Salto mortale mit verbundenen Augen

Martin Lacey Jr. und das Nashorn Tsavo ein Botschafter seiner Artgenossen.

Salto mortale mit verbundenen Augen.

Zirkus Krone: Circensische Reise um die Welt.

Drinnen prosteten sich die Premieren-Besucher mit Sekt zu, draußen taten Tierschützer ihren Unmut laut kund. Tiere im Zirkus seien heute nicht mehr zeitgemäß, so ihr Tenor. „Tiere raus aus der Mange“ skandierten sie, und für manch einen Zuschauer fühlte sich das wie Spießrutenlaufen an.
Die meisten Zirkusbesucher focht das, zumindest äußerlich, wenig an und sie erfreuten sich an einer zweieinhalbstündigen Zirkus-Show, deren Höhepunkt – um es gleich vorweg zu nehmen – der Akrobatik-Auftritt von Crazy Wilson aus Kolumbien war. Es war sein erster Auftritt nach einem Sturz vor einigen Monaten. Er schwebte auf den Flügeln des Todesrades und zeigt auf dem „Fliegenden Motorrad“ mit viel Adrenalin im Blut – und einigen Wacklern (oder war es Absicht, um das Publikum vollends in seinen Bann zu ziehen?) den gefährlichsten Ritt aller Zeiten. Auf, über und unter dem rotierenden Riesenrad sorgt Wilson Dominguez für Hochspannung pur. Kein Stunt zu ausgefallen, um nicht mit dem Entsetzen des Publikums jonglieren zu können. Mit atemberaubender Geschwindigkeit frotierte er um die eigene Achse, drehte Loopings und schlug Salti unter der Kuppel des Zeltes. Immer höher, immer schneller, immer weiter. Schließlich der Salto Mortale auf dem Außenrad in 10 Meter Höhe bei 120 km/h. Bei seinen halsbrecherischen Stunts fieberte sogar die Manege mit und das Publukum hielt den Atem an – um dann lang anhaltende standing ovations zu spenden. Wetten, dass sein Schutzengel täglich Überstunden macht?
Klassische Reitkunst, eine Augenweide für alle Pferdefreunde und Martin Lacey Jr. (Großbritannien) standen indessen für Weltrekorde und eine Sensation im Tierreich. Die neu aufgebaute größte gemischte Raubtiernummer der Welt mit 26 weißen (allen voran der Senior Baluga) und goldfarbenen Löwen und Tigern zusammen in der Manege. Eine Performance der Superlative. Der hoch dekorierte Tierlehrer präsentierte seine Tiere gewollt „wild“ und stellte deren immense Kraft und Geschicklichkeit vor. Andressierte Scheinangriffe wechseln ab mit weiten Sprüngen und dem Austausch von Zärtlichkeiten: Sogar Kuscheln mit Baluga war angesagt. Viel Applaus für den Gewinner des Goldenen und des Silbernen Clowns auf dem internationalen Circusparkett.
Fumagalli aus Italien heißt die „Legende des Lachens“. Der Spaßvogel ist ein Superstar der guten Laune, Kein Auge bleibt trocken, wenn sich der populärste Clown unserer Zeit die Ehre gibt. Der „Stan Laurel der Manege“ ist zuständig für die lauten Lacher im Programm. Die Flying Zuniga (Brasilien, Argentinien) flogen von Trapez zu Trapez und eroberten den Luftraum über der Manege. Höhepunkt aber war der legendäre dreifache Salto Mortale – und das mit verbundenen Augen!
Aus der Mongolei kamen starke Männer, schöne Frauen, folkloristische Kostüme und ein Sänger, der den mongolischen Kehlkopfgesang und die Pferdekopfgeige beherrscht. Zwölf kraftstrotzende Akteure bauten mannshohe Pyramiden, stemmen 150-kg-Gewichte in die
Luft, auf dessen beiden Kugeln noch jeweils eine Artistin thronte. Nicht zu vergessen die Ballkünste der Seelöwen. Auch der „Auftritt“ des 39 Jahre alten und dreieinhalb tonnen schweren Nashorns Tsavo soll nicht unerwähnt bleiben. Bevor es in die Manege trat, hielt die Zirkusdirektorin Jana Lacey-Krone eine sehr persönlich gehaltene Ansprache, in der sie berichtete, dass kein Zoo Tsavo haben wollte, bis sich der Circus Krone seiner annahm. Seither fungiert Tsavo als Botschafter aller Nashörner. Der Zirkus hat eine Patenschaft für ein Nashornbaby übernommen und zu Spenden für die Rettung der Nashörner aufgerufen.
Die Produktion mit dem Titel „Evolution“ im größten reisenden Circuszelt der Gegenwart mit 3.400 Sitzplätzen – eine Melange aus Optik und Akustik, perfekter Leistung und opulenter Deko sowie 54 Künstlern – ist noch bis zum 22. Oktober am Heiligengeistfeld zu Gast.