Ehrenamt – ja, aber nicht mehr so wie vor zwanzig Jahren

SPD -Zu einem Gespräch über die Angebote für Kinder und Familien in Neu Wulmstorf traf sich SPD-Landtagskandidatin Sabine Schulz-Rakowski (r.) mit Dr. Constanze Hock-Warmuth (l.) Koordinatorin Mehrgenerationenhauses Neu Wulmstorf und Vereinsvorsitzende des Trägervereins Courage e.V.

Ehrenamt – ja, aber nicht mehr so wie vor zwanzig Jahren.

Sabine Schulz-Rakowski im Gespräch mit Courage.

Zu einem Gespräch über die Angebote für Kinder und Familien in Neu Wulmstorf traf sich SPD-Landtagskandidatin Sabine Schulz-Rakowski mit Dr. Constanze Hock-Warmuth, Koordinatorin Mehrgenerationenhauses Neu Wulmstorf und Vereinsvorsitzende des Trägervereins Courage e.V.
Schulz-Rakowski ist als Sozialpädagogische Assistentin (SPA) selbst Fachfrau und wollte wissen: „Wie hat sich die Arbeit für und mit Familien während und nach der Corona-Zeit hier verändert?“ Sie hatte in ihrem Beruf in der Kita selbst festgestellt, dass sich sogar bei den Kleinkindern Verhaltensänderungen gegenüber früher bemerkbar machten. Hock-Warmuth bestätigte diese Wahrnehmung auch für ihre Tätigkeit: „Insbesondere Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen brauchen jetzt mehr Hilfen und Betreuung als früher, weil sie fast zwei Jahre lang zu wenig soziale Kontakte hatten.“ Selbst Kinder, für die die Angebote im Familienzentrum früher ein regelmäßiger Termin waren, sind leider inzwischen schwer erreichbar. Da sei wirklich viel Schaden entstanden, der nun mit vermehrter Aufmerksamkeit und Zuwendung zu beheben ist. Aber das ist keineswegs einfach, berichtet Hock-Warmuth.
Als Vereinsvorsitzende war sie vor mehr als zwanzig Jahren mit einem zahlenmäßig ausreichenden und hochmotivierten Stab an Ehrenamtlichen gestartet, um mit Courage e.V. neue Angebote für Kinder und Familien zu schaffen und um Arbeitsplätze für Frauen zu generieren. Einige Arbeitsplätze konnten eingerichtet werden, wenn auch etliche davon im Minijob-Bereich, also ohne eigenständige Altersvorsorge für die Frauen. Der Verein betreibt zwei Kitas und führt für die Kommune Migrationsberatung durch. Auch einige Beratungsangebote sind hauptamtlich besetzt.
Was nicht mehr in gleicher Weise wie früher durchgeführt werden kann, sind alle Angebote, die vom Ehrenamt getragen sind. „Da hat es einen grundsätzlichen Sichtwechsel auf beiden Seiten gegeben“, sagt Hock-Warmuth. Courage war zu Beginn weitgehend auf Selbsthilfegruppen ausgerichtet. Aber Angebote wie das Kinderwagen-Café für junge Mütter und Väter, Still- und Krabbelgruppen werden heute nicht mehr gleichermaßen wahrgenommen. Dienten solche Treffen früher dem Austausch zwischen den Eltern und der sozialen Entwicklung der Kleinen, so werden die Kinder heute fast schon im selben Alter in die Kinderbetreuung gegeben, weil beide Elternteile arbeiten gehen. „Müssen“, fügt Hock-Warmuth hinzu, denn auch hier mache sich der gesellschaftliche und finanzielle Wandel bemerkbar. Gleichzeitig seien die Anforderungen an die ehren- und hauptamtlichen Betreuungskräfte gestiegen, bis zum Teil hin zu einer Anspruchshaltung, dass sich beispielsweise die ehrenamtliche Lesepatin selbstverständlich auf den Zeitplan der Eltern einzustellen habe. Das wiederum entspricht keinesfalls dem Verständnis der heutigen Generation von Neu-Rentnern, die für solche und ähnliche Aufgaben in der Vergangenheit ihre Zeit zur Verfügung stellten. Sie wollen ihren Ruhestand selbstbestimmt genießen. Kommt dann noch dazu, dass das Lesehilfe-Kind in der Corona-Zeit die Grundsätze gegenseitiger Rücksichtnahme „vergessen“ hat, weil dies bei fehlenden Außenkontakten auch nicht abgefordert wurde, so ist ein Konflikt manchmal unausweichlich. „Es ist heute sehr schwer, Ehrenamtliche für regelmäßige soziale Tätigkeiten zu finden“, weiß Hock-Warmuth deshalb. Ein kleiner Ausgleich könne mit der Beschäftigung von „Bufdis“ (Bundes-Freiwilligen-Dienst) erzielt werden. Aber die meist jungen Menschen müssen den richtigen Umgang mit Kindern und Jugendlichen auch erst lernen. Noch schwieriger wird der Einsatz von Ehrenamtlichen im Erwachsenenbereich der Familienhilfe. „Das ist meist von eigener Betroffenheit abhängig“, berichtet Hock-Warmuth. So wurde beispielsweise die früher existierende Demenz-Gruppe aufgelöst, als die Angehörigen der beiden Initiatorinnen verstarben.
Die Schlussfolgerung der beiden Fachfrauen war, dass das Ehrenamt grundsätzlich neu aufgestellt werden müsse. Viele Aufgaben könnten heute wegen gestiegener Anforderungen im Hinblick auf die Betreuten nicht mehr ohne Vor- und Fachkenntnisse erfüllt werden. Es fehle an professioneller Arbeitsanleitung sowie an Supervisionsangeboten, denn soziale Arbeit hinterlasse auch bei den Hilfeleistenden oft Spuren, die zu bearbeiten seien. Die Ehrenamtlichen selbst seien oft nicht mehr bereit, diese Arbeit zu erbringen, die wegen gestiegener Ansprüche inzwischen über Nachbarschafts- oder Selbsthilfe hinausgeht. Andererseits würde eine professionell angeleitete und ausgeführte Arbeit ebenso gut einen angemessenen Lohn rechtfertigen. Das wäre auch für die weitere Schaffung von Arbeitsplätzen für Frauen eine gute Idee, stimmen Schulz-Rakowski und Hock-Warmuth überein. „Mit eigener Altersvorsorge“, betonen sie dazu noch deutlich.