Singen mit Corona – geht das?

Norbert Meyer -Halbchor 5.10.2020 oder Halbchor 12.10.2020: Unter Einhaltung der Corona-Regeln macht Singen nur wenig Spaß!

Singen mit Corona – geht das?.

Shantychor „De Windjammers“ hat schwer zu kämpfen.

„Wir leben heute knapp acht Monate mit Corona – oder besser: wir leiden seit knapp acht Monaten durch Corona!“ Mit diesem Satz begrüßte der im August neu gewählte 1. Vorsitzende des Shanty-Chores „De Windjammers“ aus Neu Wulmstorf, Bernd Langner, am 28. September die aktiven Sänger und Musiker zum „Ersten Info-Nachmittag nach Corona“ in der Schießsportanlage des Schützenvereins Neu Wulmstorf. „Die Highlights für 2020 hätten das 30. Neu Wulmstorfer Shanty-Singen, eine mehrtägige Berlinreise mit Auftritt im Großen Sendesaal des RBB, Shanty-Festivals in Norderstedt und Hamburg, Sommerfeste in Seniorenheimen, Auftritte zu Firmenfeiern und eine Reihe Weihnachtskonzerte sein sollen. Unsere letzte Probe fand am 9. März statt.“
Nach den offiziellen Lockerungen, die für Hamburg und Niedersachsen teilweise widersprüchlich waren, beschlossen die Sänger, mit jeweils einem „Halbchor“ im 14-tägigen Wechsel unter Einhaltung der Corona-Regeln die Probenarbeit wieder aufzunehmen. Nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt in Winsen/Luhe konnte der 2. Vorsitzende, Heino von Eitzen, am 5. und 12. Oktober die Halbchöre zu Proben bitten.
Insgesamt 30 von 46 Sängern fanden sich zu den Proben ein. Schon in der ersten „Corona-Lüftungs-Pause“ bestand Einigkeit darüber, dass diese Proben ganz anders seien, als in den 32 Jahren des Bestehens des Chores zuvor. Chorleiter Jens Peikert fasst zusammen: „Unser Chor hat neben dem Musizieren für viele Aktive eine große soziale Komponente. So fehlen Treffen, Gespräche, Informationsaustausch und die Kontinuität der Zusammenkünfte; auch die Stimmen haben in den vergangenen acht Monaten Zwangspause z. T. erheblich gelitten. Das Betreten der Übungsstätte, um die uns sicher viele Chöre beneiden, mit Maske, Lüftungspausen nach jeweils 30 Minuten Probenzeit, der große Abstand zum Nebenmann, der Abstand zu den anderen Stimmen und die geringe Anzahl der Sänger in einer Stimme führt zu Unsicherheit beim Singen. Denn es kommt darauf an, den Nebenmann und die Nebenstimmen zu hören. Um gleichzeitig einzusetzen, muss man den Nebenmann Luft holen hören/sehen, auch die Lautstärke regelt der einzelne Sänger durch Kontrolle zu den anderen Sängern. Die Mehrstimmigkeit klingt nicht, wenn z. B. in einer Stimme nur drei Sänger aktiv sind und letztlich ist die Musik/Instrumente lauter als der Gesang; das wiederum ist Voraussetzung dafür, dass jeder im Saal die Musik überhaupt hören kann. Der Klangkörper Chor – so wie wir ihn kennen – ist bei „Halbchören“ nicht mehr vorhanden!“
Vor dem Hintergrund steigender Corona-Ansteckungszahlen und den Hiobsbotschaften neuer Hotspots auch in Neu Wulmstorf blieben einige Sänger aus gesundheitlichen Gründen zu Haus. Bernd Langner: „Wir alle gehören schon durch unser Lebensalter mindestens einer Risikogruppe an. Einige von uns haben Vorerkrankungen, die zu erhöhter Vorsicht mahnen. Allein die örtlich unterschiedlichen Erlaubnisse/Verbote seitens der Behörden offenbaren Uneinigkeit. Unser Landeschorverband Hamburg fragt regelmäßig bei verschiedenen Stellen nach, um verbindliche Aussagen treffen zu können. Doch die Antworten der Behörden lauten stets „ist uns nicht bekannt“, „wissen wir nicht“, „die Entscheidung liegt letztlich beim Gesundheitsamt“ oder „muss durch den Chor(vorsitzenden) selbst entschieden werden“. Allein zu den Abstandsregeln beim Chorsingen sind sich die sieben Gesundheitsämter Hamburgs keinesfalls einig und geben „2,5 Meter zwischen den Sängern“ (Harburg, Eimsbüttel), „Zehnergruppen ohne Abstand und 2,5 Meter zur nächsten Zehnergruppe“ (Mitte, Wandsbek) an oder antworten besser gar nicht (Bergedorf, Altona und Nord) auf Nachfrage. Wir haben im Vorstand lange die Argumente abgewogen und es uns nicht leicht gemacht! Wir sind keine Fachleute, sollen aber Entscheidungen treffen – und letztlich dafür geradestehen! Am Ende sind wir deshalb übereingekommen, die Probenarbeit zunächst bis zum Jahresende ruhen zu lassen. Dies ist der sicherste Weg und kommt damit allen Aktiven „Windjammers“ entgegen.“
Kassenwart Bernd Eddelbüttel ergänzt: „Obwohl ohne Auftritte keine Gagen mehr fließen, haben wir weiterhin Ausgaben, die die Chorkasse belasten. Auch wenn die Aufwandsentschädigung für unseren Chorleiter und die Miete des Übungslokals erheblich reduziert werden konnten, schmilzt die verbleibende Kasse immer weiter ab. Wie lange unser Chor, der immer sehr gut aufgestellt war, das überleben wird, kann ich nicht absehen.“
Ob ein möglicher Impfstoff gegen Corona Besserung verspricht? „Ich glaube nicht, denn die Verteilung des Impfstoffes wird sich im günstigsten Fall weit in das Jahr 2021 hineinziehen“, so Chorleiter Jens Peikert. Er fürchtet, dass die „Zwangspause“ noch eine ganze Weile anhalten wird. „Dadurch wird sich die Chorlandschaft erheblich verändern! Insbesondere Laienchöre wie unser Shantychor haben kaum Chancen, in absehbarer Zeit wieder Menschen durch Gesang zu erfreuen. Es schmerzt uns, wenn wir an die vielen Auftritte in Senioreneinrichtungen der vergangenen Jahre denken: Die Senioren hatten immer viel Spaß und Abwechselung, wenn wir dort auftraten. Das ist in absehbarer Zeit alles passé. So bleibt als Fazit: Singen mit Corona – nein, das geht gar nicht!“