„Nur ein erster wichtiger Schritt“

W. Marsand -Ist es mit der Idylle im Falle einer Öffnung der Alten Süderelbe in ein paar Jahren vorbei?

„Nur ein erster wichtiger Schritt“.

Forum Tideelbe befürwortet Öffnung der Süderelbe.

Das Forum Tideelbe hat die Ergebnisse seiner vierjährigen Arbeit am 30. September im Beisein des Senators für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft, Jens Kerstan, und weiterer Vertreter aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und des Bundes vorgelegt. In den gemeinsamen Empfehlungen betont das länderübergreifende Gremium die Notwendigkeit, die Dynamik der Tide wieder einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Ebbe und Flut anzunähern. „Denn: Menschliche Eingriffe (u.a. Fahrrinnenanpassungen, Ausbau von Häfen, Eindeichungen) haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der Flutstrom im Verhältnis zum Ebbstrom stärker geworden ist. Dieses Missverhältnis der Tide sorgt für einen Überschuss an Sedimenten, der die Zugänglichkeit zu den Häfen an der Unterelbe genauso gefährdet wie die ökologisch wertvollen Lebensräume der Tideelbe. Aufgabe des Forums war es, Lösungen zu finden, die diese nachteilige Tidedynamik positiv verändern – und gleichzeitig wieder mehr ursprüngliche Tide-Lebensräume an der Unterelbe schaffen“, heißt es in einer Pressemitteilung der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft.
Im Mittelpunkt standen dabei Maßnahmen, die dem Fluss mehr Raum geben sollen. Das Forum hat insgesamt über 20 dieser Projektideen entlang der Tideelbe sondiert. Im Rahmen einer Vorauswahl wurden fünf Maßnahmen für eine vertiefte Betrachtung vorgeschlagen. Für drei dieser Maßnahmen beauftragte das Forum Tideelbe separate Machbarkeitsstudien – konkret: für die Wiederanbindung der Alten Süderelbe, der Haseldorfer Marsch und der Dove-Elbe an die Tideelbe. Für diese Maßnahmen ermittelten die Studien Aussagen zu deren Wirksamkeit auf das Tidegeschehen, zu deren Potenzial für die Schaffung von tidebeeinflussten Lebensräumen und zu deren technischer Machbarkeit.
Als Ergebnis hat sich herausgestellt, dass die Wiederanbindung der Alten Süderelbe, der Haseldorfer Marsch und der Dove-Elbe an den Hauptstrom allesamt technisch machbar seien. Die Wirkungen der Maßnahmen würden jedoch unterschiedlich ausfallen: „Eine Wiederanbindung der Alten Süderelbe würde im Vergleich die größte hydrologische Wirksamkeit in der Tideelbe erzielen. Ein Wiederanschluss der Haseldorfer Marsch hätte das Potenzial, die Tideelbe ökologisch in besonderem Maße aufzuwerten. Eine Wiederanbindung der Dove-Elbe würde eine positive lokale Wirkung auf die Tidedynamik primär im Bereich der Norderelbe entfalten“, erklärt das Forum Tideelbe. Während die Maßnahme Dove-Elbe auf der Ebene der Machbarkeitsstudie in ihrem Layout bereits weitgehend ausgestaltet werden konnte, seien bei den Maßnahmen Haseldorfer Marsch und Alte Süderelbe noch Potenziale für eine Optimierung vorhanden. Das Forum Tideelbe empfehle daher, diese beiden Maßnahmen in einem nächsten Schritt noch detaillierter zu prüfen. Deutlich geworden sei aber auch: Die vom Forum empfohlenen Maßnahmen würden die hydrologischen und ökologisch nachteiligen Entwicklungen in der Tideelbe nicht grundlegend ändern können. Aus diesem Grund können die Empfehlungen des Forums Tideelbe „nur ein erster wichtiger Schritt“ auf dem Weg sein, die Tideelbe zu stärken. Zusätzlich müssen Politik und Verwaltung weitere Lösungsansätze in den Blick nehmen. Dazu gehören weitere Maßnahmen zur Schaffung von Tidelebensräumen, ein nachhaltiges Sedimentmanagement sowie eine umfassende Verbesserung der Sedimentqualität im gesamten Einzugsgebiet der Elbe, so das das Forum Tideelbe. Dieses hat einen guten Rat parat: „Nun ist die Politik gefordert, über die weitere Planung und Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen zu beraten und zu befinden. Gleichzeitig muss der Dialog weitergehen. Das gilt insbesondere für den gemeinsamen Aufbau von Wissen über die Tideelbe mit ihren Nebenelben und Nebenflüssen. Dieses kontinuierlich wachsende Systemverständnis schafft die notwendige Grundlage, um den wachsenden Herausforderungen – wie etwa dem fortschreitenden Klimawandel – auch in Zukunft begegnen zu können.“
Für die Umweltverbände steht fest, dass der Elbe nur mit großflächigen Maßnahmen geholfen werden kann, wobei das dramatische Sterben der Stintpopulation nur ein Hinweis auf den desolaten Zustand des Flusses ist. Ihre Mitarbeit in weiteren Dialogprozessen knüpfen sie deshalb daran, dass sich die Bundesländer Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zumindest auf einen „Letter of Intent“ verständigen, mit dem diese Notwendigkeit anerkannt wird und dass sie verbindlich erklären, dass sie die nötige Finanzierung für die Umsetzung sinnvoller Projekte bereitstellen.
An die Adresse der Hafenverwaltung appellieren die Umweltverbände, für die fatalen Eingriffe in das Ökosystem der Tideelbe endlich Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehöre auch, mit allen Beteiligten zu sprechen, bevor man komplexe Eingriffe wie etwa das Verklappen von belastetem Hafenschlick am Rande des Nationalparks Wattenmeer umsetzen will. „Bei solchem Verhalten muss sich die HPA nicht wundern, wenn sie wieder in langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen landet“, so die Verbände. Heftige Kritik kommt vom „Aktionsbündnis Keine Öffnung der Alten Süderelbe“: „Aus Sicht der Betroffenen einer möglichen Öffnung der Alten Süderelbe wird hier der mangelnde Mut, das Offensichtliche auszusprechen, sehr deutlich: Keine der in Hamburg angedachten Öffnungsvarianten ist in der Lage, nennenswerte Effekte auf den Hauptstrom der Elbe zu entwickeln.“ Im Falle einer Öffnung der Alten Süderelbe wären die negativen Effekte hingegen verheerend. Hier würde hochwertiger Naturraum vernichtet. Rund 60 Jahre nach ihrer Abdämmung beherbergt die Alte Süderelbe als Lebensraum eine Vielzahl bedrohter Arten, deren Lebensraum komplett vernichtet werden würde. Die ökologische Auswirkung einer Öffnung ist in ihrer Entwicklung nicht kalkulierbar, die Zerstörung des vorhandenen Ökosystems jedoch ein Fakt, betont das Aktionsbündnis.
Dieses weist auch auf die angeblich negativen Folgen für den Hochwasserschutz und die Be- und Entwässerung des betroffenen Gebietes mit rund 200.000 Einwohnern im Hamburger Süden. „Der Hinweis auf technische Machbarkeiten als Alternative zu den vorhandenen und funktionierenden Systemen in diesen Bereichen rechtfertigt jedenfalls nicht den massiven Eingriff in die historisch gewachsene und funktionierende Kulturlandschaft im Einzugsgebiet der Alten Süderelbe.
Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Kosten und der minimalen Effekte ist die Öffnung der Alten Süderelbe, wie vom Forum Tideelbe untersucht, abzulehnen. Auch als Signal an die Nachbarländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach dem Motto „wir machen was, wenn ihr was macht“, ist keine der untersuchten Maßnahmen zu rechtfertigen“, so das Aktionsbündnis abschließend.