„Das muss jetzt wachsen!“
Neuer RUF zu Besuch in der Nachfolgeunterkunft
(mk) Neugraben. Groß war die Aufregung als vor circa anderhalb Jahren die Nachricht die Runde machte, dass am Aschenland eine riesige Folgeunterkunft für Flüchtlinge. Gedacht war an ein Camp mit bis zu 3000 Personen- und das in der Nähe zum Neubaugebiet „Elbmosaik“. Nach einigen Infoveranstaltungen mit teilweise scharfem Protest seitens der Bürger formierte sich eine Bürgerinitiative gegen das Projekt. Deren Aktionen hatten Erfolg, Im Sommer 2016 unterzeichnete der Senat mit der Bürgerinitiative einen Bürgervertrag. Danach wurde für ganz Neugraben die Zahl der Flüchtlinge in Nachfolgeunterkünften auf 1500 begrenzt.
Damit veränderten sich auch die Größenordnungen. Die Nachfolgeunterkünfte am Aschenland 1 und 2 wurden kleiner. Beispielsweise sollen in der Nachfolgeunterkunft am Aschenland 2, die seit Jahresbeginn offiziell „Am Röhricht“ heißt, nur noch bis zu 700 Personen unterkommen. Peu á peu entstanden die Pavillonhäuser–zuerst noch interessiert von zahlreichen Bürgern beobachtet, später beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es ist relativ ruhig geworden um die Folgeunterkunft. Beim Eintreffen in der Nachfolgeunterkunft sieht man spielende Kinder, Jugendliche und Erwachsene telefonieren oder kommen von irgendwelchen Terminen oder Veranstaltungen nach Hause. Im Gespräch mit dem RUF erklärte Einrichtungsleiter Dr. Michael Wedler, der bislang für mehrere Erstunterkünfte des DRK verantwortlich zeichnete, dass er gerade von der Abnahme der letzten zehn Häuser komme. Mit diesen wären dann insgesamt 25 Pavillons im Betrieb. Dazu kämen noch drei weitere Gebäude (Verwaltung und zwei Gemeinschafts-Pavillons). In den nächsten Wochen soll die Belegung erfolgen.
Die ersten Flüchtlinge wären zur Jahreswende 2016/17 aus der Zentralen Erstaufnahme (ZEA) am Geutensweg gekommen, eine zweite größere Gruppe wäre von der ZEA Neuland 2 nach Neugraben umgezogen und die restlichen Flüchtlinge kämen aus anderen Harburger Einrichtungen. Größtenteils seien nur Familien in der Unterkunft am Röhricht untergebracht, erklärt Wedler, der die derzeitige Belegung mit rund 350 Personen angibt. Die meisten Bewohner stammen aus Syrien, aber auch aus Afghanistan, Iran, Irak, Palestina oder Eritrea kämen die Flüchtlinge, zählt Wedler auf. In den doppelgeschossigen Pavillons gibt es vier Wohnungen. Diese Wohnflächen unterteilen sich jeweils in drei Zimmer, Bad und Küche. Eine schlichte Kücheneinrichtung und ansonsten nur die nötigsten Einrichtungsgegenstände wie Bett, Tisch, Stühle und Vorhänge beherbergen diese Wohnungen. Am Röhricht wohnen Flüchtlinge, die über unterschiedliche Aufenthaltstitel verfügen: unbefristet, auf drei Jahre befristet oder Duldung seien dabei.
Alle diese Personen würden von der Grundsicherung leben. Der feste Wohnsitz in der Folgeunterkunft sei für die Flüchtlinge bei der Arbeitsplatzsuche von großer Wichtigkeit, sagt Wedler. In der Nachfolgeunterkunft „Am Röhricht“ gebe es einen kompletten Querschnitt durch alle Bevölkerungsschichten. Bewohner aus armen und ehemals reichen Verhältnissen, Personen mit akademischem Hintergrund, ungebildete Menschen, Flüchtlinge mit einem „normalen“ Allgemeinwissen usw. Es sei schon häufiger vorgekommen, dass Flüchtlinge ihm super-korrekt angelegte Mappen vorgelegt hätten, da könnte man nur staunen, erzählt Wedler. Diesem sei aufgefallen, dass es gegenüber den Erstaufnahmen in den Nachfolgeunterkünften viel ruhiger zugehe. Da die Flüchtlinge hier einen Rückzugsort mit ihren eigenen vier Wänden haben, könnten sie hier entspannter leben. Die Kinder gehen zur Schule, die Erwachsenen besuchen den Deutschunterricht oder würden mit Unterstützung von deutschen Helfern Behördengänge erledigen. Wieder andere Bewohner würden kochen, Arzttermine wahrnehmen oder in den drei Waschküchen ihre Kleidung säubern, beschreibt Wedler den Alltag. Da das geplante Gemeinschaftszentrum baulich nicht umgesetzt wurde, wolle man nun die Einrichtung von zwei Freizeit-Pavillons in Angriff nehmen. Eine Küche, ein Männer-Café und eine Sportecke seien schon geplant. Darüber hinaus bestünden gute Kontakte zum BGZ Süderelbe und zur Initiative „Willkommen in Süderelbe“. Zudem bekäme man nun Unterstützung vom Projekt „Frühe Hilfen“, zählt Wedler auf. Überdies verfügt die Anlage noch über einen großen Spielplatz und eine stattliche Grünfläche zum Erholen. Wedler steckt voller Optimismus: „Wir haben noch viel vor. Ich habe ein gutes Gefühl.“ Damit auch ein Draht zur Neugrabener Bevölkerung gefunden wird, findet am 25. März „am Röhricht“ eine von der steg durchgeführte Veranstaltung unter dem Titel „Nachbarschaften wachsen zusammen“ statt. Bei diesem Tag der offenen Tür könnten sich Flüchtlinge und Neugrabener Bevölkerung unter anderem näher kennenlernen und zusammenkommen, so Wedler. Dieser denkt mittelfristig: „Das muss jetzt wachsen!“