Hundert Tage StS-Schulleiter

Foto: pm -Ein Privileg: Thorben Gust ist Schulleiter in seinem Wohnort

Hundert Tage StS-Schulleiter.

Thorben Gust zieht eine erste Bilanz.

Thorben Gust kann sich noch ganz genau an den Tag erinnern, als er in der Aula der heutigen Stadtteilschule (StS) Finkenwerder sein Abiturzeugnis entgegen genommen hat. Das ist jetzt einige Tage her, denn der ehemalige Gymnasiast ist heute Schulleiter ebendieser StS. Nach 100 Tagen im Amt zieht der gebürtige Finkenwerder eine erste Bilanz. Die Umstände seines Amtsantritts waren außergewöhnlich und dürften in der Hamburger Schulgeschichte einzigartig sein: Wenige Tage, bevor der 48-Jährige Verantwortung übernahm – die Zeugnisse sollten noch ausgegeben werden und die Sommerferien beginnen – zerstörte Anfang Juli eine nächtliche Gas-Explosion den Verwaltungstrakt der Schule. Er wurde in Schutt und Asche zerlegt. Verletzt wurde angesichts der Uhrzeit niemand. In der Folge mussten zunächst die Ursachen der Explosion geklärt werden, ebenso die weitere Vorgehensweise der Schulbehörde: Abreißen oder Sanieren. In den nächsten Wochen soll die Entscheidung der Schulbehörde bekannt gegeben werden. Im Gespräch ist auch eine so genannte „große Lösung“, doch Konkretes ist noch nicht durchgesickert. Konkret ist lediglich, dass der Schulleiter aktuell ein regelrechtes Heimspiel genießt. Auch das dürfte Seltenheitswert haben: Schulleiter in seinem Geburtsort sein.
Nach der Explosion im Sommer war Improvisieren angesagt und die Schulbehörde habe schnell und verbindlich gehandelt. Allerdings: Noch heute empfängt Gust in einer ehemaligen Umkleide der Sporthalle. Zwei überdimensionale Waschbecken (für verschwitze Schüler), die man ansonsten nicht gerade in der Direktion vermuten würde, dienen als Beweis. Abgesehen von diesen Umständen ist Thorben Gust schon längst in „seiner“ Schule angekommen. Nach dem Studium der Mathematik und Soziologie auf Lehramt und Referendariat in Hamburg, hat er zunächst an drei Hamburger Schulen unterrichtet, zuletzt an der Max-Brauer-Schule, jeweils in leitenden Positionen. Mit den Jahren entwickelte sich sein Wunsch, Schulleiter zu werden. Als sich dann die Möglichkeit auf Finkenwerder ergab, schickte er seine Bewerbung ab – mit Erfolg. Das freute ihn ganz besonders, denn er bekennt: „Mein Herz schlägt für Finkenwerder“. Wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte: Er ist auch Veranstalter der Karkmess, die pandemiebedingt vorübergehend ausfallen musste und 2023 wieder stattfinden soll.
Zunächst aber hat sich Thorben Gust den Herausforderungen an seiner neuen Arbeitsstelle gestellt. Er hat darin eine „positive Herausforderung“ gesehen“, denn er sieht Schule so: „Wir wollen für die Jugendlichen eine gute Schule gestalten.“ Darunter versteht er nicht nur eine Schule, die sich über Leistungsnachweise definiert (ohne die es nicht geht), sondern als einen Ort, an dem sich Schüler gerne aufhalten. „Ich bin gut angekommen“, blickt Gust zurück und freut sich, hier auf tolle Schüler, ein ebensolches Kollegium und Elternschaft gestoßen zu sein. Sein Anspruch: „Gemeinsam wollen wir Schule gestalten.“ Eine gute Beziehung zu den Schülern mache das möglich – eine Voraussetzung, die auf Finkenwerder gegeben ist, denn hier kennt man sich – oft auch privat – auch außerhalb der Schule. Das ergibt dann auch Fragen in der Schülerschaft. Sagt man „Guten Tag, Herr Schulleiter“, oder doch eher ganz verbindlich „Moin Thorben?“ Das kann jeder halten wie er will, so der Pädagoge, der mit dem Fahrrad gerade fünf Minuten von zuhause bis zu seinem Arbeitsplatz braucht.
„Hauptsache, die Schule im Herzen von Finkenwerder ist – und bleibt – ein Ort, der auch ein Stück Heimat ist“, sagt er. Und dort fühle man sich bekanntlich wohl. Zumal wenn man man auch optimal die stressfreien Spielräume nutzt, die es in der Schule durchaus gibt, wie Gust betont, „wenn 550 Schüler und seine 70 Pädagogen alle an einem Strang ziehen.“ Das sei hier der Fall. Zur stressfreien Schule gehöre auch, „dass ich seit dem ersten Schultag ein Schulleiter zum Anfassen bin.“ Jetzt nehme man nach den ersten 100 Tagen gemeinsam Fahrt auf „um beispielsweise das seit 2021 eingeführte projektorientierte Lernen zum Erfolg zu führen.“ Thorben Gust fehlt lediglich, was allen Schulleitern fehlt: Zeit zum Unterrichten. Es bleibt lediglich Zeit für vier Stunden Mathematik pro Woche. Und dann steht in der Ecke noch ein feuerroter E-Bass. Einmal in der Woche mit Freunden so richtig fetzige Musik machen, dabei kann der Schulleiter so richtig entspannen – wenn er nicht gerade wieder in Sachen Karkmess unterwegs ist.