Die „Sea-Eye“ erzählt ihre Geschichte jetzt in Harburg

pm -Die Sea-Eye ist am Kanalpltz vor Anker gegangen

Die „Sea-Eye“ erzählt ihre
Geschichte jetzt in Harburg.

Seenotretterverein brachte 11.800 Menschen in Sicherheit.

Ein grünes Schiff – ein besserer (?) Fischkutter – 121 Bruttoregistertonnen, 26,5 m lang, 3,90 m Tiefgang, 1959 in Boizenburg gebaut – liegt seit Montag im Harburger Binnenhafen, unübersehbar, direkt am Kanalplatz, wobei schon der Begriff „besserer“ gewissermaßen weit hergeholt ist, denn der Rost nagt als Zahn der Zeit an dem Kahn. Der hat jetzt seine Schuldigkeit getan: Als „Sea-Eye“ ist er seit 2015 vor der Küste von Lybien und Tunesien gekreuzt, hat Flüchtlinge – zumeist von Schleppern auf den Weg gebracht – in ihren Gummi- und Holzbooten geortet, gerettet und für das fachgerechte abbergen gesorgt. Zwei Monate wird das Schiff, dass Michael Buschheuer, Geschäftsführer einer Regensburger Korrosionsschutz-Firma, im Jahr 2015 nicht nur erworben sondern gleich auch den Sea-Eye e.V. gegründet hat, in Harburg bleiben, bevor es seinen endgültigen Liegeplatz (am Trockenen) in der Ballinstadt auf der Veddel findet, wo es zukünftig seine Geschichte erzählen soll. Dabei ist deren zweiter und letzter Teil der weitaus interssantere Teil. Als „Sternhai“ war das Schiff etwa 50 Jahre lang im Atlantik und in der Ostsee auf Fischfang unterwegs – für die DDR mit Heimathafen Sassnitz auf Rügen. Geschichte hat das Schiff aber als Sea-Eye geschrieben. Stichwort: Seenotrettunng. Das sei auch das einzige Interesse des Vereins, erläutert dessen Grründer Michael Buschheuer. „Die Sea-Eye ist deshalb vollkommen unpolitisch, betont er ein ums andere Mal. Und sagt: „95 Prozent der Menschen sind für die Seenotrettung und gleichzeitig sind 95 Prozent der Menschen sind für gesicherte Grenzen.“ Er im Übrigen auch. Und: Das eine schließe das andere nicht aus. Zwischen diesen beiden Positionen werde der Verein wie ein Keil zerrieben, Einigung aktuell nicht in Sicht. Diese beiden Positionen gegeneinander ausspielen zu wollen sei „vollkommen idiotisch,“ – sagt er und schwingt sich mit Frau und zwei Kindern in das Auto mit Ziel Regensburg – in den verdienten Urlaub. Der Sea-Eye Eigentümer verabschiedet sich mit den Worten: „Wir tun was die Pflicht der Staaten wäre: Menschen vor dem Ertrinken retten. Nicht mehr und nicht weniger. “ Die Frage der Seenotrtettung aber spalte aktuell die Menschen. Denn: „Sie reden nicht miteinander.“ – Ein Streit, der auf dem Rücken von Flüchtlingen ausgetragen werden, die darüber nicht selten ihr Leben verlören. Bis zu 120 Personen auf einem Flüchtlingsboot das für höchstens 30 Personen ausgelegt sei, sei die Regel. Nicht einmal Trinkwasser sei an Bord und die Tragödie bereits in den Küstengewässern mithin vorhergezeichnet.

An Bord verbleibt als Stallwache Manuela Artmann, nach eigenem Bekunden Landratte aus Regensburg. Sie hat viel zu erzählen. Nicht nur von rauher See mit 4-5 m hohen Wellen und einer bisweile 52 Grad

Krängung

vor der tunesischen Küste („Das Schiff – es fuhr die meiste Zeit unter holländischer Flagge – hat sich selbst bei rollender See als robust erwiesen und alles gut überstanden.“)

sondern vor allen Dingen von menschlichen Schicksalen. Das sich schon mal 208 Personen an Bord aufhielten sei schon rekorsverdächtig, da das Schiff eigentlich ja nur Platz für eine Fischfang-Crew bietet. Man war stets darauf angewiesen, dass andere, größere Schiffe, die Flüchtlinge nach einer Erstversorgung und Ausstattung mit Schwimmwesten übernommen wurden. Kapitän, Machinist, Funker, Arzt und einigen weitere Freiwilligen mussten sich mit auf auf ein Minimum reduizerten Raum beschränken. Jede Ecke auf und unter Deck wurde ausgenutzt, ob nun Trinkwasser in Kanistern gelagert war, 27 Tonnen Schiffsdiesel für den 60 Jahre alten Motor (das Boot besticht durch einen äußerst geringen Verbrauch, nur jede dritte Crew musste nachtanken), Lebensmittel (gekocht wurde – auf vier Herdplatten – zumeist Couscus), medizinisches Material und Apparatur im so genannten „Krankenhaus“ am Bug, Schwimmwesten, denn die allermeisten Flüchtlinge können nicht schwimmen, und auch Rettungsinseln sowie 30….. Leichensäcke. In jedem Raum ein irres Gewirr von Kabeln das den Laien zur schieren Verzweiflung treiben würde – nicht so die Schiffs-Crew. Denn, so Manuela Artmann, Menschenrettung stand ganz vorne an, ohne jedoch die eigene Sicherheit zu vernachlässsigen. Und während im provisorischen „Krankenhaus“ eine Frau von ihrem Kind entbunden wurde, schraubte der Schiffsmechaniker eine Tür weiter mit seinen öligen Händen an irgendwelchen Aggregaten, denn etwas war immer zu reparieren, richten oder justieren.
Seit Februar 2015 hat die Sea-Eye gemeinsam mit ihrem Schwesterschiff „Seefuchs“ 11.800 Personen gerettet, manchmal auch im Windschatten großer Schiffe, was eine nicht unerhebliche Hilfe war. Diese großen Pötte hätten jedoch, wie Artmann berichtet, sehr ungerne selbst Flüchtlinge an Bord genommen. Politische Schwierigkeiten. Idealerweise alle zwei Wochen fand ein Crew-Wechsel statt.
Der letzte an Bord verbliebene Proviant wurde nun an die Hamburger Tafel verschenkt. Während der nächsten beiden Monate kann sich sonnabends jedermann auf dem Schiff umsehen, es sollen Informations- und Diskussionsveranstaltungen stattfinden, kurz, wie eine „Museal aktive Arbeit, “ so Buschheuer. Man suche die Bindung zu den Hamburgern und Harburgern – Reibungspunkte erwünscht.