Stadtteilbücherei auf der Veddel soll geschlossen werden.
Politik stellt sich entschieden gegen Räumung.
Ihr liegt dieser Ort sehr am Herzen, seit 19 Jahren ist die Stadtteilbücherei auf der Veddel so etwas wie eine zweite Heimat für Minire Nesimi. Stolz erzählt die 50-Jährige, was sie, ihre Kollegin Laureta Memedi und ihre anderen Mitstreiter vom Verein Veddel aktiv alles auf die Beine stellen – von Märchenlesungen, Kita- und Klassenbesuche, Gedichte für Wichte, ganz zu schweigen von den rund 2.500 Medien, die ausgeliehen werden können. Durchschnittlich 100 Kinder besuchen an den Öffnungstagen regelmäßig die Bücherei. Die beiden haben viele Kinder heranwachsen sehen, der eine oder die andere kommt immer noch gerne in der Stadtteilbücherei vorbei, auf einen Schnack. Auch Eltern kommen regelmäßig vorbei, haben Vertrauen in Minire Nesimi und Laureta Memedi gefasst, da wird auch schon mal das eine oder andere Problem gelöst. Minire Nesimi hat Tränen in den Augen, wenn sie von alldem erzählt.
Doch damit soll nun bald Schluss sein. Dem Verein Veddel aktiv, der seit 2009 die Stadtteilbücherei Veddel mit viel Herzblut in alleiniger Verantwortung betreibt, wurde Mitte April ein Schreiben der Schulbehörde zugestellt. Darin die Aufforderung, die in der Schule Auf der Veddel beheimatete Stadtteilbücherei zum 31. Juli dieses Jahres zu räumen. Der Grund: Die Schule platzt aus allen Nähten, es fehlen rund 1.700 Quadratmeter Fläche. Ein geplanter Erweiterungsbau von rund 500 Quadratmetern würde dieses Defizit nicht decken, heißt es aus der Schulbehörde. Gebraucht werde mehr Fläche, unter anderem die 200 Quadratmeter der Bücherei, da mittlerweile ganztägig an der Stadtteilschule gelernt werde. Das sei zu der Zeit, als die Räume kostenfrei überlassen wurden, nicht der Fall gewesen. Mittlerweile hätten sich die Schülerzahlen positiv erhöht, sodass die Schule durchgehend zwei- bis dreizügig und ganztägig organisiert ist. Außerdem wurden aus Gründen des Brandschutzes die Kunsträume gesperrt, der Raumbedarf sei dadurch noch mal gestiegen.
Dabei hat die Stadtteilbücherei seit dem Bau der Schule in den Jahren 1928/29 am Slomanstieg ihren festen Platz. Der damalige Oberbaudirektor Fritz Schumacher plante rund 30 Schulen in Hamburg, darunter auch die Volksschule Veddel. Dabei wurde die Schule von Schumacher nach seinem selbst aufgestellten Raumprogramm konzipiert. „Zu den üblichen Räumen für handwerkliche Arbeiten, naturwissenschaftlichen und musischen Unterricht sowie einer Turnhalle, einer Aula, einem Gymnastiksaal und einer Zahnklinik kam in Veddel noch eine öffentliche Bücherhalle hinzu“, so die Fritz-Schumacher-Gesellschaft auf ihrer Internetseite.
Diese Nähe zur Schule mache genau den Erfolg aus, sind sich Minire Nesimi und Laureta Memedi einig. Und sie sind auch verzweifelt. Für sie kam die Räumung überraschend, vorher sei das aus ihrer Sicht nie klar von den zuständigen Stellen kommuniziert worden. Auch habe man nicht versucht, gemeinsam mit dem Verein eine Lösung zu finden, wo man die Bücherei anderweitig unterbringen könne. Dem widerspricht die Schulbehörde: „Bereits am 26. Februar 2019 hat die zuständige Schulaufsicht das Sozialraummanagement des Bezirksamtes Mitte, das auch für die Veddel zuständig ist, über die geplante Kündigung informiert. In weiteren Treffen (zum Beispiel RBK-Steuergruppensitzungen am 17. Juni und 28. Oktober) sowie in mehreren E-Mails wurden die Absichten der Schule wiederholt und um eine Lösungsfindung gebeten.“
In ihrer Verzweiflung hat der Verein nun die Politik involviert, ein Schreiben mit der dringenden Bitte um Unterstützung verschickt. Die reagierte prompt: „Mit diesem Schwarze-Peter-Spiel ist niemandem geholfen. Wir halten es für die Verantwortung aller Akteure, auch der Schule, sich nun aktiv um Lösungen zu kümmern. Eine Schließung der Stadtteilbücherei ist keine Option“, erklärt zum Beispiel der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Ralf Neubauer.
Der Veddeler Lokalpolitiker Klaus Lübke findet, dass „die Probleme, die die Schulbehörde anführt, hausgemacht sind. Man kann in einem Gebäude nicht mehr Klassen unterbringen, als es Räume gibt. Der Zuwachs der Schülerinnen und Schüler kann auch nicht mit einem Bevölkerungswachstum auf der Veddel erklärt werden. Es geht uns, wenn wir uns vor die Bücherhalle stellen, nicht um den Träger, der sie betreibt. Es geht uns um die Kinder und Erwachsenen, die sie benutzen. Ein Ort, an dem man ohne Lernstress an Bücher herangeführt werden kann und seine Freude am Lesen entdecken und frönen kann, ist in einem Stadtteil, in dem den Bewohnern durchschnittlich der kleinste Wohnraum in ganz Hamburg zur Verfügung steht, um so wichtiger. Die Schulbehörde missachtet die Interessen derjenigen, die sie eigentlich im Auge haben soll. Man kann keine schlauen Kinder haben wollen, und eine Bücherhalle schließen!“
Jörn Frommann von der CDU Wilhelmsburg ist ebenfalls entschieden gegen die Räumung: „Insbesondere die Tatsache, dass offensichtlich bis zur Kündigung der Räumlichkeiten im April 2020 niemand von Veddel aktiv e.V. mit eingebezogen wurde, ist verantwortungs- und perspektivlos! Es stellt sich die Frage, warum die Schule sich der eigenen Kapazitäten beraubt, indem sie die Stadtteilbücherei, die sich immer an diesem noch nie von der Schule genutzten Bereich befand, rauswirft. Schließlich waren es gerade die Schüler der Veddel, die dieses Angebot genutzt haben. Damit wird den Kindern in oftmals schwierigen Verhältnissen eine Möglichkeit des Lernens genommen. Ernst zu nehmen ist dann die zu erwartende zukünftigeKritik der Schule an der Bildungsferne ihrer Schüler und der Ruf nach Unterstützung nicht mehr. Ich fordere Senator Rabe auf, seiner Verantwortung für die Kinder und dem Stadtteil nachzukommen und an Lösungen zum Erhalt der Stadtteilbibliothek zu arbeiten!”
Wie es nun weitergeht, steht in den Sternen. Fest steht, dass die Räumung zum 31. Juli durchgeführt werden soll, ein Aufschub sei nicht vorgesehen, auch im Hinblick auf die für 2020/21 geplante Sanierung der Schule.
