
„Bitte nicht pressen!“.
Vollversorgung nicht gewährleistet: Süderelbe ohne sichere Geburtsstation.
Eine vollständige Versorgung in der Geburtshilfe der Helios Klinik Mariahilf in Harburg ist dringend nötig – darin sind sich die Parteien in Harburg einig. Den Stein ins Rollen gebracht hatte ein Bericht von „Zeit online“, demzufolge dem Perinatalzentrum der Klinik bei der Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) der Status als „Perinatalzentrum Level 2“ aberkannt worden ist. Die Mariahilf Klinik ist jetzt lediglich noch „Klinik mit Perinatalem Zentrum“ für die Versorgung von Schwangeren ab der 32. Schwangerschaftswoche und einem Geburtsgewicht von mindestens 1500g. Das Perinatalzentrum wurde im Oktober 2019 durch den MDK geprüft. Insgesamt wurden drei Zeiträume in den Jahren 2017, 2018 und 2019 untersucht. Der Klinik wurde in der Folge der Status als Perinatalzentrum Level 2 für alle drei Zeitpunkte aberkannt. Und auch aktuell ist der Status bis zu einer erneuten Prüfung zeitweilig ausgesetzt.
Diese Situation ist auch insofern nicht hinnehmbar, als diese Klinik an der Stader Straße seit 2017 die einzige Geburtsstation südlich der Elbe ist. Klinikleitung, Gesundheitsbehörde und die damals neue Chefärztin der Geburtshilfe hatten sich auf den Weg vom Perinatalzentrum Level 2 zur Zertifizierung zum Perinatalzentrum Level 1, der höchsten Versorgungsstufe für Früh- und Neugeborene, gemacht. Davon würden, so hieß es damals, Schwangere im Hamburger Süden und Umland deutlich profitieren, da dann auch besondere Risikoschwangerschaften, wie z.B. Mehrlingsgeburten, in Harburg versorgt werden könnten. Die nächstgelegenen Level 1-Zentren befinden sich aktuell lediglich nördlich der Elbe, z.B. am UKE, der Asklepios Klinik Barmbek und der Asklepios Klinik Nord – ein für den Bezirk und den Süderelberaum unhaltbarer Zustand. „Damit ist eine im Süden Hamburgs erforderliche Vollversorgung derzeit nicht gewährleistet. Sie ist aber dringend notwendig“, sagt Claudia Loss, sozialpolitische Fachsprecherin der SPD-Bezirksfraktion. Loss fügt hinzu: „Die Situation ist so nicht akzeptabel. Es ist anzuerkennen, dass die der Entscheidung zugrunde liegenden Prüfzeiträume noch aus der Zeit der alten Geschäftsführung stammen und die neue Geschäftsleitung große Anstrengungen unternimmt, um die angestrebten Ziele einer optimalen Versorgung von Schwangeren und Neugeborenen im Hamburger Süden zu erreichen. Dennoch muss jetzt schnellstens geklärt werden, wie der Stand ist und welche Maßnahmen kurzfristig umgesetzt werden, um zumindest den vorherigen Status als Perinatalzentrum Level 2 wiederzuerhalten.“
Die Grünen erinnern indessen daran, „dass die Geburtshilfe in der Mariahilf Klinik im letzten Jahr stark in die Kritik gekommen war, nachdem die damalige Chefärztin, mehrere Oberärztinnen und Hebammen gekündigt hatten. Als Gründe wurden schwierige Arbeitsbedingungen und zu wenig Personal genannt. Seit April 2019 hat die Klinik einen neuen Geschäftsführer und inzwischen auch eine neue Pflegedirektorin.“ Gudrun Schittek, Sprecherin für Gesundheit der Grüne-Fraktion und selbst Frauenärztin, wundert sich: „Dass weder schwangere Frauen, noch die einweisenden Frauenärztinnen und -ärzte von der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz oder vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen über diese Entscheidung, die bereits im Dezember 2019 getroffen wurde, nicht in Kenntnis gesetzt wurden, irritiert an dieser Stelle, denn, diese Information ist für die Entscheidung, in welcher Klinik ein Kind geboren werden soll, um optimal versorgt zu werden, unbedingt notwendig!“ Unter diesem Aspekt müsse der „Deal“ der beiden Krankenhäuser (Helios Klinik Mariahilf und Asklepios Klinik Harburg) von 2016 neu überdacht werden, meint Britta Hermann, Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bezirksversammlung. Fest aber steht, so Schittek weiter: „Der Hamburger Süden braucht die Mariahilf Klinik, als eine Klinik von höchster Qualität in Geburtshilfe, Perinatologie und Pädiatrie!“
Birgit Stöver, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschafts-Fraktion, führte aus: „Die Aberkennung des Level 2-Status (Versorgung von Frühgeburten ab der 29. Woche) der Geburtenabteilung am Mariahilf wäre nach der Schließung der Geburtenstation am Asklepiosklinikum Harburg erneut ein schwerer Vertrauensverlust in eine sichere Geburtshilfe im Hamburger Süden.“ Erstaunlich sei dabei, dass bei der Pressekonferenz der Senatorin zum Aktionsplan „Gesunde Geburt in Hamburg“ vor wenigen Tagen diese Veränderung mit keinem Wort erwähnt worden seien. Die Senatorin wird dieses erklären bzw. bestätigen müssen, „vor allem weil dem Hamburger Süden sogar die Fortentwicklung der Geburtenstation des Mariahilfs zu einem Perinatalzentrum Level 1 (Frühchen vor der 29. Woche) zeitnah in Aussicht gestellt wurde.“ Diese Information sei für die Entscheidung, in welcher Klinik ein Kind geboren werden soll, um optimal versorgt zu werden, unbedingt notwendig“, erwartet Schittek. In die gleiche Kerbe schlägt auch Sabine Boeddinghaus, Vorsitzende der Fraktion Die Linke in der Bürgerschaft. „Schwangere können nicht warten“, erklärte sie und stellte fest: „Die Versorgung von werdenden Müttern in Süderelbe hat sich so drastisch verschlechtert, dass der Senat die Versorgung der Schwangeren sofort und zu hundert Prozent sicherstellen muss!“
Stöver kündigte an, dass die CDU-Fraktion in der Bürgerschaft die Entscheidungs- und Kommunikationswege hinterfragen wird, „denn die Harburgerinnen und Harburger haben ein Recht auf transparente Informationen. Dass es im Bezirk Harburg nur noch eine Geburtsklinik gibt, ist bedauerlich genug. Diese sollte dann aber auch den höchsten Ansprüchen genügen und Frühgeburten bestmöglich versorgen.“
Der Fraktionsvorsitzende der SPD-Bezirksfraktion Harburg, Frank Richter, kündigte an: „Wir haben einen Antrag auf eine Sondersitzung im Februar eingebracht, damit wir im Interesse der Harburgerinnen und Harburger informiert werden, welche Schritte nun unternommen werden. Harburg braucht auf längere Sicht ein Perinatalzentrum Level 1, um eine vollständige medizinische Versorgung in der Geburtshilfe anbieten zu können. Deshalb interessiert uns auch, wie über die Zurückgewinnung des Status als Perinatalzentrum Level 2 hinaus in überschaubarer Zeit der Status eines Perinatalzentrum Level 1 erreicht werden kann.“ Auch Boeddinghaus fordert „Die Gesundheitssenatorin muss umgehend darlegen, wie sie den Helios-Konzern zur umfänglichen Sicherstellung der Versorgung von Schwangeren und Gebärenden verpflichten will.“ Für den gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktion, Deniz Celik, ist das Problem hausgemacht: „Mit der kompletten Zusammenlegung der Geburtshilfe in Süderelbe an der Mariahilf-Klinik 2017 versprach die Senatorin eine bessere Versorgung. Drei Jahre lang ist von den angekündigten Verbesserungen nichts umgesetzt worden, es gab sogar massive Verschlechterungen: kein hebammengeleiteter Kreißsaal, kein ‚Upgrade‘ zum Perinatalzentrum 1, keine Aufstockung der Frühen Hilfen, die Die Linke wiederholt beantragt hatte. Ganz im Gegenteil: Nicht mal die Bedingungen für ein Level-2-Perinatalzentrum sind erreicht. Vier Wochen vor der Wahl präsentiert uns die Senatorin einen Aktionsplan ‚Gesunde Geburt‘ – das ist ein klarer Fall von Aufschieberitis.“ Deshalb empfielt die Linke hochschwangeren Frauen in Harburg sarkastisch: „Bitte nicht pressen!“