Stolperstein Vertraulichkeit.
Kulturausschuss gibt kein Votum ab.
In der Sitzung der Bezirksversammlung am 16. April sollten die Abgeordneten eigentlich ihr Votum zum mittlerweile abgeschlossenen Interessenbekundungsverfahren (IBV) – gesucht wird ein neuer Betreiber für den Rieckhof – abgeben. Doch daraus wird aus naheliegenden Gründen zunächst nichts. Die Vertreter der Parteien im IBV waren dazu verdonnert worden, Stillschweigen über das Verfahren im Allgemeinen und über das Ergebnis im Besonderen zu bewahren. Durchgesickert war trotzdem einiges. Die CDU-Fraktion möchte das schließlich von der Verwaltung mitgeteilte Ergebnis zunächst noch in Präsenz-Sitzung ausführlich beraten, kündigte für die Chrisdemokraten Robert Timmann an.
Alle anderen Fraktionen seien jedoch informiert gewesen, wunderte sich Heinke Ehlers (Grüne), zumal auch Heiko Langanke für die Linke am IBV beteiligt gewesen sei. Der aber hatte sich an die Vorgabe gehalten und seine Partei nicht informiert. Folglich meldete auch seine Partei durch ihren Abgeordneten Michael Schulze in der Sitzung des Kulturausschusses, deren einziger Tagesordnungspunkt das IBV war, weiteren Beratungsbedarf an. Gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner SPD hatten die Grünen das IBV eingeleitet und vorangetrieben – zum Unverständnis einer breiten Öffentlichkeit. Den Zuschlag hat mittlerweile die Stiftung Kulturpalast Billsted bekommen.
Unter diesen Umständen sahen sich eine Reihe von Abgeordneten im Kulturausschuss auch nicht in der Lage, für die Bezirksversammlung (BV) eine Empfehlung auszusprechen, um dort ein Einvernehmen herzustellen.
In der Tat: Matthias Eichhorn vom Fachamt Sozialraummanagement hatte in der Sitzung des Kulturausschusses nicht über die Vorzüge des Kulturpalastes referiert, aufgrund derer er – wenn auch nur mit knappem Vorsprung vor dem Bürgerhaus Wilhelmsburg – den Zuschlag im IBV bekommen hatte. Das war für diese Abgeordneten Grund genug, keine Empfehlung aussprechen zu können. 32 Fragestellungen hatten die am IBV Beteiligten zu beantworten. 77 Punkte waren auf den Kulturpalast entfallen, 76,4 auf das Bürgerhaus Wilhelmsburg. Nuancen gaben dann, so Eichhorn, im direkten „Zweikampf“ den Zuschlag für den Kulturpalast. Das Bezirksamt hatte sich umgehend diesem Jury-Votum angeschlossen, in der entsprechenden Pressemitteilung aber auch schon – zur Verwunderung mancher Abgeordneter – bereits die Durchführung des nächsten IBV angekündigt.
„Nun auch schon zu verkünden, man wolle mit dem kommenden Beirat schon ein nächstes IBV sondieren, zeigt … in besonderer Weise, dass Harburg hier entgegen den Richtlinien zur Planungssicherheit für institutionell geförderte Einrichtungen einen Präzedenzfall geschaffen hat: Planungssicherheit gibt es nicht mehr. Unter diesen Bedingungen zu starten ist – egal für welchen Bewerbenden – ein extrem ungünstiges Unterfangen“, stellte indessen Heiko Langanke fest. Er erläuterte weiter: „Da die drei Vertreter*innen der Verwaltung selbst stimmberechtigte Jurymitglieder waren, ist es schlicht irreführend, wenn die Verwaltung in der Empfehlung schreibt: „Das Bezirksamt Harburg schließt sich der Empfehlung der Jury vollumfänglich an“. Sie ist ja ein wesentlicher Teil von ihr gewesen und hat im Äbrigen einstimmig für den Kulturpalast abgestimmt.“
Das Votum sim IBV stünde für ein selbstbewusstes Harburg, hieß es indessen aus der Verwaltung. Die wollte am Montag den bisherigen Betreiber über den aktuellen Sachstand informieren.
Sonja Wichmann als Vertreterin der Verwaltung äußerte zwar für die Position dieser Abgeordneten Verständnis, machte aber deutlich, dass durch diese Vorgehensweise das gesamte Verfahren verzögert werden würde. Je eher mit dem neuen Rieckhof-Betreiber Gespräche geführt würden, desto eher könnten auch die weiteren notwendigen Schritte unternommen werden, erläuterte Wichmann. Solche Gespräche der Verwaltung aber vor der Herstellung des Einvernehmens in der BV zu führen, könnte ein Ergebnis vorwegnehmen, gab Langanke zu bedenken. CDU, Linke und FDP deuteten an, dass sie versuchen würden, bis zum 26. April entscheidungsfähig sein zu können, gleichwohl konnte der Kulturausschuss in der Sitzung am 24. März – anders als von der Verwaltung gewünscht und erwartet – keine Empfehlung aussprechen. Einigkeit bestand unter den Abgeordneten dahingehend, dass Gespräche mit dem Kulturpalast im Vorfeld der BV keine rechtliche Bindung haben. Denn zumindest theoretisch könnte die BV zu einem anderen Beschluss kommen, als von der Verwaltung erwartet. Das ist allerdings wenig wahrscheinlich, weil SPD und Grüne in der BV über die Mehrheit verfügen.
„Die Startbedingungen, egal für welchen Betreiber im Haus Rieckhoffstraße 12, sind somit denkbar schlecht und wenig verheißungsvoll“, schlussfolgerte der Abgeordnete Langanke und fuhr fort: „Leider wurde auch im Fragenkatalog für die Jury an keiner Stelle die relevante Frage gestellt, was Harburg hat bzw. nicht hat. Geschweige denn, was Harburg künftig eigentlich bräuchte.“ Sein Fazit: „Das ganze Verfahren war, was den Punkt der Partizipation gesellschaftlicher Akteur*innen angeht, pure Demokratiesimulation.“
