„Eine Frage des politischen Willens!“

Die Mitarbeiter der Poliklinik Veddel kritisieren unter anderem die Ungleichverteilung der Impfstoffe auf die Hausärzte. So standen nach ihren Angaben für die Veddel mit 4.700 Einwohnern gerade einmal in der 15. Kalenderwoche 12 Impfdosen zur Verfügung. Foto: Symbolbild torstensimon/pixabay

„Eine Frage des politischen Willens!“.

Poliklinik Veddel fordert Impf-Offensive für die Veddel.

In keinem anderen Hamburger Stadtteil sind die Infektionszahlen mit Covid-19 so hoch wie auf der Veddel. Der Zusammenhang zwischen Armut, einer generell höheren Gesundheitsbelastung und der überproportionalen Betroffenheit von der Corona-Pandemie liegt für die Mitarbeiter des Stadtteilgesundheitszentrums Poliklinik Veddel auf der Hand. Sie fordern daher für die Veddel – und andere von Armut betroffene Stadtteile – eine Impf-Offensive, um allen Bewohnern einen zügigen Impfschutz zu ermöglichen, teilte die Klinik vergangene Woche in einer Pressemitteilung mit.
Die aktuellen Zahlen des NDR zeigten es mehr als deutlich: Sozial benachteiligte Stadtteile trifft die Corona-Pandemie deutlich stärker als wohlhabende Gegenden. Die Veddel ist dabei besonders stark betroffen. „Das kommt für uns nur wenig überraschend. Die Menschen auf der Veddel leben in beengten Wohnverhältnissen, haben keine Möglichkeit zum Homeoffice und sind auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen. All das führt zu einer deutlich stärkeren Exposition“, sagt Tina Röthig. Sie ist als Sozialarbeiterin im Stadtteilgesundheitszentrum Poliklinik Veddel für die Gemeinwesenarbeit zuständig. Auch in Wilhelmsburg liegen die Zahlen deutlich über den Schnitt als in anderen Stadtteilen.
Zudem ist bekannt, dass eine Infektion mit dem Coronavirus in sozioökonomisch schlechter gestellten Stadtteilen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für schwere Verläufe einhergeht. Jonas Fiedler, Arzt und Forschungskoordinator in der Poliklinik Veddel, erklärt: „Wie der Morbiditätsatlas für Hamburg unmissverständlich zeigt, sind die Menschen auf der Veddel und in vergleichbaren Stadtteilen deutlich kränker als in besser gestellten Stadtteilen. Das erhöht natürlich das Risiko eines schweren Verlaufs.“
Seit Kurzem wird neben den Impfzentren auch in hausärztlichen Praxen gegen Corona geimpft. Doch auch hier zeige sich eine Ungleichverteilung, so die Poliklinik. Da die Dosen abhängig von der Anzahl niedergelassener Hausärzte und hausärztlich arbeitenden Internisten vergeben werden, würden unterversorgte Stadtteile wie die Veddel mit deutlich weniger Impfdosen ausgestattet als besser versorgte Stadtteile. Auf der Veddel gibt es für 4.700 Menschen nur zwei allgemeinmedizinische Kassenarztsitze. Laut Poliklinik standen in der 15. Kalenderwoche (der zweiten hausärztlichen Impfwoche) auf der Veddel ganze zwölf Impfdosen zur Verfügung.
„Die Zahlen belegen es eindeutig: Armut ist ein eigenständiger Risikofaktor für eine Corona-Infektion. Das muss bei der Impfkampagne berücksichtig werden. Die Poliklinik Veddel fordert deshalb eine Impfoffensive für die Veddel, die es allen Bewohnern der Veddel zeitnah und unbürokratisch ermöglicht, eine Impfung zu bekommen. Hierfür müssen ausreichend Impfdosen und eine entsprechende lokale Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Eine Priorisierung auf der Veddel sollte zugunsten eines umfassenden, flächendeckenden Angebots aufgehoben werden“, erklären die Mitarbeiter der Poliklinik.
„Durch unsere gute Vernetzung und Vertrauensbasis im Stadtteil können wir dann entscheidend dazu beitragen, dass sehr schnell sehr viele Menschen hier eine Impfung erhalten“, so Jonas Fiedler, einer der Ideengeber für die Impfoffensive auf der Veddel. Kolja Nolte, als Arzt in der Poliklinik vorne am Empfang tätig, ergänzt: „Eine besondere Berücksichtigung von stärker betroffenen Regionen bei der Vergabe von Impfdosen wäre kein Novum in Deutschland. Grenzregionen zu Frankreich oder Tschechien haben ebenfalls mehr Impfdosen erhalten. Letzten Endes ist es also eine Frage des politischen Willens.“