„Wie kann Vielfalt zum verbindenden Element werden?“

mk -Der Historiker Nils Steffen moderierte und leitete den Workshop

„Wie kann Vielfalt zum verbindenden Element werden?“.

Workshop zum Projekt „Stadtrandgeschichten“ im JoLa.

Das Projekt „Stadtrandgeschichten – Migrationsgeschichte und gesellschaftliche Vielfalt erforschen“ war Thema eines ersten Workshops im JoLa im BGZ Süderelbe am 22. August. Die Veranstaltung stellte eine erste öffentliche Auseinandersetzung mit dem Projekt, das unter anderem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, dar. Die Historiker Nils Steffen und Stephan Kaiser erläuterten anfangs, worum es sich dreht. Mit den Methoden der Geschichts- und Theaterwissenschaften soll untersucht werden, wie in der durch Migration geprägten Hamburger Region Süderelbe persönliche Geschichten als Teil der Lokalgeschichte zum gemeinsamen Identifikationsanker werden können. Bürger erforschen gemeinsam die dynamische Geschichte im Jahrhundert der Migrationen in mehreren Schritten, erklärte Steffen.
Dazu gehöre laut Steffen die Dokumentation ihrer Familiengeschichte als Teil der Lokalgeschichte. Damit solle ein „Archiv der Erinnerungen“ geschaffen werden.
Davon ausgehend sollen sie zweitens als „Geschichtswerkstatt“ selbstgewählte Themen der regionalen Migrationsgeschichte erforschen. Die Forschungsergebnisse seien Grundlage für ästhetische Forschungen: Welche Bedeutung haben die vielfältigen Geschichten für ein Wir-Gefühl im Stadtteil? Welche Emotionen sind mit den persönlichen und familiären Migrationsgeschichten verbunden und wie lassen sich diese Emotionen transportieren, um wechselseitiges Verständnis zu fördern? Die historischen und ästhetischen Forschungen bringen Bürger in Form von Theaterstücken oder Performances auf die analoge oder digitale Bühne, treten damit in den Dialog mit der Stadtgesellschaft und lassen die Rückmeldung in die Forschungsdokumentation einfließen, skizzierten Steffen und Kaiser.
In der Region Süderelbe war und ist die Bevölkerung im 20. Jahrhundert in erster Linie durch mehrere Schübe von Flüchtlingswellen (Deutsche aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches nach dem 2. Weltkrieg, Ausgebombte aus dem Hamburger Gebiet, Gastarbeiter, Russlanddeutsche sowie Geflüchtete aus Syrien und der Ukraine) auf über 55.000 Menschen angewachsen. Zusätzlich bringen Neubaugebiete in den nächsten Jahren tausende weitere Neubürger an den Stadtrand. Die dynamische Entwicklung des urbanen Raums wirft die Frage auf: „Wie kann aus einem Nebeneinander ein Miteinander werden? Wie kann Vielfalt zum verbindenden Element werden? Gemeinsam erforschte Geschichte kann ein gesellschaftlicher Identifikationsanker sein, der die Menschen zusammenbringt. Der bürgerwissenschaftliche Ansatz fördert Sichtbarkeit, eine kritische Auseinandersetzung und Dialog“, brachte es Steffen auf den Punkt.
Laut Steffen und Kaiser seien viele dieser Bevölkerungsgruppen heimisch geworden. „Die Maßnahmen des Projektes zielen darauf, die vielfältigen Gruppen miteinander in den Dialog zu bringen und gemeinsam interkulturell und intergenerationell zu forschen. Das Konzept setzt auf Partizipation und Co-Creation vor Ort, kann bei Bedarf aber auf digitale Formate umgestellt werden“, kündigte Steffen an.
Das Projekt dockt an etablierte Netzwerke im und rund um das Kulturhaus Süderelbe an, die durch das Projekt nachhaltig zusammengebracht und erweitert werden sollen, betonte Steffen.
Die engagierten Teilnehmer des Workshops diskutierten im Anschluss an die einleitenden Worte der Historiker Aspekte, Ideen und Kriterien für ein schlüssiges Konzept, damit das Projekt mit Leben erfüllt wird. Bislang scheint der vom Kulturhaus Süderelbe e.V., der Universität Hamburg und der Geschichtswerkstatt Süderelbe-Archiv erarbeitete Ansatz auf Gegenliebe gestoßen zu sein. Man gehört zu den fünf Finalisten des Wettbewerbs des neudeutsch bezeichnteten „Citizen Science“-Wettbewerbs. Verbunden ist dies mit einem Zuschuss von 5000 Euro für die weitere Ausarbeitung des Konzeptes. Aus den fünf Konzepten wählt die Wettbewerbsjury im Oktober 2022 drei Preisträger aus, die jeweils ein Preisgeld von 50.000 Euro zur Umsetzung ihrer Konzepte erhalten. Achtung: Am 5. September – wieder von 18 bis 20 Uhr – ist der nächste Workshop im JoLa zum Thema vorgesehen.