Auf den Weg in die Moderne gemacht

Gemeinde Neu Wulmstorf -Vor rund 50 Jahren prägten noch die gelben Gebäude von Möbel-Meyn die Szenerie am Ortseingang von Neu Wulmstorf. Heute ist an dieser Stelle unter anderem der Vollsortimenter famila beheimatet

Auf den Weg in die Moderne gemacht.

50 Jahre Einheitsgemeinde Neu Wulmstorf.

Die Kommunale Gebietsreform in Niedersachsen, die von 1972 bis 1978 als Kreisreform durchgeführt wurde, war eine politische Entscheidung des damaligen Landtages und nicht der Bevölkerung. Die damit verbundene „Auflösung“ vieler Gemeinden und die Änderung von Verwaltungsstrukturen sorgten vorweg für erhebliche Unruhe, vor allem in den ländlich geprägten Gebieten. Die bis dahin selbstständigen kleinen Gemeinden mit ihrem Traditionsbewusstsein wollten nicht in Bedeutungslosigkeit versinken und in ihrer Entwicklung eingeschränkt werden. Immerhin konnten diejenigen Gemeinden, die ihre Selbstständigkeit auf jeden Fall aufgeben mussten, die Initiative ergreifen und sich entscheiden, mit welchem „Partner“ sie eine Gemeinschaft eingehen wollten. So entstand die Einheitsgemeinde Neu Wulmstorf durch Zusammenschluss der Gemeinden Elstorf, Rade, Rübke, Schwiederstorf sowie Exklaven der Gemeinden Ketzendorf und Ovelgönne in die Gemeinde Neu Wulmstorf. Die Gemeinde Daerstorf hatte sich schon am 1. Januar 1970 der Gemeinde Neu Wulmstorf angeschlossen, nachdem sie zunächst die Enklave „Daerstorf-Bahnhof“ für 35.000 Deutsche Mark für eine Eingemeindung an Neu Wulmstorf freigegeben hatte. Letzteres bedeutete zum einen ein Plus von 72 Hektar, zum anderen konnte der Bahnhof in „Bahnhof Neu Wulmstorf“ umbenannt werden. Seit dem 1. Juli 1972 besteht die (Einheits-)Gemeinde Neu Wulmstorf also aus Neu Wulmstorf mit dem Kernort Neu Wulmstorf, Wulmstorf und Daerstorf, der Ortschaft Elstorf mit Elstorf, Ardestorf und Elstorf-Bachheide, der Ortschaft Rade mit Rade, Mienenbüttel und Ohlenbüttel, der Ortschaft Rübke und der Ortschaft Schwiederstorf. Die erste Kommunalwahl nach der Gebietsreform fand am 22. Oktober 1972 statt. Der neue Gemeinderat wählte dann Heinrich Sturke (CDU) zum – seinerzeit noch ehrenamtlichen – Bürgermeister, Chef der Verwaltung war Gemeindedirektor August Bisping. In den Jahren nach 1972 prägte rege Bautätigkeit Neu Wulmstorf: Errichtet wurde ein neues Rathaus, das den erweiterten Verwaltungsaufgaben gerecht werden konnte, neue Wohnquartiere entstanden mit Mehrfamilienhäusern, Reiheneigenheimen und Einfamilienhäusern, Straßen wurden neu angelegt, ausgebaut oder erweitert, ein Schulzentrum mit Grund-, Haupt- und Realschule, Orientierungsstufe, Gymnasium und anschließendem Hallenbad gebaut, zahlreiche Kindergärten eingerichtet. Seit 1984 gibt es mit dem Einkaufspark „Voßhusen“ eine zentrale Einkaufsmöglichkeit mit vielen Geschäften. Mit dem dritten Rathausneubau 1989 entstand ein moderner Bau für Verwaltung und Gemeindebücherei, der zusammen mit dem seit Ende 2000 bezogenen Marktplatz-Center, das Geschäfte, Gastronomie, Wohnungen und ein Pflegeheim umfasst, das Zentrum des Ortes bildet.
Das verkehrsgünstig gelegene Gewerbegebiet an der B73, unweit der Autobahn, in der Nähe zu Hamburg, das sich stetig erweitert, macht Neu Wulmstorf zu einem begehrten Gewerbestandort. Ein breites Spektrum Gewerbetreibender hat sich dort angesiedelt. Seit 1977 sorgt ein engagierter Gewerbeverein mit Veranstaltungen und Anregungen für die Belebung des gewerblichen Bereiches im Ort. Auch in den Ortsteilen ist Gewerbe vertreten, wobei es sich vorwiegend um alteingesessene Familienbetriebe handelt. Auch in den 2000er-Jahren wächst die Einheitsgemeinde Neu Wulmstorf unaufhörlich, die bei manchen Zeitgenossen sicherlich erneut die Frage aufkommen lässt, ob Neu Wulmstorf nicht doch den Status einer Stadt zugesprochen bekommen sollte. Die Anbindung Neu Wulmstorfs an die S-Bahn 2007, der dazugehörige neue S-Bahnhof und die notwendige Bahn-Unterführung von der Bahnhofstraße ins Gewerbegebiet/Wohngebiet Wulmstorfer Wiesen sind sichtbare Belege für das stetige Expandieren der Gemeinde Neu Wulmstorf. An diesem Standort wurde vor wenigen Jahren auch ein P+R Neu Wulmstorf errichtet. Bequem seinen Pkw hier abstellen und mit der S-Bahn nach Hamburg fahren – was will man mehr? In Sichtweite liegt das Wohnquartier „Apfelgarten“, das in bemerkenswerter Zügigkeit realisiert worden ist. Neue Wohnprojekte schießen in letzter Zeit in Neu Wulmstorf wie Pilze aus den Boden. Die Stichworte hierzu lauten beispielsweise „Convivo Park“ in der Bahnhofstraße, Lessinghöfe in der Fritz-Reuter-Straße oder Wulmstorfer Wiesen. Mehr Wohnungen bedeuten mehr Bürger, was wiederum mehr Infrastruktur notwendig macht. Auch hier wurden in den letzten Jahren bedeutende Projekte realisiert oder sind noch in Planung.
Mit dem Neubau des multifunktionalen Gebäudes mit Sporthalle, Veranstaltungszentrum und Ganztagsgrundschule am Moor hat Neu Wulmstorf auf den Bevölkerungszuwachs reagiert. Auch das Mehrgenerationenhaus Courage mit seinem vielfältigen Programm passt in diese Entwicklung. Weitere neue bzw. modernisierte Kitas und Schulen sind in den letzten Jahren ebenfalls dazugetreten. Mit dem umstrittenen Logistik-Park Mienenbüttel setzte Neu Wulmstorf 2009 ebenfalls ein Zeichen – der Gewerbestandort Neu Wulmstorf garantiert lebenswichtige Steuereinnahmen. Um unter anderem den immer stärker werdenden Durchgangsverkehr aus dem Zentrum Neu Wulmstorfs herauszuhalten, hatte der Bund die „B3 neu“, die die Bundesstraßen 73 und 3 westlich von Neu Wulmstorf an die A26 angbindet, dem Verkehr übergeben. Diese Trasse ist auch von Nöten, da Ende 2022 die Freigabe der Anschlussstelle der A26 in Rübke bevorsteht. Man könnte noch eine Vielzahl weiterer Projekte nennen, die aber den Rahmen an dieser Stelle sprengen würden. Eines wird aber deutlich: Mit dem Beschluss der Kommunalen Gebietsreform von 1972 hat sich Neu Wulmstorf – trotz aller Schwierigkeiten – auf den Weg in die Moderne gemacht, zu dem es aus heutiger Sicht keine Alternative gab.