Rechenzentrum der Zukunft.
Volt will grüne Server für warme Schulen und Schwimmbad.
Die Volt-Fraktion in der Bezirksversammlung Harburg setzt sich mit einem Antrag für die Ansiedlung eines energieeffizienten Rechenzentrums ein. Der Bau eines Rechenzentrums soll nicht nur die digitale Infrastruktur für Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung bereitstellen, sondern zugleich als moderne Wärmequelle für den Stadtteil dienen. Das Konzept verbinde dabei zwei zentrale Zukunftsaufgaben: Die digitale Transformation und die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. In unmittelbarer Nähe von Schulen, Schwimmbädern und Wohnquartieren könnte so ein Ort entstehen, an dem Server nicht nur rechnen, sondern auch heizen, heißt es aus der VOLT-Fraktion.
Isabel Wiest, VOLT-Fraktionsvorsitzende: „Ein Rechenzentrum, das rund um die Uhr läuft, produziert eben nicht nur Daten, sondern auch jede Menge Prozesswärme, die als erneuerbare Energie verwertet werden kann. Und wenn wir schon heiße Server haben – warum dann nicht gleich auch warme Klassenzimmer und Schwimmbecken? Das ist kein Science-Fiction, das ist einfach klug gemacht.“
Vorbild für die Initiative, so Wiest, sei ein Projekt im schleswig-holsteinischen Rellingen. Dort wird ein modernes Rechenzentrum in Kürze mit seiner Abwärme eine Schule, eine Sporthalle und Wohngebäude beheizen. Volt will dieses Modell nach Harburg holen – angepasst an die städtischen Gegebenheiten und die spezifischen Bedürfnisse im Süden Hamburgs. Die Idee dahinter sei so einfach wie wirkungsvoll: Während Serveranlagen rund um die Uhr Daten verarbeiten, erzeugen sie kontinuierlich Wärme. Diese Energie könne mit moderner Direktwasserkühlung auf einem Temperaturniveau gehalten werden, das sich hervorragend für die Einspeisung in Nahwärmenetze eigne – ganz ohne zusätzliche Wärmepumpen oder Umrüstung. Gerade in dicht besiedelten Gebieten mit hohem Wärmebedarf ergebe sich dadurch ein großer Nutzen. Daneben schaffe so ein Rechenzentrum zahlreiche hochqualifizierte Arbeitsplätze und generiere in nicht unerheblichem Maße Gewerbesteuereinnahmen, aber nahezu keine störenden Verkehre, erläutert Wiest.
Der Bedarf an leistungsfähiger IT-Infrastruktur wachse auch im Hinblick auf die Entwicklung der künstlichen Intelligenz rasant. Die Technische Universität Hamburg erweitere aktuell ihre Forschung in diesem Bereich erheblich. Gleichzeitig entstehen im ARIC-Netzwerk und im AI.Hub neue Start-ups, die auf energieintensive Rechenprozesse angewiesen seien. Auch das Großklinikum AK Harburg plane, Patientendaten, Diagnostik und Kliniksteuerung zunehmend zu digitalisieren. Schon heute nutzen viele Institutionen Serverkapazitäten außerhalb Hamburgs – häufig in Frankfurt oder sogar im Ausland. Diese Auslagerung sei nicht nur teuer, sondern mit Blick auf Datenschutz, Datensouveränität, Netzstabilität und Energieverbrauch auch problematisch. Ein leistungsfähiges Rechenzentrum vor Ort könnte diese Lücke schließen. Die erforderliche Glasfaserinfrastruktur sei bereits in vielen Teilen Harburgs vorhanden, ebenso wie die Anbindung an das Stromnetz. Durch den Betrieb mit zertifiziertem Ökostrom ließe sich die entstehende Digitalinfrastruktur zudem von Anfang an klimaneutral aufbauen, so die VOLT-Politikerin.
Neben der digitalen Komponente spiele auch die Wärmeversorgung eine zentrale Rolle in der Initiative. Mit der entstehenden Abwärme eines Rechenzentrums ließen sich wichtige Einrichtungen im Stadtteil versorgen. Ein möglicher, interessanter Standort wäre in der Nähe des Megacampus-Schulzentrums im Hanhoopsfeld, wo sich sowohl die Lessing-Stadtteilschule als auch das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium befinden. Beide Schulen könnten von der Serverwärme profitieren, gleiches gilt für die Sporthalle und die Mensa.
Auch das Bäderland-Schwimmbad an der Außenmühle, das in Zukunft wieder ganzjährig einen erheblichen Wärmebedarf für Beckenbetrieb und Lüftung aufweisen wird, könnte angeschlossen werden und erhebliche Betriebskosten einsparen. Und schließlich würde auch das große Wohnquartier im Hanhoopsfeld profitieren – ein Bereich mit besonders hoher Dichte an Sozialwohnungen, in dem viele Menschen leben, die auf bezahlbare Heizkosten angewiesen sind. Die Einspeisung in ein lokales Nahwärmenetz könnte dort unmittelbar Entlastung schaffen – finanziell wie ökologisch, meint Wiest.
Darüber hinaus sieht die Volt-Fraktion die Möglichkeit, dass das Rechenzentrum einen Teil seiner Kapazität unentgeltlich für gemeinwohlorientierte Zwecke zur Verfügung stelle. So könnten etwa junge Unternehmen aus der Wissenschaft, studentische KI-Projekte oder auch medizinische Forschungsinitiativen des Klinikums Rechenzeit kostenfrei nutzen. Wiest: „Harburg hat das Zeug, zum Vorreiter für smarte Stadtentwicklung zu werden. Wenn wir hier zeigen, dass Server nicht nur rechnen, sondern auch Schulheizungen ersetzen und die Energiekosten senken können, dann heizen wir der Zukunft im besten Sinne ein – und das sogar klimaneutral.“
Im Rahmen des VOLT-Antrags wird die Bezirksverwaltung beauftragt, mehrere potenzielle Flächen zu prüfen, die sich für ein solches Vorhaben eignen. Dazu gehören unter anderem das Gewerbegebiet am Großmoorbogen, das Hafengebiet Neuland mit direktem Gleis- und Wasseranschluss, die ehemaligen Kraftwerksflächen in Moorburg sowie im Bereich des Hanhoopsfelds selbst, in dem es in naher Zukunft städtebauliche Neuordnungen geben soll.
Gerade das Hanhoopsfeld biete möglicherweise eine strategisch günstige Lage: Die kurzen Leitungswege zu Schulen, Wohnungen und dem Schwimmbad ermöglichen eine effiziente Wärmeauskopplung. Außerdem stehen dort potenziell Flächen zur Verfügung, die sich gegebenenfalls durch einen Bebauungsplan anpassen ließen. Parallel soll die Verwaltung Gespräche mit möglichen Betreibern, den Hamburger Energiewerken sowie den relevanten Netzbetreibern führen, um technische Voraussetzungen und Förderoptionen zu klären. Auch Programme des Bundes, etwa zur Abwärmenutzung oder für energieeffiziente Rechenzentren, könnten zur Finanzierung beitragen, heißt es im Antrag.