„Süderelbe-Öffnungsspuk: Bürgerschaft müsste dem schnell ein Ende machen“

Foto: pm -Vor einem Jahr fand die vorerst letzte große Demonstration (hier beim Start in Neuenfelde) gegen die Öffnung der Alten Süderelbe statt

„Süderelbe-Öffnungsspuk: Bürgerschaft müsste dem schnell ein Ende machen“.

Was als Bürgerdialog angekündigt war, endete als Farce.

„Wenn man Bürgerinnen und Bürger zum Dialog einlädt, muss man, so sollte man meinen, auch mit ihnen sprechen. Davon konnte am 6. April in der ‚Bürgerdialogveranstaltung zur Öffnung der Alten Süderelbe‘ allerdings keine Rede sein“, kritisiert Paztricia Maciolek vom Aktionsbündnis „Keine Öffnung der Alten Süderelbe“.
70 Teilnehmer hatten sich in die digitale Konferenz eingeloggt – „die aber wurden schwer endtäuscht“, so Maciolek weiter. Sie berichtet: „Rund anderthalb Stunden unterhielten sich Dirk Kienscherf (Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft), Dominik Lorenzen (Vorsitzender der Grüne-Bürgerschaftsfraktion) und Dr. Dr. Elisabeth Klocke (Vorstand Stiftung Lebensraum Elbe) untereinander, während für die restlichen Teilnehmer das Mikrofon-Modul der Plattform Zoom ausgeschaltet war. Fragen konnten lediglich per Chat gestellt werden. Davon gab es zwar reichlich, beantwortet wurde aber so gut wie keine.“
Auf Bedenken und Anmerkungen der Betroffenen sei gar nicht eingegangen worden. Stattdessen, so eine weitere Teilnehmerin, „wurde in schulmeisterlicher Art über die Notwendigkeit der vertieften Prüfung der Öffnung referiert. Dabei sind Fakten der bereits stattgefundenen Studien vor Ort sehr gut bekannt“. Dass als Fakten deklariert wurde, was in Wirklichkeit nicht der Wahrheit entspricht, überraschte bei dieser Veranstaltung dann schon fast nicht mehr, stellte Patricia Maciolek fest und nennt Beispiele.
„So wurde behauptet, dass eine Öffnung der Alten Süderelbe eine der wenigen Maßnahmen ist, die zur Schaffung von Flutraum geeignet sei. Falsch, denn die Öffnung von Nebenelben an der Unterelbe ist bisher noch gar nicht geprüft worden. Behauptet wurde auch, dass zum Hochwasserschutz Retentionsräume benötigt würden und die Alte Süderelbe dafür besser geeignet sei als die Dove-Elbe. Auch das ist falsch, im Gegenteil: Der notwendige Bau eines 65 m breiten Sperrwerks birgt erhebliche Risiken und würde eine Schwächung der ersten Deichlinie bedeuten. Auch Flutmauern und Spundwände im Binnenland können da keine Sicherheit bieten. Die Öffnung, so wurde behauptet, sei wichtig für das Sedimentmanagement zum Weiterbetrieb des Hamburger Hafens. Wie allerdings die Kreislaufbaggerei durch die Öffnung der Alten Süderelbe bewältigt werden soll – zumal diese nachgewiesen ohne ständige Unterhaltsbaggerei ebenfalls nach acht bis zehn Jahren vollkommen verschlickt ist – blieb unbeantwortet.“
Manfred Hoffmann von der Bürgervertretung Neuenfelde-Francop-Cranz formuliert den Sachverhalt so: „Dass es jetzt mit einer vertiefenden Machbarkeitsstudie weitergeht, ist der Wunsch der Hamburger Bürgerschaft. Die Stiftung Lebensraum Elbe führt – kurz gesagt – hier das durch, was die Hamburger Bürgerschaft vorgegeben hat: eine detaillierte Prüfung für die Wiederanbindung der Alten Süderelbe und der Haseldorfer Marsch an das Tidegeschehen, welche zeitgleich erfolgen soll, und ein angemessener Kommunikationsprozess mit den Menschen vor Ort. Eine konstruktive Kritik muss sich an die Bürgerschaft richten und weniger an die Dialog-Beauftragten, denn die Bürgerschaft müsste und könnte dem Süderelbe-Öffnungsspuk hier in unserem Lebensraum schnell ein Ende machen.“
Sobald sich Schleswig-Holstein für eine Prüfung der Haseldorfer Marsch entscheidet, soll die erneute Machbarkeitsstudie zur Öffnung der Alten Süderelbe in Auftrag gegeben werden – so weit die aktuellen Planungen. Klar sei dabei jetzt schon, so Maciolek weiter, „dass allein für die Öffnung der Alten Süderelbe immense Kosten von ca. 1 Milliarde Euro entstehen würden – ohne zu wissen, wie nachhaltig die Maßnahme wirklich wäre.“ Maciolek, die unmittelbar an der Alten Süderelbe wohnt, weist auch darauf hin, „dass dafür die Zerstörung eines hochwertigen Naturschutzgebietes in Kauf genommen wird“, und es sei auch kein Wort über die Folgen für die Landwirtschaft, den Obstbau oder die Be- und Entwässerung der Region verloren worden.
Fazit des Aktionsbündnisses, das gefordert hatte, die Veranstaltung in Präsenz durchzuführen, damit auch Menschen, die nicht „digital-affin“ sind, teilnehmen können: „Als ,Bürgerdialog‘ angekündigt war das eine Farce, die stattdessen zu Enttäuschung, Wut und Empörung bei den Teilnehmenden geführt hat. Ihnen wurde wieder einmal gezeigt, dass sie nicht ernst genommen werden und stattdessen gebetsmühlenartig bekannte Argumente abgespult werden.“
Hoffman erinnert jedoch auch daran, dass bereits am 23. Februar 2022 die Bürgervertretung Neuenfelde-Francop-Cran an dem digitalen Informationsdialog „Alte Süderelbe“ durch seine Mitglieder Torsten Harm und Manfred Hoffmann teilgenommen hatte. Sie hatten die Möglichkeit genutzt, um noch einmal die ablehnende Bewertung einer Öffnung der Alten Süderelbe für ihre Wiederanbindung an das Tidegeschehen durch die Bürgervertretung klarzumachen. Hoffmann: „Unter dem Aspekt einer deutlichen Ablehnung des Tideanschlusses durch die große Mehrheit der Bürger*innen des Hamburger Alten Landes, von Finkenwerder und von Moorburg hatte der digitale Dialog schon sein Gewicht.“
Auch Gudrun Schittek, Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen aus Neuenfelde, bezieht Position zum Bürgerdialog am 6. April: „Die Veranstaltung ,Bürgerdialog‘ zu nennen, ist gänzlich unpassend. Die Bürger*innen konnten nur schriftlich im Chat Fragen stellen, die zum größten Teil nicht beantwortet wurden. Bekannte Fakten wurden referiert, ohne dass ein Gespräch und eine inhaltliche Diskussion ermöglicht wurde. Solch in Format ist nicht für eine Bürgerbeteiligung geeignet. Wenn man ein digitales Formst wählt, muss man die Leute zu Wort kommen lassen.“ Die Öffnung der Alten Süderelbe ist bereits vom Forum Tideelbe bewertet worden. Schittek weiter: „Die Ergebnisse zeigen, dass wertvolle Naturschutzgebiete, die Alte Süderelbe und die Westerweiden, geopfert werden müssten. Eine zweite Deichlinie mit Spundwänden und Erddeichen müsste errichtet werden, und auch ein 65 m breites Sperrwerk am Storchennestsiel (Der Neue RUF berichtete mehrfach). Das wären riesige Baumaßnahmen. Der Hochwasserschutz der ganzen Region wäre gefährdet. Die Öffnung hätte keinen nachhaltigen Effekt. Nach 8 bis 10 Jahren wäre die Alte Süderelbe verschlickt und hätte keine positive Wirkung mehr auf das Tidegeschehen. Dazu muss man nur einen Blick auf das Mühlenberger Loch werfen. Dort gibt es in einigen Jahren nur noch Schlick. Ostbau und Wasserwirtschaft im Hamburger Alten Land wären in Gefahr. Die Landwirtschaft hätte kein Zukunftsperspektive mehr.“