Behörden kapitulieren vor rücksichtslosen Fahrradfahrern

Fahrrad-Pendler schließen ihre Zweiräder immer wieder am Handlauf der Muharrem-Acar-Brücke ab und blockieren so den Handlauf für ältere sehbehinderte und mobilitätseingeschränkte Menschen Foto: au

Behörden kapitulieren vor rücksichtslosen Fahrradfahrern.

Zweiräder blockieren Handlauf.

Es ist jeden Tag dasselbe Bild: Die Handläufe der Muharrem-Acar-Brücke in Wilhelmsburg stehen für ältere, sehbehinderte und mobilitätseingeschränkte Menschen zu einem großen Teil nicht zur Verfügung, denn: Radfahrende Pendler, die die S-Bahn nutzen, schließen dort ihr Zweirad ab, anstatt die vor Ort zur Verfügung stehenden drei großen Abstellmöglichkeiten zu nutzen. Bekannt ist das Problem schon seit Jahren. Bereits 2013 haben Lokalpolitiker die Behörden erstmalig darauf hingewiesen, Bürgerinnen und Bürger beschwerten sich immer wieder. Auch im Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel ist das Thema immer wieder auf der Tagesordnung. Trotz Aufklebern mit Warnhinweisen, Flyerverteilung, direktes Ansprechen der Menschen vor Ort und dem Hinweis, dass die Fahrräder kostenpflicht entfernt würden: an der Situation hat sich nicht geändert.
Eine Beschwerde eines Bürgers im vergangenen Herbst an die Bezirksversammlung hat nun die Sache erneut ins Rollen gebracht. Da wird unter anderem gefordert: „Trotz Ankündigung der kostenpflichtigen Entfernung, wird das Fahrrad dort abgestellt. Die Radfahrer wissen, dass dort die Entfernung nicht vorgenommen wird. Insofern ist es auch seitens des Bezirksamtes respektlos, dort nicht einzuschreiten. Zumal die Kostenpflicht beim Bezirksamt liegt. Ich bitte die Bezirksversammlung zu beschließen, dass das zuständige Fachamt aufzufordern ist, durch ständiges Entfernen der Fahrräder vom Handlauf die Nutzung des Handlaufs zu gewährleisten. Weiterhin hat das Fachamt der Bezirksversammlung die Entfernungsintervalle mitzuteilen.“ Der Regionalausschuss stimmte den Beschwerdepunkten in der Eingabe mehrheitlich zu. Nur die Grüne-Fraktion sah ob der zu erwartenden Antworten des Bezirksamtes keinen Handlungsbedarf. Folglich wurde die Fachbehörde gebeten, die Beschwerdepunkte umzusetzen.
Bereits einmal wurden die am Handlauf angeschlossen Fahrräder entfernt, aufgrund fehlender Rechtsgrundlage aber bisher nicht wiederholt. In einer Mitteilung an den Regionalausschuss zu einem Antrag aus dem Jahr 2018 heißt es dazu: „Eine derartig gelagerte Aktion wird das Fachamt Management des öffentlichen Raumes (MR) in Zukunft nicht mehr mitverantworten beziehungsweise veranlassen, da das Fachamt MR in mehreren Fällen des Diebstahls und der Sachbeschädigung bezichtigt wurde.“
An dieser Sachlage hat sich laut Bezirksamt Hamburg-Mitte auch bis heute nichts geändert. „Das Sachgebiet Ordnungswidrigkeiten war ‚damals‘ eingebunden, gegen die vermeintlich zu unrecht abgestellten Räder vorzugehen. Es fehlte aber die Rechtsgrundlage dafür. Nach einer Aktion des Hinweisens, Warnens, Abschleppens und Einlagerns waren am Ende die meisten Räder wieder abgeholt, der Aufwand immens, und der Erfolg nicht gegeben. Eine Einsicht war nicht zu erkennen, das Abstellen von Rädern nur Stunden unterbrochen. (…) Das Verbringen der Räder durch andere als die Eigentümer wäre schon ein Eingriff in fremdes Eigentum ohne Rechtsgrundlage.
Seit dem 1. Oktober ist nun der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) für den Unterhalt der Muharrem-Acar-Brücke zuständig. Dass sich an der Situation aber nun etwas ändert, ist unwahrscheinlich. „Wie bereits in der Stellungnahme des Bezirksamts Hamburg-Mitte mit Schreiben vom 29.10.2020 ausgeführt, wäre die Beseitigung und das Verbringen eines Fahrrads durch andere als die Eigentümerinnen beziehungsweise Eigentümer als Eingriff in fremdes Eigentum ohne Rechtsgrundlage zu werten. Das gilt ebenfalls für den Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat in der Vergangenheit vielfältige Maßnahmen verfolgt, um die Situation zu verbessern. Weitere Möglichkeiten stünden auch dem LSBG im Rahmen des geltenden Rechts nicht zur Verfügung. Das Entfernen von Fahrrädern, auch wenn es an einem Ingenieurbauwerk angeschlossen ist, ist nicht den Unterhaltungstätigkeiten zuzuordnen und obliegt daher nicht dem LSBG“, antwortete die LSBG auf die Beschwerde hin.
Jörn Frommann, Wilhelmsburger CDU-Lokalpolitiker, ist empört: „Wiederholt versucht sich die Verwaltung, der Verantwortung zu entziehen. Statt auch über bauliche Änderungen nachzudenken, wird immer wieder auf die rechtliche Schwierigkeit hingewiesen, dass man die Fahrräder nur schwer entfernen kann. Das ist einfallslos! Neben dem Prädikat, Hamburgs dreckigste Fußgängerbrücke zu sein, hängt der Bahnhofsbrücke zwischenzeitlich auch der Ruf nach, dass sie Hamburgs seniorenfeindlichste Brücke ist. Die Bequemlichkeit und Ignoranz der Radfahrer kennt offensichtlich keine Grenzen. Billigend wird in Kauf genommen, dass hilfsbedürftige Menschen Schwierigkeiten haben, die Brücke zu überqueren. Die Grünen schauen dabei nur lächelnd zu und die Verwaltung ist überfordert. Ein Armutzeugnis für die Stadt!“