein.
Kontroverse um Albert-Schäfer-Weg geht weiter.
In der Ausgabe vom 1. Februar berichtete der RUF in dem Artikel „Albert Schäfer nicht mehr Namensgeber für Weg“ über die Debatte in der Bezirksversammlung zur Umbenennung des Albert-Schäfer-Wegs in Eißendorf. Die Kommission zum Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg hält die Umbenennung für geboten, und das wurde auch mehrheitlich von der Bezirksversammlung 2023 beschlossen (der Neue RUF berichtete). Inzwischen versuchte die CDU, diesen Beschluss zu kippen. Im genannten Artikel nimmt die SPD-Fraktionsvorsitzende Natalia Sahling dazu umfassend Stellung. Am 8. Februar gab es gleich zwei Leserbriefe, die diese Position kritisierten und unterstellten Sahling und auch der Zeitung schlechte Recherche mit Verweis auf ein Dokumentarspiel des NDR. Doch damit wird der Schreiber weder Sahling, noch dem RUF gerecht, meint der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Henning Reh.
Der SPD-Politiker betont, dass das in den Leserbriefen zu Albert Schäfer geäußerte Anliegen im Prinzip berechtigt sei. Inhalte müssen in ihrem Wahrheitsgehalt prüfbar sein. Doch die von Sahling geäußerte Position, so Reh, sei historisch begründet und belegt. „Nicht durch ein ‚Rettungs-Narrativ‘, das Schäfer, Wegbegleiter und auch Familienmitglieder bereitwillig fortbestehen ließen und auch nährten. Dies vermutlich nicht unbedingt bei jedem wider besseren Wissens, doch passte es irgendwie so schön in die Geschichte, dass es in dieser schrecklichen Zeit der deutschen Geschichte auch die vielen ‚Guten‘ gegeben hat. Ja, die gab es wirklich, doch Schäfer zu ihnen zu zählen, vermag die Geschichte nicht zu belegen. Dieses Narrativ ist auch Kern der Produktion ,Hamburg 1945 – Wie die Stadt gerettet wurde‘ des NDR, die als Beleg angeführt wird“, führt Reh aus. Dabei handele es sich laut Reh mitnichten um eine Dokumentation, vielmehr um ein „Dokumentarspiel“, wie der NDR auch selber angibt. Ein Teilabschnitt Schäfers Wirkens wird hier in einem Wechsel aus nachgespielten Szenen mit nicht belegten – im Wesentlichen wohl fiktiven – Aussagen Schäfers und anderer Protagonisten mit rückblickenden und zumeist das Narrativ verstärkenden Aussagen von Familienmitgliedern Schäfers und weiteren Wegbegleitern nachgezeichnet, erläutert Reh.
Premiere hatte der Beitrag im Frühjahr 2015 im Albert-Schäfer-Saal der Handelskammer, deren Präses Schäfer nach dem Krieg war und damit auch Teil ihrer langen Geschichte.
Inzwischen habe der Saal einen anderen Namen bekommen und nenne sich schlicht „Forum“. Die Handelskammer habe damit Konsequenzen aus neueren Forschungsergebnissen zu Schäfer gezogen. Auch das Werk „Ein ehrbarer Kaufmann? Albert Schäfer, sein Unternehmen und die Stadt Hamburg 1933-1956“ des Hamburger Historikers Dr. Sebastian Justke wurde in der Handelskammer, im damals immer noch nach Albert Schäfer benannten Saal, in Anwesenheit auch der Kinder und Enkelkinder Schäfers, vorgestellt, erinnert sich Reh.
In der Pressemitteilung der Kammer lautet es unter anderem: „Die (…) Studie zeichnet anhand des Beispiels von Albert Schäfer nach, wie Unternehmer den Wandel in der NS-Zeit und die jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Umstände jederzeit für ihre unternehmerischen und persönlichen Zwecke zu nutzen wussten. Es wird sichtbar, wie Unternehmer nicht nur in Hamburg, sondern der gesamten Bundesrepublik, ab dem Ende der 1940er-Jahre viel Energie, Zeit und auch Geld darauf verwendeten, das bei den Alliierten, aber auch in der deutschen Öffentlichkeit bestehende Bild der Unternehmer als ,Kriegsgewinnler‘ oder sogar ,Kriegsverbrecher‘ durch das positive Bild der Unternehmer als unpolitisch und nur dem wirtschaftlichen Fortschritt und dem Gemeinwohl verpflichtet zu ersetzen. Das Selbstbild, das die Unternehmen vermarkteten, zeigte diese zum einen als Opfer des Nationalsozialismus, zum anderen als sozial orientierte und gesellschaftlich verantwortlich handelnde Kraft.“
Die Umbenennung des Saals wäre ein daraus konsequent abgeleiteter und vor allem richtiger und anerkennenswerter Schritt der Handelskammer, und die Lektüre des Werks von Justke sei auf erschütternde Weise erhellend und genügt wissenschaftlichen Standards vollumfänglich – anders als ein in weiten Teilen geschichtsverzerrendes Dokumentarspiel, sagt Reh.
Bereits im Februar 2022 habe die vom Senat eingesetzte Kommission zum Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg die Umbenennung von elf Straßen und Plätzen, darunter der Albert-Schäfer-Weg in Eißendorf empfohlen. In ihrem Abschlussbericht lautete es: „Mit der Benennung einer Straße nach einer Person soll die Leistung dieser Person in besonderer Weise ehrend gewürdigt werden. Eine Ehrung in dieser Form ist nicht mehr haltbar, wenn das Handeln der Person die heutigen Wertvorstellungen in eklatanter Weise verletzt (…). Nach erfolgter Umbenennung sollte auf einem Erläuterungsschild auf die ,Biografie‘ der Straße und die Gründe für die Umbenennung hingewiesen werden.“
Weiter komme laut Reh die Kommission zu der Einschätzung: „Schäfer war als Vorstandsvorsitzender verantwortlich für den Zwangsarbeitereinsatz bei den Phoenix-Werken. Mit den Zweigwerken in Riga und Prag, in denen jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, beteiligte sich das Unternehmen aktiv an der nationalsozialistischen Ausbeutungspolitik in den besetzen Gebieten in Osteuropa. Schäfer betrieb die ,Arisierung‘ der gemeinsam mit seinem jüdischen Geschäftspartner Max Goldschmidt gegründeten Firma Metallgummi GmbH und leistete nach 1945 erst Wiedergutmachung, als Goldschmidt diese erstritt.“
Dabei blieb in der Kommission auch die Vita Schäfers zum Kriegsende und nach 1945 nicht unbeachtet. Sie konstatierte in der Kurzvita Schäfers: „Bei Kriegsende maßgeblich beteiligt bei der Übergabe Hamburgs an die britischen Truppen“.
Im Rahmen der Kommissionsarbeit wurde deutlich, dass ein starrer Kriterienkatalog für die Einordnung der Biografie einer möglicherweise NS-belasteten Person nicht sinnvoll erscheine. Vielmehr muss es jeweils eine Einzelfallprüfung und kritische Einordnung der Biografie der Person geben, nach der eine Straße benannt wurde oder benannt werden soll. Dieser kritischen Einordnung sei die Kommission gefolgt und zu dem Schluss gekommen, dass der Albert-Schäfer-Weg umbenannt werden soll. „Dieser Einordnung ist die Handelskammer gefolgt und hat den Albert-Schäfer-Saal umbenannt, dieser Einordnung ist die Bezirksversammlung bereits 2023 gefolgt und habe auf Antrag der Fraktionen der SPD und DIE LINKE mehrheitlich die Umsetzung der Umbenennung und die Durchführung von Informationsveranstaltungen dazu beschlossen.“ „Dieser Einschätzung ist die CDU allerdings nicht gefolgt und wollte den Beschluss rückgängig machen – zum Glück ohne Erfolg. Aber die Umbenennung kann nur ein erster Schritt sein. Wir können heute auch nur an den Senat appellieren, Schäfer die 1951 verliehene Bürgermeister-Stolten-Medaille abzuerkennen und an die Universität Hamburg, ihm die 1956 verliehene Ehrendoktorwürde abzuerkennen“, fordert Reh.
